Kapitel 4.3

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~Cleo

Am nächsten Tag nahm ich mir frei. Eigentlich hätte ich in den Unterricht gemusst, aber ich hatte die Ereignisse des gestrigen Abends noch nicht wirklich verarbeitet. Ich wäre fast gestorben- mal wieder. Wäre dieser... Rune nicht aufgekreuzt und hätte dem Rebell den Kopf abgehackt, wäre ich jetzt vermutlich Geschichte. Noch ein Punkt, der mich verstörte- gestern Abend hatte ich verdammt nochmal gesehen, wie jemandem der Kopf abgetrennt worden war. Rebell hin oder her, der Anblick war nicht sonderlich schön gewesen, zumal ich abends zurück in meinem Zimmer bemerkt hatte, dass ein Teil des Blutes in meinem Gesicht gelandet war. Eventuell hätte ich daraufhin beinahe mein Abendessen wieder ausgespuckt. Ich gönnte mir einen ausführlichen Schlaf, bis ich mich schließlich gegen Mittag auf den Campus wagte. Ich musste Estelle auf diesen Wikinger ansprechen und diesmal gelang es mir hoffentlich, ohne dass Seth hereinplatzte und erzählte, dass er ein Gott war. Jedenfalls hoffte ich, dass er nicht noch weitere, verstörende Dinge über sich erfuhr. Es reichte schon, dass er zur mächtigsten Spezies überhaupt aufgestiegen war. In diesem Moment fiel ein Schatten auf mich herab, der mich von der Sonne, die mir eben noch auf den Rücken geschienen hatte, abschirmte. ,,Hallo Cleo", sagte der Schatten. Wenn man vom Teufel sprach...

,,Hallo Se-" Ich drehte mich um und hielt augenblicklich inne. Ich starrte ihn an und blinzelte ungläubig, aber das Bild veränderte sich nicht großartig. Dass er lächelte, war nicht einmal ansatzweise das verstörendste an seinem Anblick. ,,Okay", brachte ich schließlich heraus, nachdem ich ihn etwa eine halbe Minute angestarrt hatte. ,,Was hast du mit deinen Haaren angestellt, Seth?"

Seth zuckte unschuldig mit den Schultern. ,,Ich hab ihnen die Freundschaft gekündigt. Wir gehen jetzt getrennte Wege."

Ich trat einen Schritt zurück und beäugte ihn genauer. Blondes Haar kräuselte sich über seinen Ohren und fiel ihm in einer wilden Mischung aus Wellen und Locken in die Stirn. Es sah flauschig aus und es stand ihm, aber es war trotzdem seltsam, Seth mit kurzen Haaren zu sehen. Er sah so... normal aus. Ich konnte nicht vermeiden, dass ich ihn anstarrte, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. Es hätte mich weniger überrascht, wenn ich ihn in einem pinken Einhorn-Shirt angetroffen hätte.

Ich schüttelte den Kopf. ,,Seth, warum tust du so etwas?"

Er fuhr sich umständlich mit einer Hand durch die Haare, was diese noch wilder in alle Richtungen abstehen ließ. Es sah aus wie eine flauschige blonde Wolke. Ich wollte es anfassen.

,,Entschuldige, aber ich musste unbedingt wissen, wie ich mit so 'ner feschen Surferboy-Frise aussehe", erwiderte er trocken.

Gut natürlich. Mir gefielen die langen Haare trotzdem besser an ihm. Er sah so... brav aus. Wenn ich ihm das sagen würde, würde er mich vermutlich zu Hackfleisch verarbeiten, deshalb hielt ich die Klappe und tat stattdessen etwas, wofür er mir höchstens einen Zahn ausschlagen würde. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und wuschelte mit den Fingern durch seine wilden Locken, die sich noch flauschiger anfühlten, als sie aussehen. Ich hatte das nicht für möglich gehalten.

,,Hexe...", knurrte er.

Ich setzte ein strahlendes Lächeln auf. ,,Entschuldige, aber wenn du schon unbedingt deine coolen Haare abschneiden musstest, will ich wenigstens probe-flauschen."

Seth setzte sich in Bewegung und zog eine Augenbraue hoch. ,,Ich wüsste nicht, dass dir dieser Zustand irgendwelche Sonderrechte einräumen würde."

,,Ich hole sie mir einfach."

Seth verdrehte die Augen und strich den Stoff seines Metallica T-Shirts glatt. ,,Ich muss zu Estelle", sagte er schließlich, als wollte er mich mit dieser Aussage loswerden. Nur hatte er Pech- zu Estelle wollte ich nämlich auch. Der Gott neben mir sah eher semi-begeistert aus, als ich den weiteren Weg zur Rektorin mit ihm antrat, aber er sagte nichts dazu. Vielleicht war ihm noch keine doofe Aussage eingefallen, mit der er mich hätte loswerden können.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt