Kapitel 3.4

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~Seth

Es hatte wieder funktioniert. Ich war gerade eben für fünf Minuten auf der anderen Seite der Welt gewesen und das war kein Versehen oder eine Ausnahme gewesen- gerade hatte es wieder geklappt. Heilige Scheiße. Egal wie lange ich nachdachte, mir fiel keine logische Erklärung ein, mit der ich die Tatsache, dass ich soeben ein Level aufgestiegen war, umgehen konnte. Das Herz pochte mir bis zum Hals, während es mir gleichzeitig einen Großteil meiner Energie aus dem Körper zu ziehen schien. Ganz plötzlich fühlte ich mich ausgelaugt, als wäre ich einen Marathon gelaufen und ich trat mühsam ein paar Schritte rückwärts, bis ich mich blind aufs Bett fallen ließ. Hades war ein verdammter Mistkerl. Von wegen, sie wussten nicht, was ich war. Götter spürten es, wenn es plötzlich einen weiteren ihrer Sorte gab. Es überraschte mich nicht einmal. Dass Hades sich nach über neunzehn Jahren das erste Mal hier blicken ließ und mich dann mit Lügen fütterte, passte irgendwie zu meinem bisherigen Bild von ihm. Ich richtete mich langsam wieder auf, während Skotádi sich aus ihrem Käfig befreite und auf mich zuflog, als hätte sie gerochen, dass ich gerade jemanden brauchte. Sie landete auf meiner Schulter und legte den Kopf gegen meinen Hals. ,,Ich bin ein Gott, Sko", erklärte ich ihr, während ich gedankenverloren über ihre grünen Federn strich.

,,Seffgott", krächzte sie und breitete die Flügel aus. Ein Sethgott. Das klang insgesamt irgendwie gemäßigter-göttlich, so schlecht fand ich die Bezeichnung gar nicht. Langsam spannte ich die Muskeln an und hievte mich aus dem Bett hoch. Ich musste mich ansehen. Ich musste wissen, ob ich anders aussah- anders als ein Gott. Ich stützte mich mit den Armen auf dem Waschbecken auf und starrte mir selbst in die Augen. Violett waren sie- wie immer. Ich sah aus wie immer. In meinem liebsten Krümelmonster-Hoodie und mit einem vertrockneten Blatt im Haar, das sich irgendwie dorthin verirrt hatte. Sollten so Götter aussehen? Fragend sah ich mein Spiegelbild an, aber das konnte mir auch keine Auskunft geben. Skotádi streckte den Hals aus, angelte sich das Blatt und ließ es zu Boden fallen.  ,,Seffgott", sagte sie überzeugt. So in etwa. Ich glotzte weiterhin mein Spiegelbild an. Dann dachte ich an Artemis. An Tyche. An Hades. Sie alle hatte man auf den ersten Blick als Gott identifizieren können. Aber mich? Ich war wohl der einzige Gott, der Krümelmonster-Hoodies trug.
Ich entfernte mich langsam vom Spiegel, ehe ich noch auf die Idee kam, loszuziehen und mir Assassinen-Kleidung zu kaufen, dann tat ich ein paar Dinge, um mich irgendwie abzulenken. Zocken, Horrorfilme gucken, Musik hören, sogar ein wenig aufräumen. Irgendwann führte mein Weg mich schließlich nach draußen, obwohl ich mich immer noch müde und ausgelaugt fühlte. Ich brauchte ein bisschen Bewegung. Draußen fegte ein kalter Wind über den Campus, der bunte Blätter und dünne Äste umher fliegen ließ. Das Licht wirkte grau und öde, ebenso wie der wolkenüberzogene Himmel. Ganz anders als in Deutschland, anscheinend hatte ich mir für mein erstes Beamen einen bilderbuchhaften Herbsttag ausgesucht. Ich schob mir eine Handvoll wild umherfliegender Haare aus dem Gesicht, als der Himmel plötzlich sämtliche Schleusen öffnete. Es regnete, stürmte, donnerte wie noch was. Blitze zuckten über den dunkelgrauen Himmel, aber ich blieb dennoch mitten auf dem Campus stehen. Das Unwetter gefiel mir, harmonierte gut mit dem Chaos, das in meinem Inneren herrschte.

,,Kuschligen Ort hast du dir ausgesucht."

Bei den Göttern, ich kannte sie, diese Stimme. Vor ein paar Tagen hatte ich sie das erste Mal gehört und ich war dieses mal kaum weniger verstört. Ich wirbelte herum und dann sah ich ihn vor mir- Hades. In schwarzer Lederhose, Lederjacke und Lederstiefeln. Für sein Outfit hatten einige Tiere ihr Leben lassen müssen. Obwohl er mitten in Sturm und Regen stand, hing sein rabenschwarzes Haar trocken und gerade herab, als würde ihn eine unsichtbare Hülle vor Regen und Wind schützen. Ich ballte die Hände zu Fäusten. ,,Hältst du es für eine gute Idee, hier aufzukreuzen, nachdem du mir verschwiegen hast, dass ich ein verdammter Gott bin?"

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt