Kapitel 6.2

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~Seth

Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Cat lag neben mir auf dem Bett und fragte mich über die vergangenen zwei Jahre aus. Ich erzählte ihr davon, wie Estelle mich nach North Corolina geschickt hatte, um Cleo dort aufzusammeln und wie sie mich dazu verdonnert hatte, ihr Training zu übernehmen. Ich erzählte ihr von Cleos Begabung, wie die Vasanisten hinter uns her gewesen waren und schlussendlich von der Existenz der Rebellion und Zeus' durchgeknalltem Sohn. Das war schließlich der Punkt, an dem meine Erzählung zögerlicher wurde. Cat drehte den Kopf in meine Richtung. ,,Deine Göttlichkeit hat etwas mit diesem Leandros zu tun, oder?"

,,Ja." Ich vermied es, sie anzusehen und starrte konzentriert das Kissen neben Cat an. Scharlachrotes Haar ergoss sich wie Blut über den schwarzen Kissenbezug und glänzte in dem schwachen Licht, das durch das Fenster fiel. Ihre Haare hatten sich einfach ein extra Kissen genehmigt.

Als ich sie schließlich doch wieder ansah, bedachte sie mich mit einem wissenden Blick. ,,Du hast noch niemandem davon erzählt."

,,Ja."

,,Und du hast auch nicht vor, es zu tun?"

,,Nö."

Behutsam griff sie nach meiner Hand. ,,Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst, oder?"

Verdammt, das wusste ich. Aber von dem Kampf mit Leandros zu erzählen, hieß Schwäche einzugestehen. Und das war mir schon immer schwer gefallen. Wer wusste schon, ob meine Göttlichkeit jemals zum Vorschein gekommen wäre, wenn Leandros mich nicht fast getötet hätte? Meine Hand verkrampfte sich, was Cat dazu veranlasste, beruhigend mit dem Daumen über meinen Handrücken zu streichen. ,,Leandros ist der Sohn des mächtigsten Gottes überhaupt. Ich hätte keine Chance gegen ihn gehabt. Genetisch gesehen wäre ein Sieg schlicht nicht möglich gewesen."

Ich vermied es, Cat anzusehen und blickte stattdessen aus dem Fenster, wo bereits der Mond am Himmel zu sehen war.
,,Du bist trotzdem gegangen", sagte sie.

Ich hob die Schultern. ,,Es war mir egal. Ich habe keine Angst zu sterben. Ich habe getan, was von mir erwartet wurde und was ich für richtig hielt."  Ich schüttelte die verspannten Schultern aus. ,,Leandros hat die Macht Zeus'. Elektrizität. Blitz. Seine Energie war nicht mit der normaler Halbgötter vergleichbar. Ich habe mein Bestes gegeben. Ich habe alles gegeben, aber es hat nicht gereicht. Er hat mich durch die Gegend geworfen, als wäre ich ein Stofftier. Er hat meine Muskeln mit seiner Elektrizität gebrutzelt, bis ich mich nicht mehr bewegen konnte, dann hat er mich an den Haaren wieder hoch gezerrt. Er hätte in diesem Moment alles mit mir machen können." Cat legte einen Arm um mich und zog mich näher an sie heran. Sie legte den Kopf gegen meine Schulter und schwieg. ,,Anscheinend war ich doch noch nicht bereit zu sterben. Ich war wütend. Ich hatte einen derartigen Hass auf Leandros und auf mich selbst, dass ich irgendetwas in mir freigelassen habe- und plötzlich war da diese krasse Macht." Das Detail, dass sie dunkel und verseucht gewesen war, ließ ich weg. ,,Mein Feuer war heißer. Schwarz und rot. Leandros hatte keine Chance mehr. Es ist nichts von ihm übrig geblieben." Ich fuhr mir mit einer Hand über den Kopf und schloss die Augen. ,,So bin ich ein Gott geworden. Durch meine Wut. Meinen Hass."

Cat schwieg eine ganze Weile. Ich spürte ihren warmen Atem an meinem Hals und versuchte der Tatsache, dass sie mir so unglaublich nahe war, keine Beachtung zu schenken. Sie hatte noch immer diese Wirkung auf mich. Verdammt.

,,Du hast hast das Richtige getan", antwortete Cat schließlich. ,,Diese Kräfte haben wahrscheinlich schon immer in dir geschlummert und deine Emotionen haben sie schließlich freigesetzt. Im richtigen Moment." Sie lächelte zaghaft. ,,Ich bin jedenfalls froh, dass deine Göttlichkeit dich aus welchem Grund auch immer rechtzeitig heimgesucht hat und sich dein Kopf nicht in einer Vitrine in Leandros' Zimmer befindet."

,,Ich auch", murmelte ich. Mein Leben war nicht gerade leichter geworden, seit ich ein verdammter Gott war, aber ich würde dennoch nichts ändern, wenn ich die Chance dazu hätte. Rückblickend hing ich irgendwie doch an meinem Leben. Und sei es nur, weil ich die ständige Anwesenheit meines Vaters in der Unterwelt nicht ertragen wollte.

,,Ich finde es immer noch seltsam, dass du jetzt ein Gott bist", gab Cat zu.

,,Nicht nur du", murmelte ich.

,,In meiner Vorstellung bist du doch noch immer der Halbgott, der in der rebellischen Trotz-Phase der Pubertät hängen geblieben ist und nichts Besseres zu tun hat, als sich nachts durch die Mädchenwohnheime zu schlafen", sagte sie wehmütig. Leise lachend drehte ich den Kopf in ihre Richtung. ,,Das hast du also von mir gedacht?"

,,Das hat jeder von dir gedacht." Grinsend richtete sie sich auf und beugte sich über mich. ,,Hältst du dich immer noch so gerne in Zimmern auf, die dir nicht gehören?"

Schon wieder war sie mir zu nahe. Viel zu nah. Ich versuchte ihre Präsenz zu ignorieren und holte tief Luft. ,,Keine Zeit mehr für sowas", brummte ich.

Cat erwiderte nichts mehr darauf und sah mir stattdessen in die Augen. Dunkelgrüne Augen, umrahmt von langen pechschwarzen Wimpern. Sie war mir zu nah. Was ich für sie empfunden hatte, war nie verschwunden. Das wurde mir klar, als ich langsam, wie ferngesteuert, die Hand hob und in ihren Nacken legte. Sie war nicht nahe genug. Ich erwartete, dass Cat sich zurückzog, beinahe hoffte ich, dass sie es tat. Aber sie zog sich nicht zurück, im Gegenteil. Sie senkte den Kopf, bis sich unsere Lippen berührten. Eine Welle von Empfindungen rauschte durch meinen Körper. Der ganze Schmerz, die Sehnsucht nach ihr, die Schuldgefühle- und schließlich dieses unglaublich berauschende Gefühl, dass sie wieder hier war. Und mit einem Mal war es mir egal, ob das hier vernünftig war oder nicht. Ich wollte das- ich wollte sie und das schon so verdammt lange. Ich verlor das letzte kleine Bisschen Selbstbeherrschung, das ich besaß und versank vollkommen in diesem Kuss. Wir rollten uns zur Seite, Cat schob die Hände in mein Haar und zog mich sofort wieder näher an sich heran. Meine Finger griffen nach ihrem Top. Ich zog es ihr über den Kopf, und warf es zur Seite. In diesem Moment meldete sich eine leise Stimme in meinem Hinterkopf. Sie will dich nicht. Sie wollte dich nie.

Ich hielt inne. ,,Sag mir, dass ich aufhören soll."

Cat sah mich an. Ihre Finger spielten mit meinen Haaren und sie... sie sagte nichts.

Sie schwieg.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt