Kapitel 12

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~Cleo

Die Tage nach dem Rebellenangriff verstrichen ereignislos. Vor dem Internat zeigten sich keine Rebellen und auch die normalen Vasanistenangriffe hielten sich in Grenzen. Es war still- beunruhigend still.

Der Alltag war wieder eingekehrt, die Leute versuchten irgendwie weiter zu machen. Aber die Stimmung war angespannt. Die Rebellion hatte einen Gott- und es wäre ein leichtes für sie, erneut anzugreifen.

Dass sie das tun würden, war sicher. Die Frage war nur wann.

Als ich nach dem Unterricht über den Campus zu meinem Wohnheim ging, schien die Sonne. Die Luft war heute erstaunlich mild und ich genoss die angenehmen Sonnenstrahlen, die auf mich herab schienen. Gedankenverloren starrte ich auf den Weg vor mir, als ich plötzlich eine kribbelnde Spannung auf der Haut spürte. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken, warme Energie erfüllte die Luft. Göttliche Macht. Mein Puls erhöhte sein Tempo. Seth?

,,Hallo Hexe."

Diese Stimme, dieser Spitzname... Gänsehaut breitete sich an meinen Armen aus, mein Herz schlug schneller. 
Ich hatte ihn vermisst. Was er auch getan hatte, dieser kleine blonde Mistkerl fehlte mir. Dennoch war er gefährlich. Er könnte mich mit einem Fingerschnipsen zu Staub zerfallen lassen. Ich drehte mich um und riss automatisch die Arme zur Abwehrhaltung hoch. Dann erst wagte ich es, langsam aufzusehen. Er stand vor mir. Ganz lässig, die Hände in die Hosentaschen geschoben, stand er vor mir. In schwarzer Jeans, Bandshirt und Stiefeln. Keine Rüstung. Keine dunklen Flammen.

Mein Herz krampfte sich zusammen. Wie er da so stand, kam es mir vor, als wäre er nie weg gewesen. Dann aber fiel mein Blick auf das rote Tattoo, das sich in leuchtenden Linien über seinen Hals erstreckte. Seth war ein Rebell. Ein Vasanist. Nicht mehr der, den ich gekannt hatte.

,,Hach." Seth musterte mich und sah dabei beinahe stolz aus. ,,Diese Reaktionszeit habe ich dir beigebracht."

Ich schluckte und ballte die Hände zu Fäusten. ,,Das Töten auch", erwiderte ich weitaus souveräner, als ich mich fühlte.

Seth verzog die Lippen zu einem aufgesetzten Lächeln. ,,Richtig. Händchen haltend. Das waren noch Zeiten."

Er näherte sich mir und drückte behutsam meine zu Fäusten geballten Hände nach unten. Ich war so perplex, dass ich es einfach geschehen ließ. ,,Bist du echt?", platzten meine letzten zwei Hirnzellen heraus.

,,So echt, dass meine bereichernde Wenigkeit nicht mitten auf dem Weg herumstehen sollte." Er legte mir eine Hand auf die Schulter und zog mich hinter einen der mächtigen Büsche, die am Wegrand standen. Ich war noch immer vollkommen verwirrt. Wollte er mich töten? Würde er sich Mühe geben, es heimlich zu tun, wenn er das wirklich wollte? Warum war er hier?

Er räusperte sich und sah mich aus schmerzhaft vertrauten violetten Augen durchdringend an. ,,Ich will mit dir reden, Cleo."

,,Tatsächlich?", brachten die letzten zwei Hirnzellen heraus, ,,Du hast mich nicht ins Gebüsch gezerrt, weil du eine Fortsetzung von 'Cleo küsst wie eine Nacktschnecke' möchtest?" Kaum hatten diese Worte meinen Mund verlassen, wollte ich mich schon Ohrfeigen. Das ist nicht der Seth, den du kennst. Ich sollte verdammt nochmal aufhören, dumme Witze zu machen, als hätte Seth vor ein paar Tagen keine Wachen in Asche verwandelt.

Seth grinste schwach. ,,Nein, mein Ego erholt sich immer noch vom letzten Mal."

Das war Seth. Seth mit einem roten Tattoo am Hals, das nicht dorthin gehörte, aber es war... Seth. Ich holte tief Luft. ,,Seth... Warum? Warum tust du das alles? Du hast Menschen getötet, verdammt."

Mein Blick glitt über ihn und mir fiel auf, dass er irgendwie... zufrieden wirkte. Lange Zeit hatten dunkle Schatten seine engelhaften Gesichtszüge verunstaltet, er war permanent angespannt gewesen, als würde er gegen etwas ankämpfen. Jetzt aber wirkte er, als wäre er mit sich selbst im Reinen. Als wäre er wirklich er selbst.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt