Kapitel 15.4

143 15 24
                                    

~Cleo

Als Dawson eine leichenblasse Esme aus dem Zimmer getragen hatte, war ich mir fast sicher gewesen, dass Esme im Begriff war, das Kind zu verlieren. Ich kannte mich mit Schwangerschaften nicht sonderlich gut aus, aber heftige Schmerzen im sechsten Monat konnten nichts Gutes heißen.

Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zubekommen. Ständig hatte ich auf mein Handy gestarrt, aber mich hatte keine Nachricht von Dawson erreicht. Erst irgendwann in den Morgenstunden kam die Nachricht, auf die ich so lange gewartet hatte- ein Bild. Von einem Baby.

Ich hatte wenig bis keine Ahnung von Schwangerschaften, aber dass im sechsten Monat ein gesundes Kind zur Welt kam, kam selbst mir seltsam vor. Es musste etwas mit Seths Göttlichkeit zu tun haben.

Entgegen aller Befürchtungen sah das Kind nicht aus wie ein mutierter Gollum, wie ich in diesem Moment feststellte. Es sah aus wie ein normales Baby, vermutlich etwas älter, als es eigentlich aussehen sollte. Strahlend blaue Augen starrten mich verstört an und um den kleinen Kopf kringelten sich niedliche blonde Löckchen. ,,Das ist ja putzig", bemerkte ich und starrte das kleine Wesen hingerissen an. ,,Glückwunsch, ehrlich."

Esmes Lächeln vertiefte sich, während Dawson die Hand ausstreckte und das Baby an der Hand anstupste. Es fing an zu weinen. Esme lachte, während Dawson beleidigt die Hand zurückzog. Ich legte den improvisierten Blumenstrauß, den ich aus Blumen vom Campus zusammengeklaut hatte, auf den Tisch neben dem Bett und seufzte. ,,Himmel, ich bin so froh, dass es dir... euch gut geht. Ich dachte echt..." Ich brach ab und schüttelte den Kopf.

Esme nickte langsam. ,,Ich auch. Die Ärzte sagen, es liegt wohl daran, dass sein Vater... ein Gott ist." Eine andere Erklärung gab es dafür nicht, ich war mir sicher, dass ein Kind unter normalen Umständen nach sechs Monaten nicht so groß wäre. Und nicht so... lebendig.

,,Hab ihr eigentlich schon einen Namen?", erkundigte ich mich. Als Esme gerade zu einer Antwort ansetzen wollte, wurde mir plötzlich warm. Knisternde Energie fuhr mir über die Haut und jagte mir einen warmen Schauer über den Rücken. Mein Puls erhöhte sein Tempo, als ich automatisch die Hände zu Fäusten ballte und mich umdrehte.

,,Peace, Leute."

Während mein Hirn noch verarbeitete, war Dawson bereits aufgesprungen und stürzte sich auf die große blonde Gestalt. Diese wiederum wehrte den Angriff ab, packte Dawson und drückte ihn gegen die Wand.

,,Ich will euch nichts tun, okay?" Seth ließ Dawson los, der nicht erneut auf ihn losging, sondern ihn wie erstarrt ansah. Ebenso wie ich. Seth war hier. Einfach so in dieses Zimmer gebeamt, als gehöre er dazu, als wäre er nie gegangen. ,,Hört zu. Wenn ich Leuten an diesem Internat schaden wollte, würde ich bestimmt nicht bei euch anfangen und das wisst ihr." Sein Blick wanderte zu Dawson. ,,Naja, bei dir vielleicht schon, aber du genießt im Augenblick die Immunität der Mädels."

Noch immer perplex sah ich dabei zu, wie er einen Schritt auf das Bett zuging. Dawson ließ ihn gewähren. Oder er war noch zu verwirrt, um irgendetwas dagegen zu tun. Keine Ahnung. Als Seth vor Esme stehen blieb, sah ich, wie sich seine Muskeln anspannten. ,,Hey."

Esme war blass geworden, gleichzeitig zeigte sich kaum Misstrauen in ihren Gesichtszügen. Sie vertraute ihm und das war vermutlich auch der Grund, weshalb Dawson sich zwar mit zu Fäusten geballten Händen neben das Bett stellte, jedoch nicht eingriff. Esme warf ihm einen langen Blick zu. ,,Hi."

Als er das Kind sah, schien eine Welle von Emotionen über sein Gesicht zu huschen. Seine Augen weiteten sich. Er blinzelte. Seine Hände krampften sich zusammen, öffneten sich wieder, krampften sich erneut zusammen. Er verengte die Augen, nur um sie daraufhin wieder aufzureißen. ,,Glückwunsch. Ich glaube, ihr habt das Christkind gezeugt."

Esme neigte den Kopf zur Seite. ,,Du leugnest es immer noch?"

Dawson räusperte sich. ,,Also, die goldenen Löckchen hat es bestimmt nicht von mir."

Zugegeben, es konnte niemand leugnen, dass dieses Kind von Seth war. Es sah ihm... irgendwie ähnlich. Das musste selbst er begreifen. Seth starrte das Kind an, es starrte aus großen blauen Kulleraugen zurück. Einen Moment herrschte Schweigen im Raum, nur das Ticken der Uhr war zu hören. Seth runzelte die Stirn. ,,Aber es hat eindeutig Hasis Augenbrauen."

Ich musste grinsen. Die Situation war unglaublich surreal - Seth war in diesem Raum. Und bisher war noch niemand gestorben. Dawson wirkte zwar bis auf's äußerste angespannt, aber er gestand Seth und Esme diese Zeit zu und das obwohl wir kürzlich noch geplant hatten, wie wir ihn am besten ausschalteten. Aber die Politik spielte keine Rolle, wenigstens in diesem Moment.

,,Wie heißt das kleine Viech eigentlich?", erkundigte sich Seth beiläufig.

,,Luke", antwortete Esme.

Im Ernst? Ungläubig sah ich sie an, aber ihr Blick ruhte auf Seth, während er ihn erwiderte. Irgendetwas schien dieser Name für beide zu bedeuten, denn von Seth kam keine Star Wars Anspielung, was unter anderen Umständen sicherlich passiert wäre.

Esme holte tief Luft. ,,Seth..."

Er schüttelte den Kopf. ,,Nein."

Sie runzelte die Stirn. ,,Du weißt doch gar nicht, was ich sagen wollte...?"

,,Ich bin nur wegen dir und Lucky Luke hier, okay?" Er schüttelte seine angespannten Schultern aus. ,,Ich bin gleich wieder weg, also was auch immer du sonst sagen wolltest- lass es einfach."

Genau das schien sie auch zu tun. Sie schluckte die Worte herunter und sah ihn nur traurig an. Er trat einen Schritt näher, beugte sich nach vorne und küsste sie auf die Wange. ,,Passt auf euch auf."

Wäre die Situation eine andere, fände ich das richtig niedlich. Vielleicht fand ich es auch in dieser Situation niedlich. Niedlich und unglaublich falsch.

Seth richtete sich auf, entfernte sich vom Bett und klopfte mir im Vorbeigehen auf die Schulter. ,,Hübsche Kette." Dann war er verschwunden und ließ uns reichlich irritiert zurück.

,,Was war das denn?", fragte Dawson in die Stille hinein.

,,Ich glaube, er wollte euch zu dem Kind beglückwünschen. Auf Seth-Art", murmelte ich.

Esme starrte noch immer an die Wand und strich klein-Luke gedankenverloren über den Kopf. Dawson kratzte sich nachdenklich am Kinn. ,,Okay, eine Sache wissen wir jetzt. Seth ist hier gewesen, weil er von dem Kind wusste. Wir haben an diesem Internat definitiv Spione."

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt