Kapitel 6.3

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~Seth

Es war nicht das erste Mal, dass ich neben Cat wach wurde. Es war nicht so, als hätten wir nie miteinander rumgemacht -das hatten wir durchaus und es war in den meisten Fällen auf meinem Mist gewachsen- aber wir hatten eine gewisse Grenze nie überschritten. Cat hatte es nicht gewollt. Das war diese Nacht anders gewesen.

Ich richtete mich auf und blickte auf sie herab. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Atemzüge tief und gleichmäßig. Sie atmete. Sie lebte. Bei den Göttern, ich konnte es immer noch nicht fassen. Einen Moment starrte ich sie weiter an wie ein psychotischer Stalker, dann riss ich mich schließlich los, um ins Bad zu gehen und zu duschen. Eiskalt. Um irgendwie den dämlichen rosa Nebel aus meinem Hirn zu vertreiben. Ich zog mir ein T-Shirt über und blickte in den Spiegel. Unter meinen Augen zeichneten sich die mittlerweile üblichen Schatten ab. Dafür glänzten meine Augen, als wäre ich auf irgendeiner Droge. Großartig. Ich verpasste mir eine Ohrfeige und verließ das Bad.

Cat war bereits wach. Sie blickte zu mir auf und gähnte ausgiebig. ,,Gut zu wissen, dass du morgens immer noch ungefähr drei Stunden das Bad blockierst."

Ich ging zu meiner Kaffeemaschine und stellte eine Tasse darunter. ,,Ich wünsche dir auch einen wunderschönen Guten Morgen."

,,Jetzt wo ich endlich duschen gehen kann, weil ein gewisser Gott nicht mehr das Bad blockiert, wird mein Morgen sicherlich wunderschön sein", gab sie zurück.

Ich drückte auf den Knopf und sah dabei zu, wie Kaffee in die Tasse lief. Viel zu langsam. Mein innerer Koffeinjunkie benötigte unbedingt den nächsten Kick. ,,Ein Wort und ich drehe dir das warme Wasser ab", brummte ich

Cat stellte sich neben mich und wuschelte mir durch die Haare. ,,Damit kannst du mich nicht schocken", erwiderte sie. ,,In der Unterwelt hatten sie dauernd Probleme mit dem warmen Wasser."

Nicht mal die Warmwasserversorgung brachte mein Vater zustande. Traurig. Während Cat im Bad verschwand, widmete ich meine Aufmerksamkeit meiner gefüllten Kaffeetasse. Ich nahm einen Schluck und ließ mich damit schließlich auf die Couch fallen. Bei den Göttern. Cat war wieder hier und wir hatten nichts besseres zu tun gehabt, als wie notgeile Kühe auf Hormonspritze übereinander herzufallen? Bei mir war das nicht weiter verwunderlich, aber Cat? Es wunderte mich nach wie vor, dass sie gestern nicht auf die Bremse getreten war. Ich hatte bekommen, was ich wollte. Aber irgendwie... irgendwie hatte dieses plötzliche Glück einen bitteren Beigeschmack, denn ich wusste, dass Cats Gefühle sich nicht plötzlich geändert haben konnten. Genauso wenig wie meine.

In diesem Moment flog die Tür zum Badezimmer auf und Cat kam heraus. Sie hatte eines meiner T-Shirts geklaut und sich ein grünes Handtuch um den Kopf gewickelt. Keine Ahnung, woher sie das hatte. Ich war immer davon ausgegangen, dass meine Handtücher allesamt pechschwarz waren.

,,Schickes Handtuch", bemerkte ich.

,,Klappe." Sie ging an mir vorbei zur Kaffeemaschine und ließ sich ebenfalls einen Kaffee heraus. Mit dem Kaffee ließ sie sich neben mir auf die Couch fallen und seufzte. ,,Es ist so seltsam, wieder hier zu sein. So viele Leute, mit denen ich reden will... Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll."

,,Aus genau diesem Grund habe ich keine sozialen Kontakte", warf ich ein.

Cat sah mich von der Seite an. ,,Sollen wir rausgehen?", fragte sie. ,,Ich könnte etwas frische Luft gebrauchen."

,,Klar. Mit Handtuch?"

Cat nahm den stylischen Turban von ihrem Kopf und warf das Handtuch nach mir. Manche Dinge würden sich wohl niemals ändern.

Kurz darauf liefen wir nebeneinander über den Campus. Die Temperaturen konnten sich nicht allzu weit jenseits der Null-Grad-Grenze befinden, aber weder Cat, noch ich hatten es für nötig befunden, eine Jacke überziehen. Cat für ihren Teil trug noch immer Shorts und mein T-Shirt, was für ihre Verhältnisse schon an Winterkleidung grenzte. Sie trug nur äußerst selten ganze T-Shirts.
Eine ganze Weile liefen wir nur schweigend nebeneinander her. Die wenigen Schüler, die sich auf dem Campus aufhielten, starrten uns ungläubig an. Verständlicherweise. Irgendwann brach Cat schließlich das Schweigen. Sie blieb stehen und sah zu mir auf. ,,Ich fürchte, wir müssen reden. Über gestern Nacht."

Das fürchtete ich allerdings auch. Ich ließ meine Fingerknochen knacken und nickte langsam.

,,Versteh mich nicht falsch, Seth. Du bist einer der wichtigsten Menschen in meinen Leben und ich hab dich lieb. Aber ich liebe dich nicht auf diese Weise", sagte sie schließlich. Wie ein ferngesteuerter Roboter nickte ich erneut. Das hatte ich mit bereits gedacht. Und es war in Ordnung. Solange sie einfach nur hier war, war es schon irgendwie in Ordnung. Der rosa Nebel in meinem Hirn verzog sich wieder in die Ecke, aus der er gekrochen war. Ich hob die Hand und spielte nervös an dem Anhänger meiner Kette herum. ,,Ich weiß."

,,Und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass eine Beziehung das ist, was du willst. Beziehungen sind nicht so dein Ding, oder?"

Da hatte sie allerdings recht. Romantische Sonnenuntergänge, Händchen halten, Karten am Valentinstag- das war ich nicht. Mich an jemanden zu binden, würde mir schon schwer genug fallen. Und Cat verdiente Besseres. Sie verdiente jemanden, der ihr das Händchenhalten und die kitschige Abendessen im Sonnenuntergang gab, sie brauchte jemanden, für den sie den Mittelpunkt des Lebens darstellte. Das konnte ich ihr nicht geben.  ,,Nein", antwortete ich schließlich und senkte den Blick. ,,Eher nicht."   Es kam mir vor, als hätte ich all das schon mal erlebt. Ein Gespräch dieser Art hatten wir bereits geführt. Vielleicht tat es deshalb weniger weh, als ich erwartet hatte.

Cat lächelte. ,,Ich glaube ohnehin, dass ein Zombie und ein Gott nicht unbedingt die beste Konstellation sind."

,,Klingt wie der Anfang von einem schlechten Witz", murmelte ich.

Cat sah mir in die Augen. ,,Du bist mein bester Freund und ich hab dich lieb, egal ob du nun ein Mensch, ein Halbgott oder ein Gott bist. Und daran wird sich niemals etwas ändern."

Ein wunderbar verpackter Korb. So lieb und freundlich, dass ich nur einen kurzen Schmerz verspürte. Wie beim Abreißen eines Pflasters. ,,Das kann ich zurück geben." Und da ich ein Talent dafür besaß, rührende Momente zu zerstören, fügte ich hinzu: ,,Außer du wirst Klimawandelleugnerin oder homophob. Dann nicht mehr."

Was Cat darauf erwidern wollte, bekam ich nicht mehr zu hören, da sie in diesem Moment in eine Umarmung gezogen wurde. Eine Umarmung von einem gewissen Emo mit ausgeprägter Vorliebe für Stachelhalsbänder und schwarzen Kajal.  ,,Ich kann nicht glauben, dass du wirklich wieder hier bist", schniefte Matt und quetschte Cat die Luft ab. Cat hob ebenfalls die Arme und umarmte Matt. ,,Hi Matt", erwiderte sie leicht überfordert. Matt löste sich schließlich von ihr und blickte verlegen auf den Boden. ,,Tschuldigung. Wollte dich nicht so überfallen."

,,Ach Quatsch. Komm her." Lächelnd zog sie ihn in eine weitere Umarmung. Ich stand daneben und überlegte einen Moment, ob ich ebenfalls die Arme um die beiden legen sollte, entschied mich aber aufgrund ausgeprägter Abneigung gegen Umarmungen dagegen. Während Matt und Cat miteinander sprachen, starrte ich abwesend eine Schnecke an, die langsam über den Weg kroch. Cat war wieder da. Und trotzdem würde sie niemals zu mir gehören. Ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Verdammte Hormone. Verdammte Gefühle. Wäre ich im Augenblick alleine, würde ich gerne irgendwas in die Luft sprengen, so aber stand ich nur schweigend da und starrte Löcher in die Luft.
Ich könnte viele Leute haben. Ich hatte Fangirls und Fanboys ohne Ende, aber Cat würde nicht zu mir gehören. Die Erkenntnis traf mich ins Mark.

Niemals.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt