Kapitel 13.2

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~Seth

My only aim is to take many lives
the more the better I feel

Meine Faust krachte in den Dummy, während ich den Bass der Musik auf der Haut spürte. Das war das Beste an diesem Trainingsraum- die riesige Musikanlage.  Ich missbrauchte sie gerne, um mein Handy daran anzuschließen. Wie jetzt gerade. Ich attackierte den Dummy mit schnellen Faustschlägen, während mein Puls hämmerte und das Feuer in mir brodelte. Du wirst Vater, Seth. Ich schlug fester zu. Waren sie wirklich so verzweifelt, dass sie es damit versuchten? Wie schräg war das bitte? Vater. Ich trat so fest nach der Figur, dass ich zurück springen musste, damit mich der Rückschwung nicht umwarf.

My only pleasure is to hear many cries
From those tortured by my steel

Vage nahm ich den Schmerz in meinen Fingerknöcheln wahr, aber ich attackierte den Dummy weiter. Ich wusste nicht einmal, was ich schlimmer fand. Cat schwanger von Dawson oder... von mir. Ich hielt kurz inne, um mein Stirnband zu richten, dann schlug ich weiter. Eindeutig letzteres. Bei den Göttern, Cat konnte doch nicht wirklich von mir schwanger sein? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet in dieser Nacht...? Falls das alles nur ein Trick sein sollte, hatten sie auf jeden Fall bewirkt, dass ich aufgewühlt war. Sowas von. Meine Faustschläge passten sich allmählich dem kaum existenten Rhythmus des Songs an. ,,Fuck!", fauchte ich die Figur an. Mein Leben... mein Leben war so viel leichter gewesen, bevor ich Cat wiedergesehen hatte. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken. Cat. Es war ein Fehler gewesen, mich auf dieses Treffen einzulassen. Als gehörte ich noch immer irgendwie zu ihnen.
Ein Schatten fiel auf mich herab. Ich hielt inne und sah auf. Kain stand mit vor der Brust verschränkten Armen neben dem Dummy und nickte mit dem Kopf im Takt der Musik.  ,,Pleasure to kill", bemerkte er.  ,,So schlimm?"

,,Schlimmer", schnaubte ich und strich mir mit der Hand den Schweiß von der Stirn.

,,Willst du reden?", fragte er. Normalerweise färbte Kains ruhige Art ein wenig auf mich ab, jetzt gerade aber loderte noch immer das Feuer in mir.

,,Ich will jemanden umbringen", ließ ich ihn wissen.

Kain hob ergeben die Hände.  ,,Okay, coole Sache. Schon mal mit Baldrian-Beruhigungstee versucht?"

Ich holte tief Luft und ließ angespannt meine Fingerknochen knacken.  ,,Angeblich werde ich Vater. Vom Kind meiner sozusagen ersten und einzigen großen Liebe. Oder sowas."

Kains Augen weiteten sich und es dauerte eine Weile, bis er darauf antwortete.  ,,Ich habe das Gefühl, das Ganze ist nicht halb so bilderbuchmäßig, wie es klingt."

Ich schüttelte den Kopf.  ,,Sie ist auf... der anderen Seite. Und ich glaube, dass sie mich anlügt. Sie ist mit Poseidons Sohn zusammen- der mich wiederum natürlich tot sehen will."
Es wunderte mich, dass ich Kain davon erzählte. Normalerweise sprach ich nicht über so etwas und vor allem nicht über Cat, aber irgendwie... irgendwie war Kain einfach ein verdammt guter Zuhörer.

Kain neigte den Kopf zur Seite.  ,,Hat sie dich schon mal angelogen?"

Ich zog mir das dämliche Stirnband vom Kopf und vergrub die Hände in meinen Haaren.  ,,Noch nie. Aber wir sind im Krieg und ich kann niemandem von dort vertrauen. Auch ihr nicht." Etwas in meinem Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Ich hätte nicht gedacht, dass es dazu mal kommen würde- dass ich Cat nicht vertrauen konnte.

Kain zeichnete mit den Fingern die Umrisse der Figur nach.  ,,Dir wäre es lieber, wenn sie tatsächlich lügen würde, oder?"

Ich ließ die Hände sinken und seufzte.  ,,Scheiße, ja. Oder sehe ich vielleicht aus wie ein Vater?"

Er musterte mich konzentriert.  ,,Eher wie so ein Darth Vader - Vater. Aber hey, geht alles."

Ich seufzte ein weiteres Mal.  ,,Das wollte ich jetzt nicht hören."

Allerdings sah Esme auch nicht unbedingt aus wie eine Mutter. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen und schüttelte den Kopf.  ,,Götter. Ich will die Wahrheit überhaupt nicht wissen", stöhnte ich.

Als ich die Hände sinken ließ, sah ich, dass Kain grinste.  ,,Himmel, Seth, über dein Leben könnte man auch 'ne Daily Soap drehen."

Das schlimmste an dieser Aussage war, dass er Recht hatte.  Ich kniff die Augen zusammen.   ,,Ganz dünnes Eis, Kain. Ich mochte dich mal."

Er schüttelte die Schultern aus und schenkte mir ein schiefes Lächeln.  ,,Pass bloß auf, dass Ray das nicht erfährt. Sonst will er unbedingt Patenonkel werden."

,,Kain!"

Er lachte und hob ergeben die Hände. ,,Ich hör ja schon auf."

Vater. Dieses Wort jagte mir einen Schauer über den Rücken. Es war ganz einfach so, dass Dawson der Vater war. Dieses verdammte Kind war von Dawson. Konnte ja eh niemand nachweisen. Als Kain mich an der Schulter antippte, zuckte ich zusammen. ,,Als Psychotherapeut deines Vertrauens, rate ich dir, dass wir uns jetzt kloppen." Er löste ein Haargummi von seinem Handgelenk und zwängte seine üppige Mähne damit in einen Dutt, der fast so groß war wie sein Kopf.  ,,Ich wäre dann soweit."

,,Klingt gut." Auf dem Weg zur Matte wechselte ich auf meinem Handy zu einem fröhlichen Song.  Satan is Real, das klang doch super. Als ich Kain gegenüber stand, ließ ich angespannt meine Fingerknochen knacken und starrte auf die Matte.  ,,Ich... Danke für's zuhören."

Er schüttelte den Kopf.  ,,Danke, dass du mir vertraust."

Als er diese Worte aussprach, wurde mir das erste Mal bewusst, dass es so war. Irgendwie vertraute ich ihm - ich vertraute sogar Ray. Wie eine Familie. Sie konnten sich auf mich verlassen und ich... ich konnte das wohl auch. Ein völlig neuer Gedanke. Vielleicht gab es da draußen tatsächlich ein Kind, das meine Gene in sich trug. Aber ich musste nicht alleine damit fertig werden. Ich war hier zuhause. Das erste Mal in meinem Leben war ich an einem Ort, an den ich wirklich gehörte.

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Zitat: Kreator - Pleasure To Kill

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt