Kapitel 17.3

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~Cleo

Ich stand auf dem Campus, mitten in einem riesigen Gemetzel und ich hatte keine Ahnung mehr, wie ich überhaupt hier gelandet war. Meine Hand, in der ich den Dolch hielt, zitterte und mein Sichtfeld schwankte. Panik schnürrte mir die Kehle zu, mein Atem verlief röchelnd und der Sauerstoffmangel ließ schwarze Punkte vor meinem Sichtfeld tanzen. Überall an mir klebte Blut, das meiste davon gehörte mir nicht. Rune, der sein Wort gehalten hatte und von Anfang an an meiner Seite geblieben war, sah ebenfalls aus, als hätte er sich in Blut gewälzt. Es lief über die Klinge seiner Axt und fiel tropfenweise zu Boden.

Ich wich, den Dolch schützend vor mich gehalten, an den Rand des riesigen Gemetzels und schnappte verzweifelt nach Luft. Mein Herz pochte viel zu schnell und verlangte nach immer mehr Sauerstoff, den ich ihm nicht geben konnte. Meine Muskeln schmerzten, oberflächliche Wunden an meinen Armen und im Gesicht brannten. Rune war mir gefolgt, er hielt die Axt, als wollte er jedem den Kopf abschlagen, der sich uns näherte. Vermutlich war auch genau das sein Plan.

Mein hektischer Atem beruhigte sich langsam und ich nahm einen tiefen Atemzug. Rune warf mir einen Blick von der Seite zu. ,,Geht es wieder?"

Ich nickte langsam. Mein Blick schweifte umher. Selbst hinter den Mauern des Internats waren die schwarz-roten Flammen zu erkennen, die sich hoch in die Luft schlängelten, ich meinte selbst die Hitze, die von ihnen ausging, auf der Haut zu spüren. Dort kämpften Seth und Dawson gegeneinander und es kam mir vor, als wäre dieser Kampf noch so viel wichtiger als dieser hier. Ich wollte nicht, dass einer von ihnen starb. Trotz allem.

Ich setzte mich in Bewegung und steuerte auf den Eingang des Internats zu. Ich musste dorthin. Irgendwie... Es war, als würde mich eine unsichtbare Macht dorthin führen, eine Stimme in mir flüsterte, dass ich gebraucht wurde. Es war lächerlich, denn Dawson war ein olympischer Halbgott, Seth war ein Gott- und dennoch war das Bedürfnis, zu ihnen zu gehen so groß, dass ich mich Schritt für Schritt Richtung Eingang bewegte. Rune sagte nichts, er fragte nicht, wohin ich wollte. Er folgte mir nur wie ein Schatten, als ich den toten und kämpfenden Körpern auswich. Ich zuckte zusammen, als plötzlich ein grünhaariger Rebell vor mich sprang und mir den Weg versperrte. In jeder seiner Hände hielt er einen Dolch, das Grinsen, mit dem er mich bedachte, wirkte ein wenig irre. Ich selbst hatte meinen Dolch irgendwann im Laufe des Kampfes verloren. Mein Puls schoss in die Höhe, als ich seinem ersten Angriff auswich und zur Seite taumelte. Ich wappnete mich für den nächsten Angriff, als... mein Gegenüber plötzlich röchelnd zusammenklappte. Rune zerrte die Klinge seiner Axt aus der Brust des Rebells und nickte mir zu. ,,Tu, was du tun musst. Ich halte dir den Rücken frei."

Ich schenkte ihm ein kurzes, dankbares Lächeln und sprang über den toten Körper. Das Adrenalin in meinem Körper verdrängte die Müdigkeit, dennoch merkte ich, dass meine Muskeln schmerzten und langsamer arbeiteten, als sie sollten. Meine Lunge brannte, als ich meinen Weg zum Eingang fortsetzte. Die Luft wurde heißer, ein verbrannter Geruch zog über den Campus. Ich musste dorthin. Ich musste-

Ich schubste einen Rebell zur Seite, der mir im Weg stand. Er schien sich nicht so leicht abspeisen lassen zu wollen, aber bevor er sich mir wieder nähern konnte, hörte ich das schmatzende Geräusch einer Klinge, die sich in einen Körper bohrte. Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus, aber ich zwang mich, weiterzugehen und mich nicht umzudrehen. Ich hatte den Eingang fast erreicht. Den letzten Rebell, der mir noch ein Hindernis hätte sein können, packte Rune am Umhang und zerrte ihn zurück, was mir einen freien Weg bescherte. Ich rannte durch das Tor und ich sah... Feuer. Die Flammen hatten sich wie ein Meer aus schwarz und rot ausgebreitet, die Hitze war so drückend, dass mir augenblicklich Schweiß den Rücken herab lief. Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück und erblickte Dawson, der die düsteren Flammen nur noch mit Mühe von sich fernhalten konnte. Ihn umgab Wasser, das mit der Masse und Geschwindigkeit eines Flusses aus seinen Händen schoss, bei Kontakt zu dem Feuer jedoch sofort verdampfte. Erst als sich das Feuer nach vorn konzentrierte und sich die Flammen nicht mehr in alle Richtungen schlängelten, erblickte ich Seth. Der Umhang seiner Rüstung flatterte im Wind und umgab ihn wie dämonische Flügel, seine Adern traten rotleuchtend durch seine Haut hervor.

Keiner von ihnen bemerkte mich, vermutlich hätte ich mit der Hand vor Seths Gesicht herumfuchteln können und er hätte mich nicht wahrgenommen. Einen Moment vergas ich, weshalb ich überhaupt hierher gekommen war. Stattdessen starrte ich fasziniert und verstört zugleich das Meer aus düsteren Flammen an, die alles, was ihnen in den Weg kam, in einen Hauch von Asche verwandelte. Sah so die Hölle aus?

Ich war mitten in diesen Kampf hineingestolpert und trotzdem war ich mir sicher, dass Dawson im Begriff war, ihn zu verlieren. Die Flammen drangen immer weiter zu ihm vor, ich sah, wie sie das Wasser Millimeter um Millimeter zurückschoben. Seth würde ihn töten. Und das... das konnte ich nicht zulassen. Ich wusste nicht, ob funktionierte, was ich vorhatte. Aber ich musste es versuchen. Mein Blick wanderte über die Flammen, ich versuchte die Ausmaße einzuschätzen. Es war gigantisch. Aber vielleicht reichte es auch, wenn ich direkt bei Seth... Ich streckte die Hände aus und schloss die Augen. Ich hörte das Rauschen des Windes, das Knistern der Flammen. Ich spürte den Wind, die einzelnen Bestandteile der Luft, die sich wie feine Sandkörner auf meiner Haut anfühlten. Dann holte ich tief Luft und konzentrierte mich auf die Teilchen. Ich bewegte die Fingerspitzen, ließ die mittelschweren Teilchen nach oben segeln und konzentrierte die anderen auf die Fläche, die ich vor Augen sah. Ich spürte die Hitze der Flammen unverändert, das reichte nicht. Ich musste die ganze Fläche manipulieren. Ich atmete noch einmal tief durch, konzentrierte mich auf den gesamten Raum, in dem sich die Flammen befanden und zerrte an den Molekülen. Es fühlte sich an, als würde ich eine tonnenschwere Last bewegen, als würde es sich nicht um Moleküle, sondern unzählige Bleikugeln handeln, die ich mit bloßer Muskelkraft bewegen wollte. Ich spannte jeden Muskel in meinem Körper an, Schweiß lief mir den Rücken herab. Schmerzhaft verkrampften sich meine Muskeln, als ich die Moleküle ein Stück bewegte. Und noch ein Stück. Der Schmerz breitete sich wie ein Feuer in meinem Körper aus, meine Muskeln drohten nachzugeben, aber ich zwang mich, weiterzumachen. Keuchend stieß ich den Atem aus, mein Körper fühlte sich an wie eine einzige schmerzende Wunde. Dennoch ließ ich nicht nach. Und plötzlich war die Hitze verschwunden. Schlagartig von einem Moment auf den anderen fuhr mir kühle Luft über die Arme. Ich riss die Augen, aber mein Sichtfeld war verschwommen, ich konnte kaum etwas sehen. Doch ich konnte erkennen, dass das Feuer verschwunden war. Ich ballte die Hände zu Fäusten, steckte jedes bisschen Energie und Entschlossenheit, das ich noch besaß in mein Element, um den Zustand zu halten. Die Schmerzen zerrissen mich, das Element zerrte an mir und ich betete still, dass Dawson verstand, was ich hier gerade tat. Meine Sicht schärfte sich ein wenig und ich konnte sehen, wie Dawsons zu mir sah, ehe er nickte und losstürmte. Die Muskeln an meinen Beinen, die im Augenblick nicht gebraucht wurden, gaben nach und ich sank auf die Knie.

,,Was zum..." Eine röchelnde Stimme. Seths Stimme. Ich hörte das Geräusch von dumpfen Schlägen, jeder einzelne davon schien sich wie Säure in meinen Verstand zu bohren. Ich sah, wie Dawson einen taumelnden Seth am Arm packte, woraufhin leuchtend rotes Blut über dessen Haut lief. ,,Game Over, Seth", zischte er. Ich ließ los. Mein Element schnalzte wie ein Gummiband zurück zu mir, ich rang verzweifelt nach Luft.
Seth riss die Augen auf. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke, die Zeit schien stillzustehen. Dann wurde der Blick aus seinen violetten Augen starr und er kippte nach vorne. Schwärze breitete sich in meinem Sichtfeld aus, als ich sah, wie Seth fiel. ,,Es tut mir leid", flüsterte ich.

Dann wurde es schwarz und es war mein Körper, der auf dem Boden auftraf.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt