Kapitel 17.4

115 13 2
                                    

~Seth

Mein Schädel pochte, meine Haut fühlte sich an, als würde sie von tausenden glühenden Nadeln durchbohrt werden. Ich zwang mich dazu, die bleischweren Augenlider zu heben, die daraufhin direkt wieder zufielen. Angestrengt öffnete ich sie erneut einen Spalt breit und wartete, bis mein Sichtfeld klarer wurde. Ich verstand nicht sofort, wo ich mich befand. Ich starrte auf alte, feuchte Ziegelsteine, die sich vor mir zu einer Mauer auftürmten. Mühsam spannte ich meine schmerzenden Muskeln an und rollte mich zur Seite.
Eiserne Gitterstäbe ragten vor mir in die Höhe. Ich zuckte zusammen. Eine Flut von Bildern schwappte in mein Hirn, wie ich gegen Dawson gekämpft hatte, wie ich dabei gewesen war zu siegen und man mir plötzlich die Luft zum Atmen genommen hatte. Mir... und meinen Flammen.
Ich lag in einer Zelle, weil ich gegen Dawson verloren hatte. Weil mich der Bastard eingefroren und so aus dem Verkehr gezogen hatte. Die Erkenntnis ließ das Feuer in mir auflodern, brachte das Blut in meinen Adern zum kochen und... entfachte einen brennenden Schmerz in meinen Handgelenken. Ich neigte den Kopf und erblickte Metallringe, die meine Handgelenke umschlossen. Ausladende, dicke Metallringe, aus denen eiserne Ketten herausgingen , die wiederum an den Gitterstäben befestigt waren. Eine eisige Kälte fuhr mir über den Rücken, gleichzeitig brannten meine Handgelenke, als würde sich das blutgetränkte Metall langsam durch meine Haut fressen.
Ruckartig richtete ich mich auf. Panisch zerrte ich an den Metallringen, kalter Schweiß rann mir über die Stirn, als die stechenden Schmerzen erneut aufloderten und sich wellenartig über meinen gesamten Körper ausbreiteten. Ich musst hier raus. Irgendwie... Ich ging ein paar Schritte zurück und ließ mich mit voller Wucht gegen die Gitterstäbe fallen. Das Scheppern der Stangen schallte durch das gesamte Gefängnis, aber das Tor in die Freiheit blieb geschlossen. Natürlich. Eigentlich wusste ich nur zu gut, was diese Stangen aushielten. Ohne mein Feuer hatte ich keine Chance. Und trotzdem warf ich mich wieder und wieder gegen die Metallstäbe. Meine Schulter schmerzte und an meinen Armen zeichneten sich bereits die ersten blauen Flecken ab. Die pure Verzweiflung trieb mich dazu, an den Gitterstäben zu rütteln wie ein Psychopath. Ich trat dagegen. ,,Fuck!"

,,Hab ich alles schon versucht. Funktioniert nicht", vernahm ich eine leise, verlegen Stimme.
Als ich aufsah, sah ich in der Zelle gegenüber einen schmalen Kerl mit roten Locken aus den Schatten treten. ,,Sam?", hörte ich mich sagen.

,,Jepp", kam die Antwort von der anderen Seite des Ganges. ,,Ich bin aufgeflogen. Sie hatten mich bewusst mit falschen Informationen zur Ratssitzung gefüttert. Als ich ihnen gesagt habe, was ihr mir aufgetragen habt, haben sie gemerkt, dass ich für euch spioniere. Sie hatten alles von Anfang bis Ende durchgeplant." Als er weitersprach, wurde seine Stimme noch leiser, ich hatte Mühe, ihn zu verstehen. ,,Ich... ich hatte gehofft, dass ihr es trotzdem schafft."

Ich schüttelte nur den Kopf und schwieg. Wir hatten es nicht geschafft. Das war alles meine Schuld- alles meine verdammte Schuld. Ich war an den grundlegenden Dingen gescheitert- ich hatte meine Gegner aus den Augen gelassen. Und ich hatte sie unterschätzt.

Jeder Muskel in meinem Körper spannte sich an, als ich hörte, wie sich Schritte näherten. Als ich schließlich Dawsons schwarz-silbernen Haarschopf erblickte, erwachte das Feuer erneut in mir. Mein Puls raste und ich ballte die Hände zu Fäusten. Ich wollte ihm eine reinhauen, seine jämmerlich Existenz in einen Haufen Asche verwandeln- aber ich hatte meine Chance vertan. Dieser Gedanke machte mich beinahe wahnsinnig.

,,Seth. Du bist wach." Er bedachte mich mit einem kühlen Blick.

,,Was willst du?" Meine Stimme klang rau, meine Hände krampfte sich fester zusammen.

Dawson trat einen Schritt näher, aber es kam mir dennoch vor, als wollte er mir nicht zu nahe kommen. Dabei war ich im Augenblick hilflos wie ein Käfer, der auf dem Rücken lag.  ,,Sehen, ob du schon tot bist, unter anderem."

,,Da muss ich dich leider enttäuschen."  Als ich näher ans Gitter trat, wich Dawson tatsächlich einen Schritt zurück. Unzählige Wunden und blaue Flecken überzogen die Haut in seinem Gesicht. Mein Werk. Ich hätte gerne weiter gemacht.

Dawson musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. ,,Ich wollte nicht, dass es so endet, Seth. Aber ich hatte keine Wahl."

Ich brachte ein verächtliches Lachen zustande. ,,Man hat immer eine Wahl." Ich lehnte mich gegen die Gitterstäbe und starrte ihm in die Augen. ,,Das ist das Besondere an dieser Generation- wir können uns entscheiden. Also hör auf zu heucheln."

Er schüttelte langsam den Kopf. ,,Warum die Rebellion, Seth?"

Ich spürte, wie ich müde wurde. Der andauernde Kontakt zu dem Vasanistenblut zehrte langsam aber sicher an meinen Kräften.
Ich verstand nicht, warum Dawson darüber sprechen wollte. Es spielte keine Rolle - nicht mehr. Dennoch antwortete ich. ,,Weil das alles keinen Sinn macht." Meine Stimme klang, als hätte man meine Stimmbänder mit Schmirgelpapier bearbeitet. ,,Niemand von euch begreift, dass der ganze Kampf gegen die Vasanisten nur eine Taktik der Götter ist, um uns zu beschäftigen. Stell dir vor, was wir alles anstellen könnten, wenn wir unsere Zeit nicht mehr mit diesen sinnlosen Kämpfen verschwenden würden. Die Armen werden von den Reichen ausgebeutet, Menschen bringen sich wegen Machtspielchen von ein paar wenigen gegenseitig um. Menschen hungern, dieser Planet stirbt und wir verstecken uns den lieben langen Tag auf Internaten vor einer Spezies, die sich von unserer kaum unterscheidet?!" Der letzte Satz war beinahe geschrien. Dawson zuckte kaum merklich zusammen, aber ich hatte es dennoch gesehen. Er schwieg. Für einen Moment war es so still, dass ich das Feuer durch meine Adern rauschen hörte. Wie es einen Weg nach draußen suchte und den Schmerz an meinen Handgelenken beinahe unerträglich werden ließ. Mein Körper fühlte sich an, als würde er in Flammen stehen, aber kein Funken schaffte den Weg nach draußen. Nichts.

Dawson räusperte sich. ,,Vielleicht sind deine Ziele nicht verkehrt. Ich bin mir eigentlich sogar ziemlich sicher, dass sie nicht verkehrt sind." Er schüttelte bedauern den Kopf. ,,Aber dafür sind eindeutig zu viele Leute gestorben. Es tut mir leid", wiederholte er.

Darauf erwiderte ich nichts. Was auch? Ich war bereit gewesen, für die Ziele der Rebellion über Leichen zu gehen, ich sah Vasanisten nicht als minderwertige Lebewesen an, deren Tod leichter wog, als der anderer göttlicher Wesen. Es hatte viele Tote gegeben, aber es wäre irgendwann besser geworden.
,,Sonst noch was?", knurrte ich.

,,Ja, tatsächlich." Er neigte den Kopf zur Seite. ,,Warum haben die Rebellen sofort das Feld geräumt, nachdem ich dich aus dem Verkehr gezogen hatte? Warum hat niemand versucht, dir zu helfen oder diesen Kampf trotzdem zu gewinnen?"

Mit neuem Interesse riss ich die Augen auf. Am liebsten hätte ich Dawson am Kragen gepackt und durchgerüttelt, aber ich war mir unsicher, ob mein Arm durch die Gitterstäbe passte. ,,Sie sind gegangen? Alle?", hakte ich nach.

Dawson runzelte die Stirn. ,,Jedenfalls die, die noch gehen konnten- also, warum? Warst ihnen am Ende doch gar nicht so wichtig?"

Wenigstens ein Teil der Anspannung wich von mir. Sie hatten sich an das gehalten, was ich ihnen aufgetragen hatte. Sie waren nicht alle getötet worden. Erleichtert stieß ich die Luft aus, von der mir gar nicht bewusst gewesen war, dass ich sie angehalten hatte.

,,Ihr bezeichnet mich als ihren Anführer, aber ich habe nie Befehle erteilt." Mit den Händen klammerte ich mit an den Metallstäben fest, haltsuchend. Ich war fix und fertig. ,,Nur diesen. Wenn mir irgendetwas zustößt, haben sie sich zurückzuziehen. Das wussten sie."

Dawson nickte nachdenklich.  ,,Gut, Glück für sie. Ich muss dir ja nicht erklären, was jetzt auf dich zukommen wird, oder?"

Meine Hände krampften sich fester um die Gitterstäbe, das Feuer in mir suchte schmerzhaft einem Weg, um nach draußen zu kommen. Mir wurde glühend heiß, die Wut schien mich von innen aufzufressen.

,,Fahr zur Hölle, Dawson!", spie ich ihm entgegen, ehe er sich umdrehte und davonging.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt