Kapitel 13.1

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~Cleo

Die Sonne schien durch die lichten Baumkronen, als ich am Nachmittag des nächsten Tages mit Esme durch den Wald ging. Seth hatte auf ein Treffen eingewilligt, was mich nicht weiter überraschte. Es schien, als würde er Esme nach wie vor vertrauen- und er war ein Gott. So schnell geschah ihm nichts.
Das Treffen sollte an jener Lichtung stattfinden, an der ich ebenfalls einmal mit Seth gewesen war. Er war noch nicht da, als ich das hagere Gras und den kleinen Fluss erblickte, der sich plätschernd durch die Wiese schlängelte. Ein schöner, friedlicher Ort. Dennoch schlug mir das Herz bis zum Hals und ich hatte die Hände zu Fäusten geballt. Es war nicht auszuschließen, dass wir direkt in eine Falle hineingelaufen waren. Wir mussten mit allem rechnen.

Esme schüttelte den Kopf.  ,,Götter, das war eine beschissene Idee."

,,Ja", bestätigte ich.

Ihre Mundwinkel zuckten, während sie auf ihr Handy blickte.  ,,Keine neuen Nachrichten", sagte sie nervös. Wir waren bereits ein wenig spät gewesen, aber von Seth fehlte noch jede Spur. Mein Blick glitt wachsam über die Lichtung, aber ich erblickte nur ein paar Vögel, die aus dem Fluss tranken.
Doch dann, von einer Sekunde auf die andere, stand er plötzlich vor dem Fluss. Die kleineren Vögel suchten das Weite, nur ein Rabe blieb passenderweise sitzen und musterte ihn irritiert. Es war gruselig, dass er einfach so aus dem Nichts erscheinen konnte. Er trug keine Rüstung, einfach nur Jeans und T-Shirt, als wäre er kein gemeingefährlicher Gott, der uns mit einer Handbewegung das Licht ausknipsen konnte.
Er starrte Esme an, sie starrte zurück- ich konnte nicht sagen, wer von ihnen angespannter wirkte. Seth verschränkte die Arme vor der Brust.  ,,Cat. Ist 'ne Weile her."

,,Du bist zu spät", erwiderte sie.  ,,Wie immer."

Er zuckte mit den Schultern.  ,,Verzeihung. Hat' ne Weile gedauert, bis ich sicher war, dass Hasis Fratze mir aus keinem Gebüsch entgegenspringen wird."

Das zeigte deutlich, dass nicht nur wir ihm misstrauten. Er hatte wirklich gedachten, wir würden Dawson anschleppen.

Sein Blick glitt das erste Mal, seit er hier erschienen war zu mir.  ,,Worüber wolltet ihr sprechen?"

Ich trat einen Schritt zu Seite.  ,,Gar nicht beachten, ich bin nur Deko."

Seth runzelte die Stirn.  ,,Worüber wolltest du sprechen?", wandte er sich an Esme.

Sie krampfte die Hände zusammen und legte den Kopf in den Nacken, um ihm in die Augen zu sehen.  ,,Wow, ist das jetzt alles? Wollen wir uns vielleicht noch siezen?"

Er zuckte kaum merklich zusammen. Seine Anspannung mischte sich wie elektrische Energie in die Luft und fuhr mir über die Haut. Esme hatte noch immer diese Wirkung auf ihn. Ich sah es. Ich spürte es.

,,Es ist schön dich... euch mal wieder zu sehen."

Esme holte tief Luft. ,,Okay, bevor wir zu den eigentlichen Themen kommen, hätte ich da noch eine Frage." Sie neigte den Kopf zur Seite.  ,,Bist du wahnsinnig?"

Seth zuckte mit den Schultern. ,,Ja, warum?"

Sie seufzte und schüttelte den Kopf.  ,,Sag mir eines, Seth- war es die Sache wert, alles und jeden zurückzulassen?"

Er blickte nicht zur Seite, stattdessen starrten sie beide sich in die Augen.  ,,Wenn ich die Tatsache außer Acht lasse, dass man mich ohnehin getötet hätte, wenn ich geblieben wäre - Ja. Es ist jedes einzelne Opfer wert gewesen."

Jedes einzelne Opfer wert gewesen. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken.
,,Was ist mit den unschuldigen Menschen, die wegen Hephaistos' Tod gestorben sind? Ist das auch Kollateralschaden?", warf ich ein, die Tatsache ignorierend, dass ich eigentlich nur Deko sein wollte. Aber zur Hölle, das interessierte mich. Bisher hatte ich immer den Eindruck gehabt, dass Seth keinen Unschuldigen schaden wollte, aber vielleicht war das auch ein reines Wunschdenken gewesen.

Seth zuckte nur mit den Schultern.  ,,Hat sich nicht vermeiden lassen."

Hat sich nicht vermeiden lassen. Götter, manchmal wusste ich wirklich nicht mehr, wer er eigentlich war. War er schon immer so gewesen? Erst jetzt? Oder gab er vor, jemand zu sein, der er nicht war? Ich ballte die Hände zu Fäusten, sagte aber nichts mehr. Mir fehlten die Worte.

Seth ließ seine Fingerknochen knacken.  ,,Ist dieser Zug nicht längst abgefahren? Wolltet ihr deshalb mit mir reden?"

,,Ich bin schwanger", kam es in dem Moment von Esme. Vollkommen unvermittelt, einfach so, direkt ins Gesicht.

Seth riss die Augen auf. Seine Hände öffneten sich, schlossen sich, öffneten sich wieder und wurden zu Fäusten geballt.  ,,Im Ernst?"

Esme rollte mit den Augen.  ,,Nein, ich bin nur fett geworden."

Tatsächlich sah man ihr noch immer kaum etwas an. Momentan trug sie meist weite, schwarze T-Shirts, was das bisschen, das man sah, vollkommen verdeckte.

Seth sah aus, als wollte er mit Gegenständen um sich werfen. Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte, ich merkte, wie ein Wind aufkam, der vorher nicht da gewesen war.  ,,Glückwunsch", würgte er hervor.

Esme verzog das Gesicht.  ,,Geb ich an dich zurück."

Seine Augen weiteten sich.  ,,Bitte was?"

Esme räusperte sich.  ,,Herzlichen Glückwunsch, Mr Seth Dimitriadis, Sie werden Vater."

Der Wind verwandelte sich in einen tobenden Sturm, der an meiner Kleidung riss und ein paar Äste umherfliegen ließ. Wow, Esme hatte das Feingefühl eines Abrissbaggers.

,,Aber ich habe... Das... Ich..." Er holte tief Luft. ,,Das ist nicht möglich."

Sie neigte den Kopf zur Seite.  ,,Du weißt doch, wie Kinder entstehen, oder?"

Er blinzelte, schien ein paar Mal tief Luft zu holen, dann beruhigte sich der Sturm etwas.  ,,Hat Hasi spontan den Schwanz eingezogen, oder warum behauptest du, ich wäre..." Er ließ den Satz unvollendet.

,,Dawson und ich hatten zu dem Zeitpunkt noch nicht miteinander geschlafen. Du wirst Vater, Seth", wiederholte sie.

Seine Hand zitterte, als er sich damit durch die Haare fuhr und den Kopf schüttelte.  ,,Was wird das? Wollt ihr mich von der Rebellion wegbringen und erzählt mir deshalb so einen Schwachsinn?"
Er schüttelte erneut den Kopf und ließ die Hand sinken, aus der daraufhin einige rote Funken sprühten.  ,,Okay. Ich hab keine Ahnung, was die Scheiße soll. Hätte nicht gedacht, dass ihr es mit solchen Mitteln versucht, aber gut." Er trat einen Schritt zurück und lachte nervös.  ,,Viel Spaß mit dem Kind, Hasi wird bestimmt ein furchtbar... toller Vater."

,,Seth!", zischte Esme. Aber Seth schüttelte nur den Kopf und war plötzlich wieder verschwunden.

Während ich stirnrunzelnd an die Stelle starrte, an der er eben noch gestanden hatte, seufzte Esme frustriert.  ,,Warum wusste ich, dass dieses Gespräch ziemlich genau so verlaufen würde?"

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt