home sweet home I

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Serlina

Mit einer Papiertüte in der einen Hand und den Stiften in der anderen stehe ich vor dem Haus von Frederik. Eric hat mich von einem Handy angerufen und ein Treffen für heute ausgemacht. Etwas verwundert war ich schon, denn sein vorgetäuschter Unfall ist erst paar Tage her. Über seinen Anruf habe ich mich trotzdem gefreut, so ein schnelles Wiedersehen mit den beiden hatte ich aber nicht erwartet.

Da ich beide Hände voll habe, fällt es mir schwer zu klingeln. Die Stiftpackung stecke ich unter meinen Arm, damit ich mich bemerkbar machen kann.

Das Haus wirkt von außen zurückhaltend dennoch einladend. Es ist nicht so riesig, wie man es von einem Spieler der NFL erwarten könnte. Aber es passt zu Frederik. Er ist nicht so wie einige seine Kollegen. Er musste schon früh Verantwortung übernehmen, deshalb wirkt er reifer als andere Männer seines Alters. Auch habe ich nicht den Eindruck, dass er seinen Reichtum gerne zur Schau stellt.

Als mir eine dunkelhaarige Frau mittleren Alters die Tür öffnet, bin ich so überrascht, dass mir die Stifte auf den Boden fallen. Zum Glück nicht die Tüte, das wäre eine Sauerei gewesen. Schnell hebe ich die Packung wieder auf und blicke die Dame wieder an.

"Oh sie müssen Serlina sein. Kommen sie doch herein."

Ich brauche einige Sekunden um mich zu fangen. Habe ich die Situation falsch eingeschätzt und das ist Frederiks Freundin? Eine äußere Ähnlichkeit kann ich nicht erkennen, weshalb sie bestimmt nicht seine Mutter ist.

"Ich bin Melissa, die Haushälterin. Freut mich sie kennenzulernen. Der kleine Eric erzählt ständig nur von ihnen", beruhigt sie die Fragen in meinem Kopf.

Ich weiß nicht, wieso es mir etwas ausmachen sollte, wenn sie wirklich Frederiks Freundin wäre. Er und ich sind uns noch viel zu fremd, dass ich eifersüchtig sein sollte.

"Freut mich auch. Das kann ich mir vorstellen, Eric ist ein sehr redseliger Junge."

Lächelnd schüttelt sie den Kopf, wobei ihre lockigen Haare hin und her wehen. Hatte ich etwas Falsches gesagt?

"Eric ist eigentlich eher ein schüchterner Junge. Redet ungern mit fremden Leuten und es braucht eine gewisse Zeit, bis er mit Menschen warm wird."

Das hört sich nicht nach dem Eric an, den ich während unserer zufälligen Begegnungen kennengelernt habe. Er hat so fröhlich mit mir geplaudert und hat immer meine Hand halten wollen, obwohl er mich nicht kannte.

Bevor ich ihr auf das Gesagte antworten kann, rennt mich ein kleiner Blondschopf fast um. Energie hat er ja, nur sollte er mit seinem neuen Gips etwas vorsichtiger sein.

"Ich freue mich auch dich wiederzusehen, Løve."

Eric geht ein Schritt zurück, schaut mich neugierig an. Danach liegen seine Augen auf den Stiften.

"Für was sind die?"

Als ich ihm erkläre, was ich damit vorhabe, zieht er mich aufgeregt weiter ins Hausinnere. Wohin Melissa verschwunden ist, habe ich nicht mitbekommen, sicher geht sie ihrer Arbeit weiter nach. Eric setzt sich auf eine gemütlich aussehende Wohnlandschaft und tatsächlich ist sie sehr bequem.

Er öffnet einen grünen Filzstift und drückt ihn in meine Hand. Dann kann das Verzieren des neuen Gips wohl schon losgehen.

Als ich die Hälfte des Gips erreicht habe, lege ich den Stift zur Seite. Es ist anstrengender als es aussieht. Ich will Eric auf keinen Fall weh tun, weshalb ich mit der Filzstiftspitze nur leicht auf den Gips aufdrücke. Sein Arm braucht Zeit für die Heilung.

"Lasst mir auch noch etwas Platz!"

Mein Kopf schreckt zur Seite zu Frederik, der vor dem Sofa steht und Erics Arm bestaunt.

Eric klopft aufs Sofa und streckt seinem Vater seinen Gipsarm hin. Dieser führt meine Arbeit weiter, bis keine freie Stelle mehr zusehen ist.

"Jetzt ist mein Arm Kunst, das muss ich unbedingt Onkel Flynn zeigen."

Eric sieht sich weiter seinen neu gestalteten Gips an und Frederiks Aufmerksamkeit fällt auf meine Papiertüte, die ich vor dem Bemalen auf den Couchtisch angestellt habe.

Er scheint zu riechen, dass dort etwas Essbares drinnen steckt. Deshalb beugt er sich vor und lugt hinein.

Man kann praktisch sehen, wie ihm das Wasser im Mund zusammenläuft.

"Das sind Kanelknuter, norwegische Zimtknoten. Ich wusste nicht, ob das zu einer Sportler-Ernährung passt, deshalb habe ich auch noch einen grünen Smoothie mitgebracht", erkläre ich ihm schüchtern.

Bei dem Wort Zimt, schaut mich Eric begeistert an. Ihm scheint Zimtgebäck also auch zu schmecken.

Nachdem sich jeder von uns einen Zimtknoten aus der Tüte genommen hat, genießen wir ihn. Eric will direkt noch einen, aber sein Vater hält ihn davon ab. Zu viel Gebäck sollte man nicht essen.

"Die sind himmlisch. Dankeschön", höre ich Frederik sagen, während er noch versucht, die letzten Krümel aus seiner Hand zusammenzusuchen.

Es freut mich, dass ihnen die norwegischen Köstlichkeiten meiner Mom schmecken. Überrascht bin ich nicht, da es dem dänischen Gebäck geschmacklich ähnlich ist.

"Meine Mom ist ihre Heimat sehr wichtig. Deshalb backt und kocht sie oft norwegische Spezialitäten."

"Ja, meine Mutter ist genauso. Sie kocht fast ausschließlich Dänisch."

Als das Wort auf Erics Großeltern fällt, schaut dieser seinen Vater bittend an. Er scheint sie gerne wieder besuchen zu wollen.

Es verwirrt mich, dass ich seine Wünsche jetzt schon durch seine Blicke verstehen kann.

"Können wir bald zu Bedste und Farfar? Bitte!", quengelt er schon fast.

Das Eric für Großeltern die dänischen Bezeichnungen für sie benutzt, finde ich toll. Ihnen wird das sicher gut gefallen.

Erst als Frederik seinem Sohn verspricht, seine Eltern zu besuchen, gibt er sich zufrieden.

"Ich will Serlina mein Zimmer zeigen. Komm Serlina", sagt der Blonde und zieht mich mit sich in sein Zimmer.

Als ich in Erics Zimmer stehe, trifft mich als Erstes der Schock. Wenn ich mir vorher ein Thema für dieses Zimmer überlegen müsste, wäre es vermutlich Football. Doch dieses Zimmer hat ein ganz anderes Thema. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht zu traurig zu werden. Zu weinen wäre jetzt vollkommen unpassend. Das könnte Eric falsch verstehen.

Einige rote Feuerwehrautos zieren Erics Zimmerwände. Auch ein kleines brennendes Feuer ist zusehen, welches gerade gelöscht wird.

Solche Bilder oder generell Feuer zu sehen, lässt mich wieder an den Unfall meines Dads erinnern. Wie wir den Anruf bekommen haben und alle direkt ins Krankenhaus panisch gestürmt sind.

Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Erst nicht zu wissen, ob mein Dad überlebt und dann zu erfahren, er könne nie wieder laufen. Ich habe wochenlang nur geweint, aber vor meiner Familie musste ich stark wirken. Meine Mom und Espen brauchten einen Anker und das war ich.

Ich versuche die Vergangenheit wegzuschieben in die letzte Ecke meines Kopfes, um jetzt wieder zu funktionieren. Eric will mir sein Zimmer präsentieren. Da haben Erinnerungen, die mich so sehr herunterziehen, nichts zu suchen.

"Ist alles Okay?", fragt mich Eric, nachdem ich auf seine Erzählung nicht reagiere.

Ich nicke nur mit einem aufgesetzten Lächeln und versuche mich auf seine Stimme zu fokussieren.

Ich nicke nur mit einem aufgesetzten Lächeln und versuche mich auf seine Stimme zu fokussieren

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Cupid Eric - COUPLED BY A CHILDWhere stories live. Discover now