personal nightmare I

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Frederik

Hektisch packe ich eilig meine Trainingstasche zusammen. Leider war ich letzte Nacht wieder allein in meinem Bett gewesen. Serlina hatte Nachtschicht und schläft jetzt bestimmt schon wieder bei sich. Deshalb hat Melissa Eric vor einer halben Stunde abgeholt. Sie hat Fische, die Eric gerne sehen wollte. Vielleicht sollten wir uns auch bald ein Haustier zulegen. Wenn es nach mir gehen würde keine Fische, die schwimmen nur in ihrem Aquarium hin und her. Außerdem würde ich dann ein schlechtes Gewissen bekommen, weil ich so oft Fisch esse.

„Wir kommen zu spät, wenn du weiter so herumtrödelst, Rick", brüllt Flynn mir ungeduldig zu.

Ich höre ihn wie er unruhig im Flur auf und abläuft. Ich kann ihn verstehen. Der Druck wird immer größer. Wir nähern uns immer mehr dem Super Bowl und das bekommen wir zu spüren. Jeder will uns in Bestform sehen. Schnell ist nicht mehr schnell genug. Von uns wird mehr verlangt, immer mehr.

„Was ist das für ein Brief. Anwaltskanzlei aus Boston. Hast du nicht geöffnet, scheint wichtig zu sein", höre ich die neugierige Stimme meines besten Freundes. Vermutlich begutachtet er dabei den Umschlag aufmerksam. Kopfschüttelnd stopfe ich noch Wechselkleidung in meine Tasche.

Der Brief liegt seit gestern Morgen unangerührt auf der Kommode im Flur. Was auch immer es ist, ich kümmere mich später darum.

Mit einem unwohlen Gefühl im Bauch schaue ich noch kurz das Foto an. Es zeigt mich als stolzen Papa kurz nach Erics Geburt. Der graue Rahmen steht auf meinem Nachtisch. Jeden Tag kann ich ihn so direkt morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Einschlafen ansehen. Nie hatte ich gedacht, so schnell Vater zu werden. Oder dass ich es so lieben werde, ihn so sehr lieben werde.

Meine Schlafzimmertür fällt krachend hinter mir zu und ich renne mit meiner gepackten Tasche Flynn hinterher in seine Karre.

„Der Coach wird richtig sauer, wenn wir zu spät kommen. Du bist doch sonst so pünktlich, was war los?"

Die Frage habe ich mir heute schon einige Male gestellt. Angefangen hat es bei der heruntergefallenen Müslischale. Milch mit Haferflocken flossen über die Küchenfliesen. Eine echte Sauerei. Bevor ich alles sauber machen konnte, tritt Eric in die weiße Pfütze und verteilt die Flüssigkeit noch weiter im Haus. Nach dem Frühstück wartete er dann aufgeregt am Fenster, bis Melissa kam. Er freute sich so sehr endlich die Fische wieder sehen zu können, dass er dabei zwei Zimmerpflanzen vom Fensterbrett fegte. Zum Glück hat er sich nicht an den Scherben verletzt, das würde diesen Tag nur noch schlimmer machen.

Eigentlich hatte ich geplant, Eric auf dem Weg zum Stadion bei Melissa abzusetzen, doch mein Lamborghini sprang nicht an. Nie hat er mich im Stich gelassen, doch heute streikt er. Ich sollte ihn schleunigst in die Werkstatt bringen, aber auch dafür habe ich momentan keine Zeit. Deshalb muss mich Flynn heute mitnehmen.

Das ungute Gefühl verschwindet auch nicht, als ich aus Flynns Wagen steige oder auf dem Feld. Es wird eher schlimmer. Ich versuche es zu unterdrücken. Rede mir ein, dass ich nur spinne. Was sollte schon passieren. Serlina wird Eric abholen und zu mir bringen, dann würde ich wieder das bezaubernde Lächeln und die strahlenden Augen meines Sohnes sehen und nachts an Serlina gekuschelt einschlafen. Es ist alles in bester Ordnung, rede ich mir ein.

„Du bist heute sehr abwesend, hattest du Streit mit Serlina?", höre ich Frank neben mir sagen.

Früher war ich nur abgelenkt wegen Eric. Erics Wohlergehen, seiner Sicherheit. Aber jetzt ist auch Serlina ein wichtiger Teil in meinem Leben. Vor unserem Kennenlernen war ich manchmal glücklich, vor allem wegen Eric. Ihn fröhlich zu sehen, erwärmt mein Herz. Mit ihr ist es anders. Bei ihr kann ich so sein wie ich bin. Ich muss nicht vortäuschen extrovertiert zu sein. Ich muss nicht so tun, als ob. Ich akzeptiere mich selbst mehr seit ich sie kenne. Irgendwann werde ich ihr einen Antrag machen und hoffentlich wird sie ja sagen. Aber jetzt bin ich auf dem Feld, das bedeutet alles außer Football muss ausgeblendet werden. Auch dieses mulmige Gefühl.

Direkt nachdem der Coach das Training beendet, renne ich zu meinem Handy und rufe Serlina an. Ich halte es nicht mehr aus. Irgendwas stimmt nicht. Es tutet, aber niemand hebt ab. Auch nicht nach weiteren zehn Sekunden. Ich warte weiter, immer noch nichts.

Das Training ging lang, es ist spät, aber sie kann nicht schlafen. Panik, Angst. Was ist los? Wieso kann ich sie nicht erreichen? Als Nächstes versuche ich es bei Melissa. Doch auch hier meldet sich niemand.

„Schnapp dir deine Sachen, wir fahren. Du bist ja vollkommen am Arsch, Rick."

Ohne zu Duschen sprinten wir in die Umkleide und schnappen unsere Taschen. In meinem Kopf tauchen eine Millionen Szenarien auf. Wieso melden sie sich denn nicht?

„Wo soll ich hinfahren? Zu dir oder zu Melissa?", erkundigt sich mein bester Freund bei mir.

Am Anfang der Fahrt hat er noch versucht mich zu beruhigen. Mir weiß zu machen, ich bilde es mir nur ein. Hat er recht? Überdramatisiere ich nur?

„Zu Melissa", mehr bekomme ich nicht heraus.

Wäre ich nicht vom Spielen völlig verschwitzt, wäre ich es aus Panik. Aus Angst um Eric und Serlina. Wieso gehen sie denn nicht an ihre Handys? Verzweifelt versuche ich es immer und immer wieder. Keine Antwort.

Schon von Weitem sehe ich, dass die Situation fürchterlicher ist als mein schlimmster Albtraum. Zwei Feuerwehrwagen stehen vor Melissas Haus. Ihrem abgebrannten Haus. Tränen laufen mir über das Gesicht. Wo sind sie? Was ist mit Eric? Inständig hoffe ich, sie sind nicht da gewesen. Dass sie alle in Sicherheit waren.

Obwohl Flynn noch fährt, reiße ich die Beifahrertür auf und renne so schnell wie nie zuvor zu den Einsatzleuten. Ich brauche Informationen. Ich muss wissen, wie es ihnen geht.

Angekommen bekomme ich kein Ton heraus. Ich bin zu aufgelöst, immer noch am Weinen. Ein Wrack. Zwei muskulöse Arme ziehen mich in eine Umarmung. Mein bester Freund streicht mir sanft über den Rücken.

Was für ein grauenvoller Tag.

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Cupid Eric - COUPLED BY A CHILDWhere stories live. Discover now