14 | Auf viele Nachkommen

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Wie benebelt, in einer Art Rausch gefangen, folgte ich Enzo aus seinem Büro in den hohen Eingangsbereich, wo Nunzio und Nicolo auf einer der untersten Treppenstufe saßen und sich sofort freudig erhoben, als sie uns aus dem Zimmer kommen sahen.

Ich hörte ein fürchterliches Rauschen und nahm alles nur noch nebenbei wahr, während mein Blick ins Wohnzimmer fiel, wo Darios Verlobte stand und von sich selbst Selfies mit einem Handy zu machen schien. Natürlich sah sie wieder wunderschön aus mit ihren langen, braunen Haaren und dem wirklich eleganten gelben Kleid.

"Und?", hörte ich Nunzio, der genau wie Nicolo aufmerksam zu Enzo schaute.

"Sie hat ja gesagt", meinte dieser und sofort kam Nunzio auf mich zu und nahm mich fest in die Arme, um mich einmal herumzuwirbeln.

"Dann kriegst du ja doch noch einen super Nachnamen", lachte er und kam mit seinem Mund nah an mein Ohr. "Und endlich habe ich jemanden in der Familie, den ich wirklich leiden kann."

Ich sah ihn irritiert an und wurde auch kurz darauf von Nicolo mit einem Handschlag begrüßt, ehe die Haustür neben uns aufging und mein baldiger Ehemann das Haus betrat.

Er trug ein enges schwarzes Shirt, dass zu seiner hellem Jeans passte und sah verwundert zwischen uns hin und her.

"Was ist hier los?", wollte er wissen und sah flüchtig auf mein Kleid, ehe er sich seinem Vater zuwandte.

"Wir haben endlich eine Frau für dich gefunden", meinte dieser und da wurde mir erst richtig bewusst, dass Gino es, genau wie ich, nichtmals wusste.

"Was?", fragte Gino lachend und hielt es wohl für einen Scherz, ehe er an dem Ausdruck von Enzo ganz genau merkte, dass es kein Spaß sondern bittere Realität war. "Nein!"

Er fluchte laut auf italienisch und gestikulierte wild mit den Händen, um immer wieder von seinem Vater zurechtgewiesen zu werden, der aber wohl bei dieser Sache das letzte Wort hatte.

"Damit Basta!", beendete Enzo die hitzige Diskussion und ich sah noch mit angehaltenem Atem dabei zu, wie Gino ihm direkt vor die Füße spuckte und mit einem lauten Tür zuknallen das Haus verließ. Zurück blieb ich und obwohl es eine Beleidigung für mich sein sollte, wie Gino auf mich reagiert hatte, erfreute es mich, denn so würde sicherlich keine Hochzeit stattfinden, was mir ein dickes Grinsen aufs Gesicht zauberte.

"Setzt euch schonmal. Ich rede mit ihm", wandte sich Enzo streng an uns drei und verschwand seinem Sohn hinterher, während wir ins Wohnzimmer liefen und Nicolo sofort auf der Couch Platz nahm, um seine Playstation an dem großen Fernseher anzuschalten.

"Er beruhigt sich schon noch", flüsterte Nunzio mir zu, doch mir war es mehr als Recht, dass Gino so aufbrausend abgehauen war. Viel Schimmer wäre es, ihn jetzt neben mir haben zu müssen, also atmete ich beruhigend durch und wandte mich lächelnd Nunzio zu, der mich entschuldigend ansah.

"Seine Reaktion ist vollkommen okay für mich", erklärte ich und sah hinter Nunzio zur offenen Küche, wo Darios Verlobte stand und mich missbilligend musterte.

Was hatte die denn jetzt für ein Problem?

Als Nunzio meinem Blick folgte umgriff er leicht meinen Unterarm und führte mich zu der großen Couch, wo wir neben Nicolo Platz nahmen, der aber Kopfhörer aufhatte und uns aufgrund seines Spiels kaum beachtete.

"Beachte Giovanna nicht", sprach Nunzio leise und drehte sich so zu mir herum, dass er mir die Sicht auf die Schönheit versperrte.

"Was hat sie denn für ein Problem mit mir?"

"Mit dir? Die Frage ist, mit wem hat sie kein Problem", grinste er und drehte sich flüchtig zu ihr herum, um anschließend wieder mich anzuschauen. "Nichtmal Dario ist gerne in ihrer Nähe. Ihre Familie ist auch sehr einflussreich in Palermo. Ihre Ehe also eher eine Sache des Nutzens und seit sie hier ist, stürzt sich Dario nur noch in Arbeit und ist kaum noch zu Hause."

Aufmerksam lauschte ich seinen Worten, denn ich wollte mehr über Dario erfahren, auch wenn es nur Kleinigkeiten waren, so interessierten sie mich einfach und ich verstand so langsam, wieso er nie zu Hause sein wollte, als ich nochmals Giovannas giftigem Blick begegnete.

"Arbeitet er mit Gino zusammen?"

"Nein", schüttelte Nunzio den Kopf und erklärte mir, dass Gino für die Mädchen und Clubs und Dario für die Waffengeschäfte zuständig war. Er und Nicolo sind eher an Aufgaben, wie Schulden einzutreiben gebunden und Enzo war derjenige, der alles unter Kontrolle zu behalten versuchte.

So langsam konnte ich mir immer besser vorstellen, wie alles hier so ablief und als ich ich nach unserem Gespräch zu dem Türbogen in den Flur sah, hielt ich unbewusst den Atem an und sah Dario, der mit dem Blick auf mich gerichtet das Wohnzimmer betrat und mit einem verwirrten Ausdruck stehenblieb.

"Wo ist Padre", wandte er sich an Nunzio, der daraufhin seine Augen vom Fernseher nahm und zu ihm aufschaute.

"Draußen mit Gino", ließ er ihn wissen und als Nunzio sich wieder Nicolas Spiel ansah, trafen Darios blaue Augen wieder auf meine und mir gefiel es, was er in diesem Moment der Stille in mir auslöste. Da war kein Gino mehr, keine Hochzeit, kein Zwang... Nur noch zwei Menschen, die etwas in sich bewegten, doch natürlich wurde dieser magische Augenblick viel zu schnell wieder unterbrochen.

"Liebster", wollte Giovanna ihren Verlobten in die Arme schließen, der aber augenblicklich einen Schritt zurückwich und ihr ohne Worte zu signalisieren schien, dass er nicht angefasst werden wollte.

Die eingeschnappte Mine, die sie daraufhin verzog, hätte ich nur zu gerne auf Video gehabt, doch auch so konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen, sodass plötzlich alle mich verwundert ansahen.

"Was gibt's zu lachen?!", wollte Giovanna bissig wissen und verschränkte dabei ihre Arme, doch mein Blick glitt zu Dario, bei dem ich plötzlich erkannte, dass er etwas mit seinen Fingern zu signalisieren schien. Er tippte fast schon auffällig zweimal mit seinem Finger auf seine Uhr und schaute mir dabei tief in die Augen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er wolle nur mir ganz alleine damit etwas mitteilen, doch wahrscheinlich war es Einbildung und ich sah wieder herüber zu Giovanna, die auf mein Schweigen wohl nichts mehr zu sagen hatte.

"Sooooo, setzt euch bitte", ertönte Enzos dunkle Stimme hinter den beiden ihm Flur und es dauerte auch nicht lange, bis alle aufstanden und sich herüber an den gedeckten Esstisch setzten. Nur ich blieb nervös an der Couch stehen und wusste nicht so Recht, wo jetzt mein Platz wäre, bis Gino das Wohnzimmer betrat und langsamen Schrittes auf mich zukam. Sein Blick fiel flüchtig zu seinem Vater, der am Kopfende saß, bis er wieder mich ansah und tief durchatmete.

"Es tut mir leid", nuschelte er kaum hörbar und ich konnte ihm wirklich ansehen, dass er zu dieser Entschuldigung gezwungen wurde. "Ich hätte nicht so reagieren dürfen und das wird auch nicht mehr vorkommen."

Er streckte mir seine Hand entgegen, die ich aber erst nur eine Weile verwundert betrachtete, ehe ich sie zögerlich in meine nahm und mich von ihm an den Tisch führen ließ.

Mein Herz überschlug sich mehrere Male und als ich dann an dem Tisch auch noch genau gegenüber von Dario und neben Nicolo Platz nahm, dachte ich, das scheiß Leben will mich wirklich verarschen...

"Ich bin sehr dankbar, euch alle um mich zu haben und hoffe, ihr seht das genauso", sprach Enzo erfreut und erhob dabei sein Weinglas, was die anderen ihm nachmachten. Schnell griff ich auch nach meinem Glas und hielt es hoch, während ich ununterbrochen spürte, dass Darios Blick einzig und allein auf mir lag, was mich so nervös machte, dass meine Hand anfing zu zittern und ich mein Glas schnell wieder abstellen wollte, doch alle nahmen einen Schluck, also auch ich.

"Und auf viele Nachkommen der Familie Mancini!"

Auf Enzos Worte hin verschluckte ich mich so schnell, dass ich den ganzen Rotwein aushustete und direkt Darios Gesicht traf, was mich ihn mit großen Augen entschuldigend anstarren ließ.

Oh man ey!!!

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Those blue eyes Where stories live. Discover now