34 | Park

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Das durfte einfach nicht wahr sein...

Ich saß neben Dario, der seelenruhig den BMW durch die Straßen lenkte, während Rockmusik aus dem Radio lief und Nicolo hinter mir in schrecklichen Tönen mitsummte...

Als wäre diese ganze Situation nicht schon beschissen genug!

Ich wollte gerade mit geschlossenen Augen meditieren, um alles um mich herum irgendwie auszublenden, da sprach Dario mich aber wieder an, was mich mehr als nur wahnsinnig machte. Wie sollte man jemanden verdrängen, vergessen oder auf Abstand halten, wenn diese Person es anscheinend genoss, einen immer wieder ins Wanken zu bringen.

"Alles okay?", fragte er ruhig und ich konnte es mir einfach nicht verkneifen, bei seiner dunklen Stimme tief durchzuatmen, was mich schon selbst nervte. Das Gefühl, ihm ständig unterlegen zu sein und das auch noch gerne, schien mich dauerhaft zu begleiten, deswegen nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach ihn einfach auf Gino an. Vielleicht würde er es dann gut sein lassen.

"Ja, ich habe nur darüber nachgedacht, was mein Verlobter wohl gerade macht", gab ich ihm leicht nervös zurück und sofort sah er in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, ob Nicolos Aufmerksamkeit auf uns lag. Auch ich drehte mich unauffällig nach hinten, doch Nicolo textete auf seinem Handy, ohne auch nur zu bemerken, dass wir beide ihn musterten.

Als ich mich wieder nach vorne wandte, verlor ich mich flüchtig in Darios Augen, ehe ich mich von diesen losriss und wieder auf sie Straße vor uns blickte.

"Was soll er schon machen... Gibt ja nur wenige Sachen, die Gino Spaß machen", meinte Dario mit solch einer Abneigung, dass er mich damit sogar leicht wütend machte und wieder ergriff ich für jemanden Partei, den ich kaum kannte, obwohl ich gleichzeitig spürte, dass ich eigentlich gar nicht so sein wollte...

"Und das sagt jemand, der anscheinend nur Spaß daran, Frauen zu fesseln", gab ich ihm zurück und verschränkte meine Arme dabei. Natürlich spürte ich sofort seinen durchbohrenden Blick auf mir, doch ich gönnte ihm keine Aufmerksamkeit mehr, auch wenn ich mich dazu zwingen musste, bis er mir nochmals etwas entgegensetzten musste, was mich dann doch seine Augen suchen ließ.

"Frau", sprach er ruhig und ich runzelte verwirrt meine Stirn, bis er mich flüchtig ansah. "Du hast von Frauen gesprochen. Plural. Ich hatte in meinem Leben aber nur mit einer dabei Spaß. Also, Frau."

Nach einem kurzen Moment des überforderten Schweigens, drehte ich mich nochmals zu Nicolo herum, der in diesem Moment meinen Blick erwiderte, was mich sofort dazu trieb, mich mit weit aufgerissenen Augen wieder nach vorne zu wenden.

"Giovanna oder?", erkundigte ich mich wie eine Idiotin, um Nicolo nicht Verdacht schöpfen zu lassen, woraufhin Dario am Straßenrand stehenblieb und mich musterte.

"Natürlich", sprach er kontrolliert, doch ich wusste, er log in diesem Augenblick. Alleine die Art, wie er mich ansah, gab mir die Gewissheit, dass er mich meinte und diese erneute Stille riss mich wieder in eine Starre, die endlos schien, bis Nicolo ausstieg und mir meine Tür öffnete...

"Viel Spaß", hörte ich Dario noch sagen, doch ich flüchtete aus dem Wagen und fiel dabei fast noch über den Bordstein, doch eine Straßenlaterne rettete mich vor einer erneuten Blamage.

"Nicht so stürmisch", lachte Nicolo über mein schnelles Tempo, doch ich sah nur schweigend dem BMW hinterher, wie er um eine der nächsten Ecken verschwand. Dadurch, dass er weg war, veränderte sich wieder etwas in mir. Die Möglichkeit, mich wieder vollkommen frei zu fühlen, gab mir auch wieder mein Selbstvertrauen zurück und neugierig musterte ich den Eingang der Fahrschule vor uns.

Wirklich hässliche, grüne Türen und ein kleines Schild mit dem Schriftzug »Open«.

Ich wollte eigentlich darauf warten, dass Nicolo als erster reingehen würde, doch als ich zu ihm herübersah lief er gerade mit dem Rücken zu mir in die andere Richtung, was mich verwirrt zwischen ihm und der Tür hun und hersehen ließ.

"Nicolo?", rief ich laut, nachdem ich ihn fast nicht mehr sah und setzte mich anschließend schnell in Bewegung, um zu ihm aufzuholen. Die ganzen Menschen, die mir entgegenkamen, beachtete ich gar nicht weiter und gekonnt wandte ich mich zwischen ihnen durch, um nach kürzester Zeit Nicolo eingeholt zu haben. "Was hast du vor?"

Ich atmete mehrere Male durch und machte mir flüchtig Gedanken darüber, dass ich mehr Sport machen sollte, bis er seine Kopfhörer herausnahm und mich grinsend musterte.

"Was denkst du eigentlich, wieso ich viermal durchgefallen bin?"

Mit einem fragenden Ausdruck musterte ich ihn, bis er zwinkerte und einfach weiterlief.

"Willst du mir sagen, du gehst da gar nicht hin?", schlussfolgerte ich seine Aussage und hielt dabei mit ihm Schritt, während ich auf eine Antwort wartete.

"Doch, aber nicht immer."

"Aber Enzo", warf ich ein und wurde leicht panisch beim Gedanken daran, dass er mir am Ende noch die Schuld geben würde, dass Nicolo erneut durchfallen würde. "Bitte, lass uns zur Fahrschule", bat ich ihn und hielt dabei seine Jacke fest, doch er schüttelte nur den Kopf und lief weiter.

"Komm mit. Zur Fahrschule können wir auch morgen noch", meinte er und bog in eine enge Seitengasse ab, durch welche ich ihm widerwillig folgte. Klar, wollte ich das hier alles nicht und bei Gott, ich wusste ich würde dafür sicherlich büßen, aber Nicolo hörte schon nicht auf seinen Vater oder auf seine Brüder, wieso sollte er also auf mich hören?

Nachdem ich weiter darüber nachdachte, auf welche Weise ich wohl gefoltert werden würde, kamen wir am Ende der engen Gasse an, wo wir vor einer breiten Straße standen und die Sonne ziemlich stark auf unsere Köpfe herunterschien.

Doch das war nicht unser Ziel.

Auf der anderen Seite erkannte ich den Stadtpark mit seinen vielen Liegeflächen, den Tischtennisplatten, dem Basketballplatz und den hohen Bäumen. Überall liefen spielende Kinder herum, während Erwachsene sich unterhielten und dabei joggten oder ihre Hunde ausführten.

Ich beobachtete beim überqueren der Straße ein Pärchen, ungefähr in meinem Alter, die händchenhaltend lachten und ich konnte nicht anders, als mir vorzustellen, ob ich je so glücklich mit dem Mann an meiner Seite werden könnte.

Sicher wurde diese hübsche Rothaarige nicht an einen Mafiosi geschenkt. Sie hatten sich bestimmt schon in der Schule kennengelernt, sich früh verliebt und bald würden Hochzeit und Kinder folgen. Eben so, wie es sein sollte...

"Vica?", sprach Nicolo mich plötzlich an und ich sah ihn irritiert an. Erst da merkte ich, dass ich stehengeblieben war.

"Entschuldige, dachte ich kenne die Frau."

Er lief weiter und ich ihm hinterher und nachdem wir über eine riesige Wiese gelaufen waren, blieb er plötzlich bei einigen Jugendlichen stehen, die auf den ersten Augenblick jünger als ich wirkten.

"Das sind Guiseppe, Angelo und Luca", erklärte Nicolo die Namen der drei und nachdem ich jedem schüchtern meine Hand gereicht und mich vorgestellt hatte, musterte ich sie und die Sachen, die vor ihnen auf der Decke lagen.

Alle drei sahen im Grunde gleich aus und hätten sicherlich Brüder sein können. Dunkle Haare, dunkle Augen und gekleidet waren sie im Surfer Look. Nur Luca war etwas dicker und nach den ersten Sätzen, die aus seinem Mund kamen, wurde mir klar, dass er auch der Spaßvogel der Truppe war.

"Sie wissen nicht, dass ich ein Mancini bin, also behalt es für dich", flüsterte Nicolo mir noch bestimmend ins Ohr, ehe er sich hinsetzte und ich mir die Shisha, das Essen und die Bierdosen ansah, um mich dann auch im Schneidersitz auf der karierten Decke niederzulassen.

"Und woher kennt ihr euch?", wollte Guiseppe sofort wissen und musterte mich dabei mit einem dreckigen Grinsen von oben bis unten, was mir ziemlich unangenehm war. Am liebsten hätte ich jetzt gesagt, dass ich die Verlobte eines Mancinis war, allein um von ihm nicht so durchbohrend angestarrt zu werden, ich verkniff es mir aber und wich seinem Blick aus.

"Sie ist meine Freundin", meinte Nicolo wie aus dem Nichts und griff dabei nach meiner Hand, was mich ihn fassungslos betrachten ließ.

Oh No....

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Those blue eyes Where stories live. Discover now