29 | Entscheidung

34.4K 1.1K 370
                                    

"Ludovica!", hörte ich Gino immer wieder nach mir rufen, doch ich dachte überhaupt nicht daran stehenzubleiben. Völlig losgelöst rannte ich durch die Dunkelheit und zwischen den vielen Autos hindurch, bis ich es nicht mehr aushalten konnte und mich an einen Wagen lehnte.

Ich musste mich so heftig übergeben, dass ich das Gefühl hatte, dabei jämmerlich zu ersticken.

Mein Herz raste nur so, während ich weinend versuchte zu Luft zu kommen und vorne über gebeugt immer noch am würgen war.

Alles, was die letzten Tage passiert war ... alles, was mit mir passiert war, kam mir in diesem Moment unkontrolliert in den Verstand und ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Gefühle und meine Ansichten irgendwie sortieren sollte.

"Ludo!!!"

In Ginos dunkler Stimme konnte ich einen Hauch von Sorge herauserkennen, doch ich ignorierte ihn weiterhin und lehnte mich mit geschlossenen Augen an den Wagen hinter mir.

Klar hätte ich nicht in dieses Zimmer gehen sollen, doch dieses arme Mädchen ihrem Schicksal überlassen? Nein! Das hätte ich mir nicht verziehen. Nicht nachdem sie mich so hilfesuchend angestarrt hatte...

Im Endeffekt gab ich Gino die Schuld, allein schon, weil ich überhaupt einen Schuldigen für das alles brauchte...

Er hatte mich wieder hierher gebracht, mich dazu gezwungen, mit den Mädchen zu sprechen. Er hatte mich alleine an der Bar gelassen und das nur, weil ich mich nicht von ihm anfassen lassen wollte...

Mit diesem ganzen Chaos in meinem Kopf legte ich mir meine Hand an die Stirn und öffnete dabei wieder meine verheulten Augen, woraufhin ich Gino direkt in seine blickte, der gerade auf mich zukam.

Er sagte kein Wort, blieb einige Schritte vor mir stehen und ich wunderte mich, dass er noch nicht darüber ausgeflippt war, dass ich ihn als Arschloch betitelt hatte.

"Geht's wieder?", wollte er nur leise wissen und sah dabei durchgehend in meine Augen, bis ich nickte und er daraufhin näher kam. Seine Hand umfasste meine und schweigend zog er mich hinter sich her über den dunklen Parkplatz, bis wir an dem Porsche ankamen und er mir die Tür aufhielt.

"Danke", murmelte ich leise, obwohl ich immer noch wütend auf ihn war, doch von ihm bekam keine Reaktion darauf...

Erschöpft und ausgelaugt ließ ich mich in das kalte, weiche Leder fallen und erschrak kurz, als er die Tür zuknallte, doch ich beruhigte mich schnell wieder und sah ihm noch hinterher, wie er nochmals zum Eingang des Clubs lief, wo ich jetzt auch Nunzio erkennen konnte.

Die beiden sprachen eine Weile, bis Nunzio im Inneren des Clubs verschwand und Gino wieder auf mich zukam.

Er stieg in den Wagen, startete diesen und ich lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe, um mich auf meine Atmung zu konzentrieren und das alles irgendwie hinter mir zu lassen.

Ich starrte in die Dunkelheit, sah Häuser und Bäume vorbeiziehen und die ganze Fahrt über sprach Gino kein Wort mit mir, was mir total unangenehm vorkam.

"Du hast echt scheiße gebaut", meinte er dann doch plötzlich, als wir durch das breite Tor die Kieseinfahrt hoch zur Villa fuhren und er das Auto auf einem der Parkplätze abstellte.

Verwirrt suchte ich seinen Blick, doch er war sofort mit seinem Handy beschäftigt und beachtete mich nicht mehr, also wollte ich mich zur Tür wenden und aussteigen, doch er ließ es nicht zu.

Seine Hand legte er mit viel zu viel Kraft um mein Handgelenk, sodass ich ihn sofort wieder abwartend ansah.

"Das war einer der einflussreichsten Männer Palermos. Dazu noch ein alter Freund meines Vaters und langjähriger Geschäftspartner", sprach er ruhig, doch ich konnte an seiner Stimme ganz genau erkennen, dass es ihm wirklich schwer fallen musste, in diesem Augenblick ruhig zu bleiben. "Was hast du in dem Zimmer zu suchen gehabt?"

Those blue eyes Where stories live. Discover now