26 | Mafia

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Nachdem Gino mir einen Teller mit Mozerella Salat gereicht hatte, standen Dario und Giovanna auf und verschwanden gemeinsam an mir vorbei raus aus dem Wohnzimmer.

Ich zwang mich ihnen nicht nachzusehen und schob mir Gabel für Gabel in den Mund, während mein Blick immer wieder zu Nicolo fiel, der seinem Vater gerade wütend erklärte, dass er keinen Bock mehr auf die Schule hatte und lieber mit Gino arbeiten wolle.

Enzo verneinte es merhmals und als Nicolo dann plötzlich mit voller Kraft auf den Tisch schlug und seinem Vater üble Beschimpfungen auf italienisch an den Kopf warf, packte Gino ihn am Kragen seines Kapuzenpullovers und schubste ihn heftig zu Boden.

"Ich warne dich!", schrie er ihn an und mit großen Augen sah ich zu Nicolo, der sich nur langsam wieder aufrappelte. "Vergiss nicht, wer hier vor dir sitzt und benimm dich nicht wie ein kleiner Bastard!"

Ginos Blick war so aggressiv, dass ich so langsam wirklich Angst um Nicolo bekam, was wohl auch Enzo so erging.

"Gino", sprach er seinen ältesten Sohn an und stand dabei auf. "Lass mich das regeln. Erledige du deine Arbeit."

Enzo legte Gino seine Hand beruhigend auf den Rücken, während Nicolo sich wieder an den Tisch setzte und stur ins nichts blickte.

"Papa, du musst ihm Grenzen aufweisen!", fing jetzt Gino an zu diskutieren, doch als Enzo ihn warnend ansah, verstummte Gino augenblicklich und lief schnellen Schrittes am Tisch vorbei in den Flur. Die Situation entspannte langsam wieder, doch dann hörte ich plötzlich die Haustür und dachte darüber nach, ob er mich tatsächlich vergessen hatte.

"Es tut mir sehr leid, Ludovica", entschuldigte Enzo sich bei mir und sprach dabei irgendwie sehr wehmütig. "Seid meine Frau gestorben ist, sind meine Jungs sehr von sich selbst eingenommen. Es ist schwerer sie zu erziehen, als ein Mafiaboss zu sein. Das kannst du mir glauben", erklärte er und lachte am Ende seines Satzes mit einem traurigen Ausdruck.

Nicolo schien nichts von unserem Gespräch mitzubekommen, da er mittlerweile wieder seine Kopfhörer anhatte und auf seinem Handy herumtippte.

"Ich kann kaum glauben, dass ich bei einer der gefährlichsten Mafia Familien sitze", platzte es dann plötzlich aus mir heraus und ich wusste selbst nicht, wieso ich sowas sagte.

Als Enzos Blick dann irritiert auf meinen traf, machte ich große Augen und spielte nervös mit meinen Fingern. "Also, ich meinte das nicht böse. Nur streitet ihr wegen der Schule und esst abends gemütlich zusammen Salat, während du ganz seelenruhig die Zeitung liest."

Enzo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, was auch mich zu einem entschuldigendem Lächeln brachte.

"Dachtest du wir trinken Whisky und polieren unsere Maschinengewehre am Esstisch?", fragte er schon langsam belustigt von meiner Unwissenheit und ich nickte leicht, was ihn noch mehr zum lachen brachte.

"Ach, früher war alles besser", lächelte er und lehnte sich weiter zu mir herüber. "Sobald du ganz oben bist, gibt es andere Menschen, die deine Drecksarbeit erledigen. So ist es in jeder Lebenslage. Ich muss eigentlich nur noch dafür sorgen, dass unsere Feinde die Füße stillhalten und unsere Freunde genug von unseren Einnahmen abbekommen. Ansonsten trinke ich Kaffe und schlage mich mit diesem Nichtsnutz herum."

Er schlug Nicolo leicht gegen die Schulter, der daraufhin seine Kopfhörer abnahm und seinen Vater fragend ansah.

"Geh nach oben und kümmere dich um deine Hausaufgaben", wies er ihn an und sofort stand Nicolo auf, um danach noch einen Moment inne zu halten.

"Scusa, papà", entschuldigte er sich respektvoll bei seinem Vater und gab ihm einen Kuss auf die Wange, ehe auch er aus dem Wohnzimmer verschwand und nur ich und Enzo zurückblieben.

"Also ist das Mafia Leben eigentlich recht friedlich", fasste ich seine Worte zusammen, doch seine Mimik wurde plötzlich nachdenklich.

"Für mich schon, aber meine Söhne müssen sich noch beweisen und haben es wirklich nicht leicht in der Welt dort draußen. Erst Recht nicht mit ihrem Nachnamen. Hast du viel erreicht, hast du auch viele Neider und umso mehr Neider, umso mehr Gefahr. Genau deswegen wollte ich, dass Gino jemanden wie dich hat. Jemanden, der auf ihn aufpasst. Es war zwar nicht die feine italienische Art dich zu zwingen, aber so läuft es nunmal bei uns", sprach er ruhig und erhob sich dabei langsam vom Tisch, während ich hinter mir die Haustür hörte.

"Bitte versuch über seine schlechte Seiten hinwegzusehen. Du wirst es nicht bereuen", flüsterte er leise und kurz darauf spürte ich auch schon eine Hand an meiner Schulter, von welcher ich leicht zusammenzuckte.

"Kommst du?", fragte Gino und sofort erhob ich mich, um nach einem Lächeln Richtung Enzo hinter Gino herzulaufen.

Wir verließen schweigend die Villa und nachdem wir in einem schwarzen Porsche Platz nahmen, sah ich nachdenklich zu ihm herüber.

Ich konnte nicht verstehen, dass er mich vor einigen Tagen noch gewaltsam verkaufen wollte und heute so freundlich wirkte. War das wirklich nur wegen der Verlobung, oder würde ich seine schlechte Seite bald wieder zu Gesicht bekommen?

"Alles okay bei dir?", hörte ich ihn in die Stille fragen und bemerkte da erst, dass ich ihn die ganze Zeit gedankenverloren angestarrt hatte.

"Ja", sagte ich sofort und drehte mein Gesicht zum Fenster, um noch ein letztes Mal zur Villa zu blicken, ehe wir durch die Dunkelheit fuhren.

Meine Gedanken trugen mich nun auch zu Enzo, der mir gestern noch gedroht hatte, mich unter die Erde zu bringen sollte ich nein sagen und immer mehr verstand ich, dass Familie bei ihnen alles war. Dadurch, dass ich Ginos Frau werden sollte, waren sie nett und gingen normal mit mir ihm. Sicher wäre das alles anders, wenn Gino mich ablehnen würde. Dann wäre ich wieder eine Hure, die nichts in der Küche zu suchen hätte, wenn ich überhaupt noch leben würde.

Ich verstrickte mich immer weiter in diesem Chaos in meinem Kopf und bekam daraufhin auch panische Angst, dass das alles mit Dario rauskommen würde. Dann wäre es vorbei, denn er hatte sicher nicht vor mich zu heiraten. Wieso sollte er auch? Er hatte eine bildschöne Frau an seiner Seite und trotzdem schlief er mit mir.

"Das ergibt alles keinen Sinn!", regte ich mich auf und riss ungläubig meine Augen auf, als mir bewusst wurde, dass ich es laut gesagt hatte.

"Was meinst du?", wollte Gino sofort wissen und ich schüttelte meinen Kopf, während ich mich nervös zu ihm herumdrehte.

"Ich hab nur laut gedacht. Nichts wichtiges", plapperte ich, doch er ließ nicht locker.

"Sag schon", forderte er und sah flüchtig zu mir herüber, wodurch ich mir schnell irgendwas idiotisches einfallen lassen ließ.

"Naja, wenn man bedenkt, dass Zeit relativ ist, dann ist ja für jeden jeder Moment anders lang. Also für mich kann eine Stunde sich anfühlen wie 5 Minuten, aber du empfindest sie als ganzen Tag", haspelte ich und bekam von ihm einen Blick zugeworfen, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

"Ich verstehe", meinte er nur und ich sah ihn fragend an.

"Wirklich?"

"Ja", lachte er und bog auf den Parkplatz des Clubs ein. "Dieses Gespräch hat ein paar Sekunden gedauert und ich fühle mich als wäre ich Jahre gealtert. Am besten erledigst du drinnen das, wofür ich dich mitgenommen habe und hälst ansonsten den Mund."

Charmant wie immer!

Ich warf ihm einen mahnenden Blick zu, doch er ignorierte mich gekonnt und stieg aus dem Wagen, was ich ihm dann gleichtat.

Hätte ich nur auf ihn gehört ...

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Those blue eyes Where stories live. Discover now