22 | Piccola Anatra

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Da im Ferrari leider nicht genug Platz war, stopften wir alles irgendwie in meinen Fußraum und auf meinen Schoß. Die gesamte Rückfahrt über sprach Gino über die Freisprechanlage im Auto mit irgendwelchen Kunden aus seinem Club, was mir Zeit gab etwas zu entspannen.

Ich hörte nur nebenher zu, während ich aus dem Fenster schaute und bekam unter anderem mit, dass manche Mädchen mehr Geld verlangten, als ihnen zustand und wieder andere sich bei gewissen sexuellen Handlungen weigerten, was mir irgendwie ganz komisch auf den Magen schlug. Mein Verlobter hatte zwar heute wohl ausnahmsweise Mal einen guten Tag, aber er war trotzdem irgendwie eine Art Zuhälter und sprach selbst auch in den schlimmsten Tönen über diese Frauen, wobei er sich immer Mal wieder laut aufregte und ich mir dadurch nervös auf meine Unterlippe biss.

Als ich nach einer Weile des Nachdenkens dann endlich die Villa am Ende der Straße sah, freute ich mich schon darauf, duschen zu gehen und mich umzuziehen, doch meine Vorfreude wurde mir schnell wieder genommen.

"Du wirst mich heute auf die Arbeit begleiten", kam es von Gino, dem ich sofort daraufhin einen fragenden Blick zuwarf.

"Wieso?", wollte ich wissen und hatte schon Angst, er wollte mich wieder zu etwas zwingen, doch er schien eher meine Hilfe zu brauchen.

"Weil ich mit Frauen nicht gut umgehen kann. Erst Recht nicht, wenn sie kindisch und zickig sind und einfach nicht das tun, was ich verlange. Ich hab gar nicht genug Kugeln in meiner Pistole, so wütend bin ich und hatte auch eigentlich nicht vor, ein Blutbad anzurichten. Rede mit ihnen und sprech ihnen zu, verstanden?"

Er lehnte zu mir herüber und sah mich mit seinen dunklen Augen abwartend an, während er sich durch seine schwarzen Haare fuhr.

"Ich kann es versuchen", gab ich ihm zurück und dachte innerlich zerissen darüber nach, dass ich wohl die letzte Person war, die Mädchen zu so etwas überreden sollte. Doch noch weniger wollte ich, dass Gino ihnen etwas antun würde. Ich wusste ja mittlerweile zu gut, wie schnell seine Launen umschlagen konnten. Das wollte ich anderen nicht zumuten.

Er nickte zufrieden und stieg aus dem Wagen, um um diesen herumzulaufen und mir meine Tür zu öffnen. Vorsichtig griff er nach den Tüten und hob diese heraus, sodass ich anschließend auch aufstehen konnte und mich erstmal kurz streckte. Ferraris waren wirklich schön anzusehen, aber gemütlich waren sie nicht gerade. Vor allem nicht mit mehreren Tüten auf dem Schoß.

"Ich habe dich schon überall gesucht!", ertönte Enzos laute Stimme, der aus der Villa herausgelaufen kam und sich gerade vor uns eine Zigarre anmachen wollte.

"Non le piacciono le sigarette, Padre (Sie mag keine Zigaretten, Papa)", meinte Gino mit fester Stimme und erntete dafür einen vollkommen verwirrten Blick von seinem Vater, der mich flüchtig ansah und die Zigarre weiter weg hielt, ehe er sich wieder Gino zuwandte.

"Wie auch immer. Nunzio ist schon unterwegs und braucht unbedingt deine Hilfe. Fahr bitte los und ruf ihn an", befahl Enzo und nachdem Gino ihm zunickte, drückte er ihm die ganzen Tüten gegen die Brust und wandte sich noch flüchtig zu mir.

"Bis später, piccola anatra." (kleine Ente)

Er kniff mir einmal in meine Wange und lief schnellen Schrittes zurück zu dem Ferrari, wobei ich ihm noch nachdenklich nachschaute und das Laute aufheulen des Motors hörte.

"Ich wusste, dass ihr gut zurechtkommen würdet. Er braucht eine leitende Hand", lenkte Enzo meine Aufmerksamkeit wieder auf sich und hatte anscheinend keine Ahnung davon, was hier letzte Nacht vor sich ging. Vielleicht auch besser so.

"Si", nickte ich und nahm ihm die vielen Tüten wieder ab, um alleine in die Villa zu laufen, wo mir sofort die angenehm kühle Luft entgegenwehte.

Ich lief die Treppen nach oben, betrat mein Zimmer und legte zuerst alle Tüten auf das große Bett, um anschließend hinter mir den Schrank zu öffnen, wo ich mir versuchte Platz zu schaffen, was mir nicht so ganz gelang.

Gino hatte wirklich sehr viele Klamotten, wovon die meisten schwarz, weiß und rot waren, was irgendwie gut zu ihm passte.

"Signorina Mancini", klopfte es plötzlich an der Tür und erst nach einem flüchtigen Moment, wurde mir klar, dass ich damit gemeint war, was mir wirklich fremd vorkam.

"Komm rein!"

Es war das Dienstmädchen von gestern, die mir schüchtern entgegensah und sich anschließend räusperte.

"Ich soll einige neue Kleidungsstücke waschen", ließ sie mich wissen und ich zeigte kurz auf das Bett hinter mir, während ich immer noch damit beschäftigt war, Ginos Anzüge ordentlich zu verstauen.

Sie schlich an mir vorbei, nahm sich die Tüten zur Hand und verschwand mit ihnen genauso schnell wie sie gekommen war, was ich nicht weiter beachtete, bis mir einfiel, dass ich nun wieder überhaupt nichts zum Anziehen hatte, außer dem, was ich am Körper trug.

"Verdammt", murmelte ich und sah mir dabei ein weißes Hemd von Gino an, dass immer noch besser aussah als das Shirt, dass ich anhatte. Ich nahm es mir und zog noch eine seiner schwarzen Stoffhosen aus dem Schrank, um eilig im Badezimmer zu verschwinden.

Ich zog mich aus, ließ mir beim Duschen Zeit und stieg dann sauber und rein wieder aus der Kabine, wo mein Blick sofort auf die Krawatte fiel, die ich mitgehen lassen hatte. Es reizte mich und ich hatte schon lange nicht mehr solche Freude an etwas. Das letzte Mal war es die teure Uhr, die vermutlich mittlerweile schon von Filippo gefunden und verkauft wurde.

Nackt stand ich da und hob die Krawatte auf, um sie längere Zeit zu betrachten. Meine Gedanken flogen zu Dario und zu der Vorstellung, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn er mich mit diesem Stück Stoff beherrschen würde, doch ich verwarf diese Gedanken schnell wieder und trocknete mich mit einem Handtuch ab, um dann Hemd und Stoffhose von Gino anzuziehen.

Mit einem Blick in den Spiegel bemerkte ich sofort, dass er um einiges größer war als ich, doch ich ließ mich davon nicht beirren. Gino hatte immerhin irgendwie Recht. Was interessierte es mich, was eine Person wie Giovanna von mir dachte...

Ich rückte das Hemd zurecht, krempelte die Arme etwas hoch und nahm anschließend noch die Krawatte zur Hand, um zurück ins Zimmer zu schleichen.

Die Krawatte stopfte ich schnell hinter den Schrank, in der Hoffnung, sie würde dort erstmal nicht gefunden werden, um mir danach noch einen Gürtel von Gino zu nehmen, mit dem ich die zu große Hose an meinen Körper presste, sodass diese wenigstens nicht mehr rutschte.

"So", sagte ich dann zu mir selbst und sah mich gelangweilt im Zimmer um, ohne wirklich zu wissen, was ich nun tun sollte...

Doch zu meiner Überraschung, blieb die Zeit alleine nicht allzu lange...

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Those blue eyes Where stories live. Discover now