56 | Erste Male vergisst man nie

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"Fuck, ich war in meinem Leben noch nie so stolz!", hörte ich Gino neben mir, doch ich konnte meinen panischen Blick nicht von dem Typen nehmen, dem ich gerade ausversehen in seine Eier geschossen hatte.

Ich stand wie unter Schock, hörte nur noch das Nachhallen des Schusses und mein eigenes Herz, das so wild schlug, dass ich davon beinahe ohnmächtig geworden wäre.

Während der Typ vor meinen Augen in sich zusammenklappte, dabei seine Hände auf seinen blutenden Schritt drückte und laut herumfluchte, bemerkte ich nur wie benommen, dass Gino seine warmen Hände ganz vorsichtig um meine legte.

Ich zuckte von seiner Berührung kurz zusammen, sah durch meinen Tränenschleier hindurch in seine dunklen Augen und spürte dabei, wie er mir ganz langsam und behutsam die Waffe aus meinen zitternden Händen nahm.

Erst, als er sie gesichert und weggesteckt hatte, nahm er mein Gesicht in seine Hände und sah mir tief in meine Augen.

"Alles ist gut. Der Bastard hat's nicht anders verdient", flüsterte er beruhigend und hinter ihm sah ich plötzlich mehrere Menschen den Gang entlangkommen, die allesamt an uns vorbei zum Ausgang rannten. Keiner blieb länger als nötig stehen... keiner sagte etwas und vollkommen überfordert wollte ich mich in Ginos Arme flüchten, der mich aber plötzlich auf Abstand hielt.

"Ibo bringt dich nach Hause. Ich komme nach", erklärte er und entfernte dazu noch seine Hände von meinem Gesicht, doch ich griff sofort nach seinem Arm und dachte überhaupt nicht daran, jetzt von ihm getrennt zu werden. Zum ersten Mal in meinem Leben, hatte ich jemandem wirklich Schaden zugefügt... Zum ersten Mal, hatte ich eine Waffe benutzt... Jetzt war sicher nicht der passende Zeitpunkt dazu, mich alleine mit meinen Gefühlen zu lassen.

"Ich bleibe bei dir!", protestierte ich sofort lautstark und wurde fast noch von einigen halbnackten Frauen umgerannt, die mit panischen Gesichtsausdrücken an uns vorbeihuschten.

"Nein!", meinte Gino nur streng und sah dabei zu dem vor Schmerz stöhnenden Typ herunter, den ich nur flüchtig betrachtete, da mir allein von dem Geruch seines Blutes leicht übel wurde.

"Doch!", erklärte ich, als ich meinen Blick wieder auf Gino gerichtet hatte, doch er antwortete mir nicht mehr, sondern holte in aller Ruhe sein Handy und seine Zigaretten aus seiner Hosentasche.

"Gino? Ich-"

Als ich plötzlich spürte, dass jemand meinen Arm umfasste, drehte ich mich erschrocken herum und sah dem Türsteher Ibo direkt in die Augen, der mich mit sich ziehen wollte, doch ich entriss mich ihm sofort wieder, um entschlossen auf Gino zuzugehen.

Erneut umgriff Ibo meinen Arm und dieses Mal, war sein Griff so stark, dass ich mich nicht mehr befreien konnte und wild um mich schlug. Ich verstand nicht, wieso Gino mich jetzt alleine lassen wollte! Verstand nicht, was er vorhatte! Und am wenigsten verstand ich, was ich überhaupt getan hatte. War er sauer auf mich?

Enttäuscht?

Schockiert?
Oder doch wirklich Stolz?

"Anatra", wandte Gino sich dann doch endlich wieder zu mir und ich atmete so heftig, dass ich mich erst wieder beruhigte, als er mich lächelnd ansah. "Warte zu Hause, amore mio. Das, was nach so etwas folgt, willst du nicht sehen."

"Was folgt denn?!"

Er nickte dem Türsteher hinter mir zu, der mich plötzlich einfach mit sich zog und damit nicht zuließ, dass ich auf eine Antwort von Gino hoffen konnte, also stellte ich stattdessen ihm meine Fragen, die aufgewühlt wie Wellen durch meinen Verstand rauschten.

"Was meinte er damit? Was hat er denn mit dem Typen vor?", wollte ich aufgelöst wissen und sah fragend zu ihm auf, doch er gab mir ebenfalls keine Antworten, sondern zog mich weiter mit sich, bis wir an der breiten Doppeltür des Eingangs ankamen, wo vorher noch alle Leute herausgeflüchtet waren.

Those blue eyes Where stories live. Discover now