Kapitel 70

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Unglücklicherweise war er nicht so ausgelaugt wie der zweite Todesser, den ich ausgeschaltet hatte. Sein Kampfstil schien aggressiv, schnell und wütend. Er blieb nicht länger als ein paar Sekunden auf der selben Stelle, also nutze er den Platz von dem er wusste, dass ich ihn nicht hatte.
Die Frau begriff seinen Plan und fing auch an, sich mehr zu bewegen, was Marls und mich dazu zwang, uns voneinander wegzubewegen. Ich konnte sie kaum noch sehen, weil ihr Duell diagonal hinter mir stattfand. Wir kämpften weder Rücken an Rücken noch nebeneinander, wie wir es gewohnt waren.

Mir gefiel diese Wende nicht. Marls und ich waren nun beide verwundbarer dadurch, dass wir mehr Platz boten, um getroffen zu werden. Darüber hinaus wurden wir müde - wir hatten vor ihnen vier andere Todesser bekämpfen müssen, und das hatte uns natürlich Energie gekostet.

Ich spannte wieder meinen Kiefer an, fest entschlossen diesen blöden Kampf endlich zu beenden, als der Todesser mich völlig unvorbereitet erwischte, genau in dem Moment, in dem ich mein Schild heraufbeschwor.

Er schoss nicht auf mich.
Er schoss auf Marlene.

Sie konnte es nicht sehen, da sie noch völlig damit beschäftigt war, sich mit der anderen maskierten Gestalt zu duellieren.

Alles um mich herum schien langsamer zu werden, obgleich ich schnell handeln musste. Noch bevor ich überhaupt verarbeitet hatte, was ich da tat, hechtete ich zur Seite und warf mich vor Marlene.

Die unnatürlich weiße Farbe des Blitzes, der auf uns zukam, verwirrte mich, da ich noch nie zuvor einen solchen Fluch gesehen hatte. Nicht im Auroren-Unterricht und auch nicht auf Ordensmissionen.

Ich wusste, dass nicht alle Flüche von Schildzaubern abgewehrt werden konnten, und ich wollte mein Glück nicht herausfordern und riskieren, dass der Fluch mein gewöhnliches Protego durchdrang, also hetzte ich ein Expelliarmus auf den Blitz zu, um den Fluch zu dem Todesser zurückprallen zu lassen, der ihn geschickt hatte.

Aber weil ich mich schnell bewegte, um vor Marlene zu springen, verfehlte ich.

Meine Augen weiteten sich in Schock als ich beobachtete, wie der weiße Blitz am roten vorbeizischte, unter meinem ausgestreckten Arm entlangflog und mich am Bauch traf.

Es war, als wäre alle Luft aus mir geschlagen worden, als mich ein unerträglicher Schmerz überkam.
Meine Innereien brannten. Ich sah nur noch wie mein Fluch dem Todesser den Zauberstab aus der Hand schlug, bevor ich meinen eigenen Zauberstab fallen ließ und meine Hände auf meinen Bauch presste.

Scharlachrote Flüssigkeit rannte zwischen meinen Fingern hervor, lief langsam über meine Hand und tropfte auf den Boden.
Ich wollte vor Schmerzen schreien, doch bis auf ein Schnappen nach Luft kam nichts über meine Lippen.

Ich versuchte, all die Schmerzen zu ignorieren und übte stattdessen Druck auf die Wunde aus, in dem Versuch, die Blutung zu stoppen. Doch dann bemerkte ich, dass das Blut nicht nur von meiner Magengegend kam. Es waren auch tiefe Schnitte an meinen Armen.
Auch an meinen Hüften. Meine Schultern brannten ebenfalls vor Schmerzen, und das Blut strömte selbst von meiner Brust aus über meine Hände. Etwas lief mir über die Wangen und die Stirn, wobei etwas von der Flüssigkeit in meinen Wimpern hängenblieb.

Ich sackte zusammen wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hätte.
Das schockierte 'Freya' von Marlene klang dumpf, als wäre eine dicke Wasserwand zwischen uns.
Ich fing an zu zittern, immer noch versuchend, das Blut daran zu hindern, meinen Körper zu verlassen, doch es war sinnlos.
Es war überall. Es waren viel zu viele Schnitte. Ich hatte keine Chance, die Blutungen zu stoppen.

Meine Brust tat weh; jeder Atemzug schmerzte, als ich wieder und wieder Sauerstoff in meine Lunge zwang.

Merlin, alles tat so weh.

Ich musste es bekämpfen. Ich musste Marlene von Regulus' Geheimnis erzählen, bevor ich es nichtmehr konnte.
In großen Schmerzen öffnete ich meinen Mund, aber wieder entfuhr mir kein Laut. Mein Mund fühlte sich unvorstellbar trocken an, was es unmöglich machte, meine Zunge auch nur zu bewegen.

Ausschließlich gedämpfte Geräusche erreichten meine Ohren und meine Sicht war vor lauter Tränen verschwommen, doch ich glaubte zu sehen, dass der Todesser, mit dem ich gekämpft hatte, wegrannte, wobei er von ein paar Flüchen von Marlene verfolgt (aber verfehlt) wurde. Sie schaffte es nur, Flüche in seine grobe Richtung zu feuern, weil sie ja noch immer damit beschäftigt war, dem  Todesser vor ihr standzuhalten.
Der andere Todesser war nun lange weg.

Mein Körper tat nicht mehr weh. Meine Glieder fühlten sich taub an, obwohl ich noch immer unkontrollierbar zitterte.

Bleib wach.

Nach etwas Zeit, die sich anfühlte wie eine Ewigkeit, sah ich den weiblichen Todesser fallen, und Marlene vergeudete keine Sekunde, als sie sich neben mir auf die Knie fallen ließ.

Meine tauben Hände rutschten von meinem Bauch herunter.

Bleib wach... Erzähl... Marlene.

Marlenes Kleidung war sofort von Blut durchtränkt. Sie sah an mir hoch und runter und drückte eine Hand auf eine der vielen Wunden, die andere hielt immer noch ihren Zauberstab.

"Freya, oh mein Merlin, halte durch, ich hole Hilfe!" Ihre Stimme hörte sich seltsam weit entfernt an.

Schwarze Flecken erschienen in meinem Sichtfeld, aber ich sah dennoch, wie Marlene rote Funken in den Himmel schoss, bevor sie ihren Zauberstab auf mich richtete. Dann konnte ich die Dunkelheit, die immer größer wurde, nicht mehr stoppen. Meine Augen fielen langsam zu.

"Nein! Freya, bleib wach, sieh mich an! Ich hole Hilfe! Wir werden dich heilen!" Marlenes Stimme brach. Sie weinte.
"Bleib wach! Alles wird gut!"

Ich begann, meinen Herzschlag in meinen Ohren zu hören; jedes andere Geräusch wurde verdrängt. Da gab es nur das Pumpen, das mit jeder Sekunde langsamer und schwächer wurde.

Eins...


Zwei...


Ich erzwang einen letzten, zittrigen und schwachen Atemzug. Ich wusste, dass mir die Kraft für einen weiteren fehlen würde.

Drei...

Ihr wisst doch wie man sagt, dass man sein Leben ein letztes Mal an einem vorbeiziehen sieht, wenn man stirbt?

Ich habe zwar nicht mein Leben selbst an mir vorbeiziehen sehen, doch ich sah die Person, die geschafft hatte, es zu verändern. Zum Besseren und zum Schlechteren.
Während er mich nie so geliebt hatte, wie ich ihn liebte, und während er die Person war, die es schaffte, mich so zu verletzen wie kein Anderer es konnte, so war er noch immer das Beste, das mir je passiert war.

Ich sah den Moment meines Lebens, ab dem ich angefangen hatte mich tatsächlich lebendig zu fühlen. Sirius begleitete mich zum Ravenclaw Gemeinschaftsraum zurück, an dem Abend, nachdem wir zusammen Quidditch gespielt hatten. Er lächelte mich an, und sogar jetzt ließ mich seine Anwesenheit besser fühlen.
Ich wollte meinen Arm ausstrecken und ihn erreichen, ihn endlich küssen und ihm sagen, dass ich ihn liebte, obwohl das hier nur meine Einbildung war - doch ich konnte mich nicht bewegen.

Das Bild veränderte sich und ich war auf dem Elton John Konzert, mit Marlene in den Armen hin und her wippend. Ich war hysterisch am lachen, voller Adrenalin und gerührt davon, dass sie mich offiziell zu ihrer besten Freundin ernannt hatte.

Vier...

Der letzte Gedanke, der durch meinen Kopf schoss, war dass ich Marlenes Leben gerettet hatte.
Ich hatte das Leben meiner besten Freundin gerettet, und ich hatte das Mädchen gerettet, das die Liebe meines Lebens mehr liebte als alles andere.

Ich hatte sichergestellt, dass die beiden für den Rest ihres Lebens zusammen sein konnten, und die Chance auf ein Happy End hatten. Ich hatte mich geopfert, damit beide von ihnen lebten; damit Sirius mit Marlene glücklich sein konnte.
Und ist das nicht letztendlich das, was Liebe bedeutet?

Wisst ihr was? Das war in Ordnung für mich.








Love You In My Mind// Sirius Black FF (Deutsch) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt