72 》Veni

1.5K 103 14
                                    

Donnerstag, 17. September 2015

Ich rannte förmlich zu dem Zimmer. Ein Grinsen zierte mein Gesicht. Tobi war wach. Er lebte. Er war wach. Er war wieder bei mir. Ich rannte die Treppen ins vierte Stockwerk hoch. Stockwerk 4, Station 4, Intensivstation. Zimmer 400, Zimmer 401, Zimmer 402, Zimmer 403 ... Endlich Zimmer 404. Ich hob meine Hand zum Klopfen, doch ich stoppte kurz bevor ich klopfen konnte. Wollte er mich überhaupt sehen? Immerhin war ich der Grund, wieso er im Krankenhaus lag. War er sauer? Was für eine dumme Frage, natürlich war er sauer. Er wird mich hassen. Es war meine Schuld. Meine Schuld, ganz allein. Verunsichert sah ich die Tür vor mir an. Tränen schimmerten in meinen Augen. Ich bin ein verdammter Idiot.

„Entschuldigen Sie, aber ich müsste da kurz rein", meinte eine Krankenschwester. Ich rutschte zur Seite. Die Krankenschwester sah mich kurz an. „Wieso haben sie so Angst zu klopfen? Sie stehen da schon locker 10 Minuten." Eine einzelne Träne rann über mein Gesicht. „Weil ich Angst habe, dass er mich hast." „Ach, kommen Sie." „Es ist so." „Sind Sie irgendwie verwandt mit ihm und haben so eine Angst, weil sie irgendetwas falsch gemacht haben, dass er sie abweist?", fragte die Krankenschwester weiter nach. „Nein, ich bin sein bester Freund." „Rafael?" Verwirrt sah ich die Krankenschwester an. „Er hat nach ihnen mehrmals gefragt und hat mir etwas gegeben, was ich wegschicken sollte." „Kann ich das haben?" „Na klar. Ich geh kurz zu ihm rein und dann hole ich es Ihnen." Mit diesen Worten verschwand die Krankenschwester in dem Krankenzimmer von Tobi.

„Ein Brief?", fragte ich verwirrt, als mir die Stationsschwester einen Umschlag in die Hand drückte. Sie nickte nur. „Übrigens ist Zimmer 404 auch die junge Dame nach der ihr Kumpel unten am Eingang gefragt hat", meinte sie grinsend und verschwand dann. Junge Dame? Ach, sie meint Laura. Okay, das war schon mal hilfreich, so würde ich Eskay und Max später wieder finden. Ich setzte mich vor dem Stationsbüro auf einen der unbequemen Plastikstühle und öffnete langsam den Brief. Ich achtete besonders darauf, ihn nicht zu beschädigen. Immerhin könnte dies vielleicht das letzte sein, was mir für immer von meiner und Tobis Freundschaft blieb. Als der Brief entfaltet war, begann ich zu lesen:

Lieber Rafael,
ich weiß, dass du es hasst, wenn man dich so nennt, aber das war mir schon immer relativ schnuppe und das wird es auch bleiben :D
Ich weiß, was passiert ist. Ich weiß, dass es nicht deine Absicht war, immerhin warst du betrunken. Ich weiß auch, dass du immense Schuldgefühle hast und die dich fast umbringen. Aber ich muss dir sagen, dass du die nicht brauchst. Nein, warte eigentlich schon.
Nicht, weil ich wegen dir im Krankenhaus liege, sondern weil du mich nicht besuchst. Wieso hast du so Angst?
Rafi, du bist mir unendlich wichtig. Ich brauche dich. Mir geht es beschissen. Nicht, weil ich hier drin liege, sondern weil ich weiß, dass dich Schuldgefühle zerfressen und das tut mir genauso weh wie du.
Sogar Stegi war hier. Mit Tim. Wieso du nicht? Ich weiß nicht wo du steckst. Oder ob die von der Station den Brief überhaupt wegschicken. Aber die Schwester scheint mir nett und hat versprochen sich darum zu kümmern. Aber, das ist unwichtig, denn darum soll es in dem Brief nicht gehen. Es soll um uns gehen. Um #Venation. Um dich, Venicraft, und mich, Tobination.
Denn auch, wenn du einen folgenschweren Fehler begangen hast, brauche ich dich. Mehr denn je. Du weißt, dass ich niemanden habe. Meine Eltern sind tot und jetzt mal ehrlich. In 'nem fucking Rollstuhl kann ich nicht alleine zurechtkommen. Zu mindestens am Anfang. Ja, richtig, gelesen, ich bin ab sofort an einen Rollstuhl gebunden.
Aber, dass ändert nichts an der Tatsache, dass ich dich jetzt hier gerne bei mir haben würde.
Also, bitte, wenn du das lesen solltest, komm nach Köln.
Tobi

ER SITZT IM ROLLSTUHL!! ER SITZT VERDAMMT NOCHMAL WEGEN MIR IM ROLLSTUHL!!! Ich bin Schuld, dass die Beine meines besten Freundes gelähmt sind. Was bin ich für ein Freund? Tränen begannen mir heillos über die Wange zu laufen. Ich sprang von dem unbequemen Stuhl auf und rannte so schnell ich konnte zu Zimmer 404. Ich rieß die Tür auf. Alle Insassen sahen mich geschockt an. Luca, Eskay, Max und vorallem mein bester Freund. Tobi. „Tobi", rief ich auf und rannte zu seinem Bett und warf mich schluchzend in seine Arme. „Du hast den Brief gelesen?", flüsterte er und schloss mich in seine Arme. Ich nickte. „Es tut mir so leid", weinte ich gegen seine Brust. „Alles gut." Ich hörte wie Stühle zurück geschoben wurden und die Tür sich öffnete und schloss. „Nein, du bist wegen mir verdammt nochmal im Rollstuhl." „Veni, ich bin nicht für immer an einen Rollstuhl gebunden. Meine Beine sind nur gebrochen." Beruhigend strich Tobi mir über die Haare. „Es tut mir so leid. So so so leid. Ich bin ein Idiot. Ich hätte besser aufpassen sollen. Ich hätte auf dich hören sollen. Ich hätte nicht so viel trinken sollen. Ich hätte dich nicht auf die Straße schubsen dürfen. Ich hätte mich nicht betrinken dürfen. Es war mein Fehler. Mein Fehler. Ich war so dumm. Ich habe dich verletzt. Meinen besten Freund. Den Menschen, der mir so unendlich wichtig ist", weinte ich weiter. „Rafael, sieh mich an", flüsterte Tobi in mein Ohr. Langsam hob ich meinen Kopf von seiner Brust. „Ich bin dir nicht böse. Du weißt, dass du mir auch unendlich wichtig bist." Seine Hand wanderte von meinen Haaren zu meiner Wange. Dort strich er mir über diese. Somit strich er die Tränen weg. Ich sah in seine Augen. Sie waren so wunderschön. Ich versank in ihnen.

Ein Türklopfen rieß uns aus unserer Zweisamkeit. Ich wich von Tobi zurück. Ein dunkelhaariger Junge betrat den Raum und ging auf das Bett von Laura zu. Wortlos nahm er ihre Hand und weinte leise. Kurz darauf betrat auch Max das Zimmer. „Jutt, das sind Tobi und Rafi", sagte Max zu dem weinenden Jungen. Ein leises „Hallo" verließ Jutts Mund. Wir erwiderten das „Hallo". Max zwinkerte mir und Tobi zu. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Der Bruder meiner besten FreundinWhere stories live. Discover now