⊶3⊷

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Taehyung Pov

Seine Beine zittern als er sich auf rappelt, dabei allerdings nicht seinen Griff um meine Oberarme lockert. Er hat den Blick gesenkt und jede Bemühung ihm in die Augen zu sehen um herauszufinden ob die plötzliche Veränderung nur eine Einbildung, vielleicht sogar eine Täuschung der bunten Lichter in der Nacht war, ist vergebens, denn er vermeidet es mir in die Augen sehen zu müssen, als verberge er ein Geheimnis darin, das ich auf keinen Fall erfahren darf.

"Das war verdammt knapp. Haben Sie sich irgendwo verletzt?", frage ich und suche seinen Körper Oberflächlich nach Verletzungen ab, während er scheinbar versucht das Zittern unter Kontrolle zu bringen. Irgendwann gibt er es allerdings auf, lässt mich und damit seine einzige Stütze los und sinkt auf den harten und nassen Boden.

"Ich sollte besser einen Krankenwagen rufen", sage ich, als ich keine Antwort bekomme und krame das Handy, trotz des immer stärker werdenden Regens, aus meiner Hosentasche. Bevor ich allerdings überhaupt dazu komme den Versuch zu starten das Teil anzuschmeißen, klammert er sich an meinen Unterarm und sieht zu mir hinauf.

Ich vergesse, was ich im Begriff war zu tun, denn jetzt ist es mir doch erlaubt in seine Augen zu sehen und festzustellen, dass es sich ganz und gar nicht um einen Irrtum handelte. Das war keine Einbildung, verursacht durch die Zusammenarbeit der vielen Lichter und meiner Müdigkeit, ich habe richtig gesehen. Da ist ein glänzen in seinen Augen, das selbst das Spektakel des Regenbogenwasserspieles in den Schatten stellt.

Das ist doch nicht möglich. Für viele mag es sich dumm anhören, aber ich verstehe es nicht, für mich ergibt es keinen Sinn wie die Augen, die so farblos und fast schon tot gewirkt haben jetzt, nur wenige Minuten später, ein solches Glänzen in sich tragen können. Das sind nicht die Augen von dem Menschen, der so ruhig über das sterben geredet hat, als sei es das schönste der Welt. Das hier sind die Augen von jemandem, der Leben möchte, um jeden Preis.

"Bitte rufen Sie keinen Krankenwagen, mir geht es gut. Wirklich." Er schenkt mir ein schwaches Lächeln, als wolle er damit seine Worte untermalen und mich dazu bringen ihnen glauben zu schenken, aber das tue ich nicht. Ich weiß, wie gut manche Menschen lügen können, aber ihre Augen können es nicht und seine sagen mir gerade ganz klar, dass es bei der Rettung, um die er mich vorhin gebeten hat, nicht bloß um diese Sache hier geht.

"Ich glaube wohl kaum, dass es jemandem, der gerade bereit war von der Brücke zu springen, gut geht. Sie brauchen Hilfe."

Vielleicht habe ich nicht das Recht, einen Krankenwagen zu rufen wenn er das nicht will, aber obwohl es sein Leben ist und seine Entscheidung was er damit macht, könnte ich es niemals mit meinem Gewissen vereinbaren ihn hier einfach sitzen zu lassen und damit zu riskieren das er es, nachdem ich ihm den Rücken zu drehe, ein weiteres Mal versucht.

Erneut wird mir aber die Chance genommen mich richtig um das Handy zu kümmern und vielleicht den letzten Prozent für einen Anruf zu nutzen. Mitten auf der Brücke, ohne Acht darauf zu geben, dass sich andere, wenn auch um diese Uhrzeit nicht gerade viele, Autos hier aufhalten, denen der Weg dadurch versperrt wird, hält direkt vor uns ein schwarzer Wagen an.

Verwirrt drehe ich mich um und sehe gerade noch wie der Mann, der auf der Fahrerseite aussteigt, auf uns zu gerannt kommt, oder viel eher direkt auf den Mann, der neben mir auf dem Boden hockt.

"Mr. Jeon!", ruft er und geht direkt vor ihm ihn die Hocke. "Was ist passiert? Der Alarm hat angeschlagen, ich habe mich sofort auf den Weg gemacht. Sind Sie verletzt? Ist irgendetwas schlimmes geschehen?"

"Es ist alles in Ordnung", antwortet der Mann, der anscheinend mit Nachnamen Jeon heißt, dem aufgewühlten anderen Mann. Das alles kommt mir vor wie ein verrückter Traum und um ehrlich zu sein frage ich mich gerade ob in diesem einen Cocktail, den ich in dem Club getrunken habe, irgendwelche Drogen drin waren oder ob dieser Mann, der hier vor Jeon im Pyjama und einer Schlafmaske um seinen Hals hockt, tatsächlich real ist.

"Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause." Er hilft ihm hinauf und schafft es ihn, trotz der wackeligen Beine, ins Auto zu schleppen, doch statt zurück zu mir zu kommen, mir die ganze Situation zu erklären oder mir wenigstens zu Danken für was auch immer ich hier gerade getan habe, steigt der Mann im Pyjama wieder vorne ein und düst los.

Fünf Sekunden nach seinem verschwinden stehe ich immer noch da und starre dem schwarzen Auto hinterher, mit der Frage im Kopf, warum ich nichts anderes getan habe als die beiden zu beobachten. In den Augen eines Fremdes, der ich ohne Zweifel bin, sahen die beiden aus wie eine Mutter und ihr Sohn, allerdings ist das unmöglich, weil der Mann im Pyjama erstens ein Mann ist und zweitens zu jung um einen Sohn in seinem Alter zu haben.

Es ist ziemlich spät, sogar meine Gedanken sind vollkommener Mist. Ich vergrabe die Hände in den Taschen meines Hoodies und beschließe eine Nacht darüber zu schlafen. Wer weiß, vielleicht sieht das ganze morgen etwas anders aus. Aber gerade als ich einen Schritt nach vorne mache, fällt mir etwas auf dem Boden auf, etwas was die bunten Farben der Lichter reflektiert und im Mondschein glänzt.

Ich bücke mich, nehme das nasse Metallteil zwischen meinen Zeigefinger und den Daumen und halte ihn nach oben direkt vor den Mond, um in seinem Licht zu erkennen was es ist. Die erste Erkenntnis, die ich treffe: es gehört nicht mir. Es kann sonst irgendwem gehören, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht da lag, bevor sich Jeon auf den Boden hat fallen lassen. Es muss also ihm gehören.

Obwohl er etwas mitgenommen und nicht wirklich schön aussieht, streife ich mir den silbernen Ring über den Mittelfinger, denn auf die anderen Finger passt er nicht. Vielleicht ist es nicht richtig ihn einfach mit zu nehmen, aber wenn ich es nicht tue, wird er von den Menschen am nächsten Morgen weg getreten und landet vielleicht unten in Fluss. Besser jemand nimmt ihn mit als das er einfach verschwindet.

Außerdem ist es das einzige, was mir die Tatsache, dass es genau Mitternacht ist und ich damit alleine in das neue Jahr starte, etwas erträglicher macht.

Faces |Vkook|Where stories live. Discover now