⊶50⊷

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Taehyung Pov

Ohne irgendein Anzeichen dafür das etwas nicht stimmt, fallen Jungkooks Augen zu und er sackt schlaff gegen das Sofa, an das er sich bis eben gelehnt hat. Sofort schrillen alle meine Alarmglocken, die verschiedensten Gedanken schießen mir durch den Kopf und mein ganzer Körper versteift sich.

Ich schmeiße die Tagebücher zur Seite, gehe vor ihm auf die Knie und nehme sein Gesicht vorsichtig in die Hände. Seine Lippen sind einen Spalt breit geöffnet und von seinen Augen, die er jetzt wieder geöffnet hat, sieht man eine Zeit lang nur das weiße. Sein ganzer Körper fängt an zu zittern, er wimmert vor Schmerz und fängt an um sich zu schlagen, aber ich lasse trotzdem nicht von ihm ab.

Was das zu bedeuten hat weiß ich sofort und dem anfänglichen Schrecken folgt schnell die Erleichterung, aber auch die Angst. Ich dachte irgendetwas würde nicht stimmen, dass es ihm nicht gut geht, aber seine Augen, die sich langsam verändern, das Wimmern und das um sich schlagen sind die typischen Anzeichen für einen Switch, den Wechsel der Persönlichkeiten.

Mir war klar, dass das nicht nur irgendeine Information nebenbei ist, die er aufnehmen würde als hätte ich ihm eben gesagt das seine Hose zerrissen ist, aber ich hätte auch nicht gedacht, dass das ganze ihn so überfordern würde. Die einzige Erklärung für diesen Switch ist nämlich die, dass Jungkook mit der Situation nicht klar kommt und die Verantwortung mit dieser neuen Information umzugehen deswegen einer anderen Persönlichkeit überlässt.

Mit meinen Händen umfasse ich seine Handgelenke und presse sie gegen das Sofa damit er mich nicht weiter schlagen kann. Es dauert eine Weile, ich würde sogar sagen, dass das der längste Switch ist, den er bisher in meiner Gegenwart hatte, aber iregendwann beruhigt er sich, schließt die Augen und öffnet sie eine kurze Zeit später wieder.

Ich wünschte ich könnte mit Sicherheit behaupten wen ich hier vor mir sehe, alleine an den Augen kann man es ja eigentlich erkennen wenn man genau hin guckt, aber gerade bin ich mir überhaupt nicht sicher. Ich habe Angst, immerhin könnte es Hoseok sein, der letzte den ich mir in dieser Situation und überhaupt wünschen würde, denn der wäre sicher nicht sehr amüsiert wenn er herausfinden würde das wir seine Tagebücher gefunden und sogar gelesen haben. Allerdings spricht die Tatsache, dass er nach wie vor ruhig dasitzt während er sich im Raum umschaut, dagegen.

Hoseok wäre wohl bei dem bloßen Anblick aufgesprungen, hätte seine Hände um meinen Hals gelegt und mich zur Rede gestellt, aber das hier ist nicht Hoseok. Erst nach genauerem Hinsehen erkenne ich diese Augen, die jedes kleine Detail in diesem Raum wie ein Puzzle zusammenfügen.

"Namjoon?", frage ich vorsichtig und lasse seine Handgelenke los. Er antwortet mir nicht, ja nicht einmal beachten tut er mich. Alles was er tut ist seinen Blick mit wachsender Fassungslosigkeit durch den Raum wandern lassen und erst nach einer geraumen Zeit trifft er meinen.

"Was hast du getan?" Seine Stimme ist leise, der Ton allerdings ziemlich Vorwurfsvoll. Verwirrt Folge ich seinem Blick, der nach wie vor durch den Raum schweift, dabei allerdings immer wieder auf den verschiedenen Tagebücher verharrt. Kann es sein, dass ich mich geirrt habe und das hier doch Hoseok ist? Mir würde nämlich kein Grund einfallen, warum es Namjoon so aus der Fassung bringen sollte.

"Kein Wunder das ich jetzt hier bin, diese Situation war zu viel für ihn." Er dreht sich zu mir, die Stirn vor Wut gerunzelt und die Hände zu Fäusten geballt. "Ich habe dich gewarnt, Taehyung. Ich habe dir gesagt, dass er die Wahrheit nicht erträgt, dass sie ihn zerstören wird. Das hier ist nur ein winzig kleiner Teil von etwas großem, wenn er damit nicht umgehen kann, dann sei nicht so dumm zu glauben er könnte das mit dem Rest!"

Namjoon und ich sind uns erst ein einziges mal begegnet, aber dieses mal hat gereicht um mich wissen zu lassen, dass Namjoon die Persönlichkeit ist, die sich am meisten auf den Verstand statt auf die Gefühle verlässt und doch spricht hier gerade die Wut aus ihm. Ich hätte niemals damit gerechnet ihn jemals so emotional zu erleben, so besorgt und das obwohl ich dachte er würde Jungkook genauso hassen wie Hoseok und Jin es tun.

Aber Namjoon ist anders. Er weiß wahrscheinlich besser als jeder von den fünf anderen, in was für einer Lage sie sich befinden, macht bei seiner Denkweise allerdings einen Fehler bezüglich Jungkook. Er unterschätzt ihn. "Du magst Recht haben, ja es ist sogar ziemlich wahrscheinlich das er die Wahrheit nicht ertragen wird, aber was soll er sonst tun? Das ist Jungkooks Leben, er hat das Recht darüber bestimmen zu dürfen und wenn es die Wahrheit ist, die er erfahren möchte, dann helfe ich ihm dabei. Ihr habt genug getan, es ist an der Zeit, dass auch er einen Stück der Last trägt."

Meine Worte überraschen mich selber und noch überraschter, ja fast schon fasziniert, bin ich von der eigenen Überzeugung. Ich habe selten an etwas so sehr geglaubt wie an Jungkook in diesem Moment. Es war nicht einfach so daher gesagt, es ist mein voller Ernst, dass ich ihn auf seinem Weg begleiten werde, welchen er auch wählen mag.

Meine Ansprache scheint allerdings nur mir selber klar gemacht zu haben welches Ziel vor Jungkook und mir liegt und das wir es mit allen Mitteln erreichen wollen. Namjoons Gesichtsausdruck hat sich kein Stück verändert, genauso wenig wie der Zweifel in seinen Augen.

"Deine Naivität wird euch beide verletzen, Taehyung. Das Leben ist ein Kampf und die Erde ist das Schlachtfeld, auf dem dieser ausgetragen wird. Es klingt für uns Menschen hart, aber Darwin hatte Recht mit dem was er sagte." Er stützt sich an dem Sofa ab und steht auf während er mich weiterhin ansieht. "Die Starken überleben in dieser Welt und die schwachen werden von ihnen getötet."

Faces |Vkook|Where stories live. Discover now