⊶54⊷

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Jungkook Pov

Ein Zusammentreffen der ganzen Familie wie es heute stattfindet kommt nur äußerst selten zustande. Nicht einmal an Weihnachten versammeln wir uns sowie heute, diesen Tag verbringt jeder von uns lieber mit Menschen, die ihm wirklich was bedeuten. Trotzdem kenne ich meine Eltern bereits gut genug um zu wissen, was der Grund dafür ist das sie mich heute hierher bestellt haben. Viele Gründe kann es ja sowieso nicht geben.

Ich bin wohl kaum hier, weil sie sich Sorgen gemacht oder plötzlich Elterliche Gefühle entwickelt haben, die Firma läuft auch gut, aber der Grund hat trotzdem etwas mit ihr zu tun. Yeongsu ist der ältere von uns beiden und auch wenn es nur zwei Jahre sind die uns trennen, waren diese schon immer spürbar. Er wurde immer wie ein Wunderkind behandelt, wie jemand der später irgendwann die Welt verändern würde während ich ein eher ruhigeres Leben genoss.

Von meinen Eltern wurde ich kaum beachtet, warum auch? Die Firma würde später mein Bruder übernehmen, ich war praktisch unwichtig, aber wirklich interessiert hat mich das nie. Meine Eltern waren nie Menschen deren Liebe ich unbedingt haben wollte. Sie waren lediglich dir Leute, die mich auf diese Welt gebracht haben. Was ich mit dem Leben anstelle, das sie mir zur Verfügung gestellt haben, war letzendlich meine Entscheidung und ihnen war das auch nicht sonderlich wichtig. Bis jetzt.

Vor kurzem teilte Yeongsu uns mit, dass er kein Interesse an der Firma habe. Er möchte sie weder übernehmen noch irgendetwas mit ihr zu tun haben, er baut sich selber ein Geschäft auf, nämlich mit einem Comicbuchladen, den er mitten in der Stadt eröffnet hat.

Meine Eltern waren außer sich, sie waren komplett dagegen und versuchten ihm mit aller Mühe einzureden das er diese "dumme" und "hoffnungslose" Idee aufgeben soll, aber das tat er nicht. Wir sind heute auch gar nicht hier um diese Angelegenheit weiter zu diskutieren, Yeongsu hat ihnen bereits vor langer Zeit klar gemacht das er sich nicht davon abbringen lässt. Es geht bei diesem Treffen tatsächlich um mich, zum ersten mal in meinem Leben geht es um die Rolle, die ich in der Zukunft dieser Firma spielen soll.

Bisher wurde aber nur drum herum geredet. Mein Vater spricht von den Aktien und dem vielen Gewinn, den wir mit dem Geschäft machen. Er preist die Firma hoch an, als wäre ich einer seiner Kunden, denen er versucht etwas zu verkaufen, dabei weiß ich ganz genau wie alles läuft. Ich arbeite für diese Firma, aber das scheinen die beiden komplett vergessen zu haben.

"Das reicht", sage ich etwas lauter als beabsichtigt und lege die Gabel, mit der ich lediglich im Essen herum gestochert habe, zur Seite. "Das ganze Gerede über Aktien, Geld und Kunden, die wir über die Jahre dazugewonnen haben, ist doch nur Nebensache, nicht wahr? Wenn ihr etwas zu sagen habt, dann tut das, ansonsten verbringe ich meine Zeit lieber an jedem anderen Ort, nur nicht hier."

Für einige Sekunden ist es vollkommen Still am Tisch, es ist, als hätte jemand das Geschehen eingefroren. Selbst Taehyung scheint eine Weile zu brauchen bevor er versteht, was ich gerade gesagt habe und auch er legt etwas verwirrt sein Besteckt zur Seite legt. Ich habe gemerkt, wie unangenehm ihm das Treffen mit meinen Eltern ist, immerhin waren sie mehr als nur unhöflich ihm gegenüber, nicht einmal richtig begrüßt haben sie ihn und doch hat er versucht es zu überspielen, mir zur Liebe. Aber damit ist Schluss.

Ich bin das hier gewohnt, mir gegenüber haben sie sich bereits mein ganzes Leben, so lange ich nur denken kann, so benommen, aber Taehyung hat mehr verdient als das hier. Ich habe ihn mitgebracht, weil ich mich ohne ihn wahrscheinlich nur wieder von den beiden hätte einschüchtern lassen, weil er mir die Kraft gibt ich selbst zu sein und ihnen zu sagen was ich davon halte wie ein billiger Ersatz für meinen Bruder gehalten zu werden.

"Mir scheint es eher als hättest du etwas, was dir auf dem Herzen liegt", sagt mein Vater nach einer Weile. "Nur zu, Jungkook, hier hast du deine paar Minuten Aufmerksamkeit. Es soll hier doch um dich gehen, ist es nicht das was du willst? Dabei ging es nie um etwas anderes als dich." Er schnaubt und lehnt sich genervt zurück, als wäre das eine Prozedur, die er immer wieder ertragen muss.

"Um mich?" Es ist keine richtige Frage an ihn, eher an mich selber. Seine Worte hallen in meinem Kopf wieder, wie ein Mantra das ich zu verinnerlichen versuche, dabei ist es nichts weiter als eine Lüge, die er entweder versucht mir oder sich selber einzureden.

"Jetzt zerstör dieses Treffen nicht mit deiner Suche nach der Aufmerksamkeit anderer, Jungkook. Wir haben dir als Kind alles geopfert, reicht das nicht?"

Ich weiß nicht ob es speziell diese Worte meiner Mutter sind, die den Schalter umlegen oder ob sie nur wie ein Dominostein in der Reihe zwischen vielen anderen wirken, aber eines ist sicher; in diesem Moment geschah das, was ich während dieses Treffens unter allen Umständen verhindern wollte.

Es fängt an sowie es das immer tut, mit schleichenden Kopfschmerzen, einem leisen Hämmern in meinem Kopf, das sich irgendwann in eine Armee mit schweren Stiefeln aus Metall verwandelt und dann setzt meine Sicht aus. Mir wird schwarz vor Augen, alles um mich herum verschwimmt in einem großen Nichts und obwohl ich Taehyungs Hand auf meiner unter dem Tisch spüre, nehme ich seine Wärme kaum mehr wahr.

Alles was ich gerade spüre sind die tausend Hände, die mich packen und in die eisige Kälte ziehen, vor der ich mich so fürchte. Eine Kälte, die alles Menschenbekannte hinter sich läss5 und die die Vorstellungen der Hölle weit übertrifft. Es ist ein Ort des Nichts, ein Ort der vollkommenen Einsamkeit, in der du dir nicht einmal deiner eigenen Existenz bewusst bist. Im einen Moment ist alles vollkommen normal und im nächsten befinde ich mich genau dort.

Im Nichts.

Faces |Vkook|Where stories live. Discover now