⊶53⊷

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Taehyung Pov

Dieses Haus mit dem Wort groß zu beschreiben wäre wahrscheinlich eine derartige Untertreibung, das sie als Beleidigung gewertet werden könnte. Groß ist Jungkooks Haus und auch das ist bereits mehr als eine Person alleine braucht, aber das hier ist eine verdammte Villa, so groß, dass wahrscheinlich alle Persönlichkeiten Jungkooks Platz darin finden würden wenn sie eigene Körper und jeder von ihnen drei Kinder hätte.

Jungkook hat mir nicht viel von seinen Eltern und seinem Bruder erzählt, der heute auch hier sein wird. Alles was ich weiß ist, dass sie ihn hierher bestellt haben um über die Firma zu sprechen. Wie sie sind oder wie seine Beziehung zu ihnen überhaupt aussieht, das weiß ich nicht. Sie könnten liebevolle Menschen sein, zu denen er eine enge Bindung hat oder sie könnten miserabel sein. Letzteres wäre auch meine Vermutung, das würde zumindest erklären warum er bis jetzt nicht über sie gesprochen hat.

Das sie viel Geld besitzen war mir natürlich von anfang an klar, immerhin läuft ihre Firma gut, aber trotzdem scheint mir dieses Haus einbisschen sehr übertrieben. Jungkook hat nur einen Bruder und dieser lebt, genau sowie Jungkook selber, nicht mehr bei ihnen. Wozu brauchen sie also so viel Wohnraum? Eine logische und nachvollziehbare Antwort darauf gibt es nicht, so tickt der Mensch nun mal. Wir alle besitzen Dinge, die wir eigentlich gar nicht brauchen.

Ich erwidere Jungkooks aufmunterndes Lächeln trotz meiner Nervosität und greife nach seiner Hand, die er mir entgegen streckt. Sofort spüre ich wie seine Wärme auf mich überspringt, wie ich mich tatsächlich ein wenig entspanne und wie dieses große Haus mir nicht mehr ganz so furchteinflößend vorkommt wie vor wenigen Sekunden noch. Jungkooks Einfluss auf mich ist unglaublich. Nicht ich alleine bin es der ihm durch eine schwierige Zeit in seinem Leben hilft und ihm Kraft schenkt, auch er tut es. Ich habe das Gefühl mit ihm an meiner Seite viel stärker zu sein, viel lebendiger.

"Du darfst dir das nicht wie das kennenlernen von meinen Eltern vorstellen, denn glaub mir, so wird es nicht sein. Es wird dich viel eher an ein Geschäftessen erinnern, also brauchst du nicht so nervös zu sein." Seine Worte sind dazu gedacht mich zu trösten, genau sowie es sein Lächeln ist, aber sie bewirken das genaue Gegenteil. Sein Lächeln wirkt aufgezwungen, viel mehr traurig als gelassen und fröhlich und seine Worte verstärken diesen Effekt nur. Ich öffne den Mund um etwas zu sagen, aber er kommt mir zuvor indem er seine Hände auf meine Wangen legt und mir einen kurzen Kuss aufdrückt. "Außerdem hast du mich. Ich werde nicht zulassen das sie etwas sagen was dich verletzen könnte."

Er betätigt die Klingel und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht, die heute bereits den ganzen Tag nicht das tun will, was sie eigentlich soll, nämlich an ihrem Platz bleiben, aber das ist wohl mein geringstes Problem. Irgendetwas sagt mir, dass dieser Abend ganz und gar nicht gut verlaufen wird und diese kurzen Worte Jungkooks über seine Eltern, dieser Vergleich mit einem Geschäftsessen haben eigentlich gereicht um mir zu zeigen, wie die Beziehung zwischen ihnen ist, nämlich auf keinen Fall herzlich.

Ich schrecke beinahe zusammen als die Tür nach dem dritten Klingeln geöffnet wird und ein älterer Mann uns mit einem grimmigen Gesichtsausdruck begrüßt. "Wir haben dich schon nach dem ersten klingeln gehört", sagt er genervt und sieht kurz zu mir herüber. Auch ohne das Jungkook es mir sagen oder der Mann sich vorstellen muss weiß ich sofort, dass es sich bei ihm um den Vater handelt. Die Nase und die Lippen hat er von ihm, wobei sie in diesem praktisch Emotionstoten Gesicht seines Vater nicht annähernd so atemberaubend aussehen sie in dem seines Sohnes.

Da die Begrüßung an Jungkook bereits so eisig ausfiel, wundert es mich nicht das der Mann nur ein nicken für mich übrig hat bevor er zur Seite tritt um uns den Weg frei zu machen. Händchen halten tun wir nicht mehr, wir sind nicht hierher gekommen um mit seinen Eltern über unsere Beziehung zu reden und selbst wenn ich das gewollt hätte, so wäre meine Meinung jetzt eine andere. Ich brauche nicht einmal nachzudenken um zu wissen wie die beiden wohl darauf reagieren würden, dieses Theater erspare ich uns beiden.

Jungkook und ich bleiben im riesigen Eingangsbereich stehen und folgen dem Vater, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hat, die große Treppe nach oben in das Esszimmer. Das erste was mir auffällt ist die aufwendige Dekoration, der Kronleuchter zum Beispiel oder der, passend zu der Tapete, angefertigte Teppich. Sogar das Besteck wurde auf die Deko angepasst, und das mit erschreckender Genauigkeit. Erst nachdem ich das alles in mich aufgenommen habe, bemerke ich die Frau und den jungen Mann, die sich vom Esstisch erheben und zu uns kommen.

Die Frau, offensichtlich Jungkooks Mutter, stellt sich neben ihren Mann und scheint, genau wie dieser auch, keine Freundin der freundlichen Worte. Sie mustert uns beide, wobei sie ihren eigenen Sohn länger unter die Lupe nimmt als mich, den Fremden. Nur der Mann, Jungkooks Bruder, von dem dieser vorher gesprochen hat, kommt mit einem breiten Lächeln zu uns.

Er zieht Jungkook in eine warme, brüderliche Umarmung und dieser erwidert sie ebenso herzlich. Kurz ist die eisige Stimmung in diesem Raum verschwunden, denn die Freude der beiden sich endlich wieder zu sehen erfüllt ihn mit Wärme. Die Eltern schenken dem keine große Beachtung, es scheint sie entweder nicht zu interessieren oder nicht wichtig genug zu sein um überhaupt Interesse zu heucheln, aber ich freue mich. Wenigstens gibt es einen in der Familie, der Jungkook auch wie einen Teil dieser behandelt.

Nachdem die beiden sich voneinander lösen, reicht er mir seine Hand zur Begrüßung. "Ich wünschte ich könnte behaupten bereits von dir gehört zu haben, aber Jungkook meldet sich kaum bei mir um überhaupt etwas erzählen zu können. Es freut mich trotzdem dich kennenzulernen, mein Name ist Jeon Yeongsu."

Ich erwidere sein Lächeln als ich seine Hand ergreife und den freundlichen Druck erwidere. "Kim Taehyung", stelle ich mich vor und lasse meinen Blick kurz nach unten zu unseren Händen wandern, aber gerade als ich ihm wieder ins Gesicht blicken möchte, sticht mir etwas merkwürdig bekanntes ins Auge.

Bereits damals kam es mir komisch vor, aber ich habe Jungkook nicht weiter danach gefragt, weil ich dachte er würde es mir von sich aus sagen wenn es etwas wichtiges ist oder etwas worüber er sprechen möchte. Um ehrlich zu sein hätte ich es sogar fast vergessen, wenn ich es jetzt nicht auch bei seinem Bruder gesehen hätte. Es war bereits damals mehr als nur komisch, wo es doch nicht aussah wie eine Wunde, die Jungkook sich selber zugefügt haben könnte, aber jetzt wirft das ganze noch mehr Fragen auf.

Wieso hat Yeongsu die gleiche, in etwa fünf Zentimeter große Narbe in Form eines '×' am linken Handgelenk wie Jungkook?

Faces |Vkook|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt