⊶80⊷

1.6K 230 32
                                    

Taehyung Pov

Ich blicke in den Himmel, froh über das Ausnahmsweise gute Wetter heute als ich Jungkook am Grab hocken sehe. Genau wie ich vor einigen Tagen nach dem verschwinden Yoongis sitzt auch er dort, die Hände in dem Schoß, den Blick starr auf die Erde gerichtet. Es ist nur sein Rücken, den ich sehe, aber diese gekrümmte Haltung und der gesenkte Kopf reichen um mir zu sagen, was er gerade fühlen muss. 

Bei ihm angekommen lege ich ihm eine Hand auf die Schulter, aber er starrt weiter unbeirrt auf das Grab, keinerlei Reaktion auf mein Erscheinen. Etwas ausmachen tut es mir nichts, ich weiß wie er sich gerade fühlen muss, wenn er an die selben Dinge denkt wie ich vor einigen Tagen.

Ich war es, der ihm sagte, dass ich nicht glaube, dass sie sterben oder einfach ins Nichts verschwinden. Ich habe es verglichen mit Kindern, die ausziehen und tatsächlich ist es das was ich denke, dass sie ihren eigenen Weg finden, in ihrem eigenen Körper ohne die Angst, die sie aus der Vergangenheit mit sich herum tragen müssen. 

"Du tröstest mich dauernd, bist immer an meiner Seite nachdem einer von ihnen geht und versteckst dabei deine eigene Trauer." Ich nehme seine Hand in meine, verschränke unsere Finger ineinander und schließe die Augen bevor ich mein Kinn auf seine Schulter lege. "Ich kam hierher mit dem Ziel dir zu helfen, nicht nur was deine Vergangenheit und die Persönlichkeiten angeht, sondern auch mit den Lastern deiner Seele, mit allem was dir Sorgen bereitet und allem was dich verletzt. Ich bin bei dir, Jungkook."

Alleine daran zurück zu denken, wie das alles angefangen hat, zaubert mir ein Lächeln auf das Gesicht. Wir waren beide damals so unglaublich anders, es ist faszinierend zu sehen wie sehr uns die Zeit und die Ereignisse verändert und zusammen geschweißt haben. Oder aber wir waren schon immer so, wir haben uns nur erst wirklich selber gefunden seitdem wir zueinander gefunden haben. 

Jungkook, der damals so unglaubliche Angst davor hatte jemandem von seiner Situation zu erzählen und Hilfe von jemand anderem anzunehmen. So distanziert, vorsichtig und immer darauf bedacht ja nichts falsches zu machen, ohne Bereitschaft zu irgendeinem Risiko. Dann war da noch ich, ein Student der in jemandem wie Jungkook seine Chance gewittert hat sein Studium möglichst ohne viel Arbeit abzuschließen. Ich dachte mit ihm wäre mir ein dicker Fisch an die Leine geschwommen, aber ich hätte mich wohl nicht mehr irren können. 

Meine Abreit werde ich nicht über ihn schreiben, aus dem ganz einfach Grund das es mir nicht zusteht über jemandes Privatleben zu schreiben wenn er es nicht will. Außerdem ist er mir viel wichtiger als eine Abschlussarbeit, er ist nicht bloß ein Fall über den ich schreibe, er ist mehr.

"Das ist wirklich süß, Taehyung", sagt er und legt seine Hand auf meine, die fest mit seiner verschränkt ist. "Aber das solltest du lieber Jungkook persönlich sagen."

Verwirrt hebe ich den Kopf und öffne die Augen. Ein kleines Lächeln schmückt seine Lippen, kein glückliches, keines das er mir schenkt weil er Freude empfindet, sondern viel mehr ein Entschuldigendes und als ich ihm in die Augen sehe, wird mir auch klar warum. 

Sofort löse ich unsere Finger voneinander und sehe noch einmal genau hinein um auch sicher zu gehen. "Jimin?", frage ich und spüre wie mein Herz kurz einige Schläge aussetzt als er nickt und sich peinlich berührt aufgrund der ganzen Situation an dem Hinterkopf kratzt. 

"Entschuldige das ich dir das nicht vorher gesagt habe, das ganze war nur ziemlich unerwartet."

Ich schüttle sofort den Kopf, entziehe ihm meine Hand und senke den Blick als ich spüre wie ich rot anlaufe. "Ich hätte vorher sicher gehen müssen das es auch wirklich Jungkook ist mit dem ich spreche." Das ganze ist mir gerade tatsächlich mehr als peinlich, weswegen ich schnell zu ihm hinauf sehe und das Thema wechsle. "Was tust du eigentlich hier? Du solltest sicher schon mitbekommen haben das sich darunter keine echte Katze befindet."

"Das ist es nicht." Er sieht von mir zu dem Grab und erneut schleicht sich ein Lächeln auf seine Lippen, erneut keines der Freude, aber dieses mal wirkt es auch nicht aufgezwungen wie das letze. Es wirkt erleichtert, ruhig und auf irgendeine Art und Weise sogar doch fröhlich. "Ich bin hier um mich zu verabschieden."

Kaum hat er seinen Satz beendet, taucht vor mir das Bild von Yoongi auf und seine tiefe Stimme, die mir sagt das er sich verabschieden will. Das ist erst wenige Tage her, es fühlt sich noch so frisch an und jetzt ist es mit Jimin dasselbe. Ein Abschied, der mir alleine bei der Erwähnung wieder Tränen in die Augen treibt. 

"Fühlst du dich bereit zu gehen?", frage ich und drehe mich kurz zur Seite um mir unbemerkt die Tränen wegwischen zu können. 

"Bereit? Wer ist das jemals?" Er beugt sich ein Stück nach vorne und vergräbt seine Hand in der Erde. "Es fühlt sich gerade nur richtig an, als hätte sich jetzt eine Tür geöffnet, die sich wieder schließt wenn ich nicht den richtigen Zeitpunkt finde durch sie hindurch zu treten. Verstehst du was ich meine?" 

Er hebt seine Hand und sieht sich die Innenfläche an, streicht über die Erde und fährt unter seine Fingernägeln, unter denen sie sich angesammelt hat. Ich weiß nicht was er darin sieht, was ich nicht sehe, aber es scheint ihn auf irgendeine Weise traurig zu machen. 

"Ich verstehe dich", sage ich und nehme seine Hand, die er bis eben auf der Erde hatte, in meine. Erstaunt über diese plötzliche Geste sieht er verwirrt von mir zu unseren Händen und wieder zu mir. "Für dich gilt das gleiche, was ich zum Schluss zu Jungkook gesagt habe. Ich bin bei dir, Jimin. Du gehst nicht alleine durch diese Tür."

Faces |Vkook|Where stories live. Discover now