⊶66⊷

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Jungkook Pov

Kurz spiele ich mit dem Gedanken doch wieder umzukehren und Taehyung zu holen. Er hat mir angeboten mitzukommen wenn ich meinen Eltern zum ersten mal nach all den Erinnerungen wieder entgegen trete, aber ich wollte das nicht. Er sollte diese Menschen nicht länger ertragen müssen als nötig und vor allem sollte er nicht sehen, von was für Menschen ich abstamme.

Ich habe ihm gesagt das er solange die Koffer packen soll, denn auch ich möchte nicht mehr hier bleiben müssen. Dieses Haus war nie ein Ort für mich, an dem ich mich wohl gefühlt habe, aber mittlerweile ist es noch viel weniger. Jeder Fleck auf der Straße, ja sogar die Hölle ist mir lieber als dieses Haus mit diesen Menschen unter dem Dach.

Ohne an die Tür zu klopfen reiße ich sie nach innen hin auf und gehe zielstrebig auf die Sofaecke vor dem Kamin zu, wo sie bereits zu zweit versammelt sind. Vater sitzt nur da und liest im schwachen Licht des Feuers die Zeitung von Heute während Mutter die Unterlagen der Firma durch geht. Beide heben erschrocken und schockiert über mein eintreten den Blick, legen die Dokumente zur Seite und springen beinahe gleichzeitg auf.

"Was erlaubst du dir?", sagt meine Mutter sofort und sieht mich wütend an. Mein Vater öffnet den Mund um etwas hinterher zu schleudern, schließt ihn allerdings auch sofort wieder als meine Mutter ihm ins Wort fällt. "Erst gestern dieser Abgang am Esstisch, dann heute lässt du dich den ganzen Tag nicht blicken, eine Entschuldigung bekommen wir keine und jetzt dieser Auftritt. Hast du den Sinn für Anstand verloren? Hat dich die Stadt nun vollkommen verrückt gemacht?"

Ihre Stimme wird mit jedem Wort höher, vom Hals aufwärts läuft sie rot an und selbst mein Vater weicht vor der Kraft der Wut in ihrer Stimme zurück. Sie ist wirklich unglaublich einschüchternd und Angst einflößend. Seit ich ein Kind bin schafft sie es, mir bei den kleinsten Dingen ein schlechtes Gewissen zu bereiten.

Sei es nun die Hose, die ich mir beim hin fallen aufgerissen oder die Frisur, die ich mir beim spielen mit den anderen Kinder ruiniert habe, irgendwie hat sie es immer geschafft mir einzureden es sei etwas schlechtes. Alles was ich tat war in ihren Augen falsch und wenn es das für sie war, war es das irgendwann automatisch durch ihre Manipulation auch für mich.

Aber das ist Vergangenheit.

Damals hatte ich nur meine Familie als Bezugspersonen. Sie waren mein einziger Halt in einer Zeit, in der ich nicht wusste was mit mir geschah. Plötzlich war ich nicht mehr alleine in meinem Körper, da waren noch fünf, mit Sooyoung, von der ich damals nichts wusste, sechs andere mit denen ich mir diesen teilte, aber wie sollte man das als Kind verarbeiten?

Ich schwieg, sagte es niemandem und versuchte alleine damit klar zu kommen. In dieser Zeit war da nur meine Familie, keine Freunde, denn die wollte ich nicht. Ich kam ja schwer mit mir selber klar, wie sollte ich da eine gesunde Beziehung zu jemand Fremden aufbauen können? Meine Familie war bereits da oder zumindest dachte ich das mal.

"Keine Sorge, Mutter." Sie weicht vor der Verachtung, die ich in das letzte Wort gelegt habe, beinahe schockiert zurück und sieht mich fassungslos an. "Der Sinn für Anstand, von dem du hier so selbstverständlich sprichst, wollt ihr mir etwa weismachen das ihr den besitzt?"

"Was für einen Blödsinn faselst du schon wieder?", fragt mein Vater und mischt sich damit in die Konversation ein.

"Blödsinn?" Am liebsten würde ich auflachen um ihnen zu zeigen wie erbärmlich dieses Schauspiel ist, das sie hier trotz allem noch weiter spielen, aber das kann ich nicht. Viel zu tief sitzen noch die Bilder in meinem Kopf fest. "Sagt mir welche anständigen Eltern ihr Kind fremden Menschen überlassen, die es entführt haben, nur damit sie kein Lösegeld zahlen müssen?"

Alle Emotionen weichen aus ihren Gesichtern, sie wirken für einen Moment so vollkommen ruhig, bis der Ausdruck sich in unglauben wandelt. Sie wechseln einen kurzen Blick miteinander aus und man sieht ihnen praktisch an was gerade in ihnen vor geht. Sie fühlen sich ertappt, sie wissen das ich recht habe, auch wenn ihnen nicht klar ist woher die Erinnerungen, von denen sie froh waren das ich sie verloren habe, jetzt plötzlich kommen.

Es dauert eine Weile, aber Mutter ist wie zu erwarten die erste die sich zusammen reißt. "Wir haben dich nicht im Stich gelassen", sagt sie und sieht mich verständnislos an. "Wir hätten dich da heraus geholt, wenn du nicht alleine geflohen wärst. Wir haben mit der Polizei zusammen gearbeitet, wir wollten die Männer fassen, die deinem Bruder und dir das alles angetan haben, aber du hast den Plan mit deinem Handeln ruiniert. Nur weil du nicht länger warten konntest und von alleine geflohen bist, laufen die Männer noch frei herum."

Vorwurfsvoll sieht sie mich an und tatsächlich weiß ich nicht ob sie das ganze nur spielt oder tatsächlich ernst meint, denn mir ist klar, dass das eine Lüge ist. Dir Polizei hat zwar weiter nach mir gesucht, aber meine Eltern waren ihnen in keinster Weise eine Hilfe. Yeosung durfte nicht mit ihnen sprechen, obwohl er wahrscheinlich die größte Hilfe gewesen wäre und meine Eltern schoben die ganze Verantwortung auf die Beamten.

Ihnen war es egal, ob ich gefunden werde oder alleine da unten verrecke, sie hatten den Erben ihrer Firma wieder und das war das einzige was für sie zählte. Vor einigen Jahren hätte ich meiner Mutter jedes Wort geglaubt. Ich hätte mir selber die Schuld an meinem Leiden gegeben und geglaubt das ich ihr damit geschadet habe, aber ich bin nicht länger der kleine Junge, der seinen Körper nicht versteht und sich in seiner Verzweiflung von seiner Mutter manipulieren lässt.

"Ihr scheint tatsächlich zu glauben alles richtig gemacht zu haben, Reue empfindet ihr gar nicht, aber das ist in Ordnung. Ich brauche euch nicht, ich brauche diese ganze Familie nicht und die Firma möchte ich auch nicht."

Bisher haben sie mich angeguckt wie ein Kind, das man nicht ernst nehmen müsste, aber nach der Erwähnung der Firma ist es beinahe lustig wie ihre Köpfe in die Höhe schießen und die Fassungslosigkeit noch größeren Platz in ihren Gesichtern findet. "Was redest du da für einen Schwachsinn? Natürlich willst du die Firma, sie ist alles was du hast!"

"Nein", sage ich sofort und ziehe mich langsam zurück. "Die Firma ist alles was ihr habt. Yeosung will sie nicht und ich will sie erst recht nicht. Alles, was ich noch von euch verlange ist das ihr mich als das behandelt, was ich eigentlich schon immer für euch war, nämlich das Kind, dass ihr bereit wart für euer Geld sterben zu lassen."

Faces |Vkook|Where stories live. Discover now