Faces |Vkook|

⊶9⊷

Taehyung Pov

Ich weiß nicht, ob er meine Verwirrung nicht bemerkt oder sie schlichtweg einfach ignoriert, weil es das einfachste ist das zu tun, aber es ändert nichts daran, dass sie trotzdem noch da ist. Tatsächlich gab es keinen Moment in meinem gesamten Leben, an dem ich meinen Verstand so gerne ausgeschaltet hätte wie jetzt gerade, aber leider ist das nicht möglich.

"Du sagtest, dein Name sei Hoseok und davor nannte dich dieser Kerl, der mit dem Auto kam, um dich von der Brücke zu holen noch Jeon. Jetzt sagst du mir, du heißt Yoongi. Hast du irgendein Problem mit deinem echten Namen und suchst dir andere aus?"

Wenn er lachen könnte, dann würde er es in diesem Moment sicher tun, aber irgendwie bekomme ich den Eindruck, dass er nicht imstande ist seine Mundwinkel zu heben, zumindest wenn er in diesem Modus ist. Denn vorhin, als er sich bei mir entschuldigt hat, da haben seine Lippen ein Lächeln gebildet, auch wenn es nicht echt war.

Das hier, dieser grimmige Jeon, Hoseok, Yoongi, wer auch immer das ist, der kann nichts anderes als grimmig drein gucken und sich statt mit einem Lachen, mit einem seufzen über die von jemand anderes, in seinen Augen, dummen Worte lustig zu machen.

"Wie war noch mal dein Name?", fragt er ohne mich dabei anzusehen. Er ist immer noch mit den ganzen Gänseblümchen beschäftigt, die er anstarrt als wären sie wertvoller als irgendein Mensch. Entweder Blumen oder die Natur generell faszinieren ihn wirklich, oder er beobachtet lieber diese als mich. Bei ihm kann ich mir sogar durchaus vorstellen, dass die zweite Vermutung richtig ist.

"Kim Taehyung." Ich habe ihm meinen Namen schon einmal gesagt, oder um genau zu sein, wenn man das mal auf dem Parkplatz mit zählt, zwei mal. Scheinbar scheint sein Gedächtnis aber nicht das beste zu sein oder er macht sich schlichtweg einfach nicht die Mühe sich meinen Namen zu merken.

"Kim Taehyung?" Erneut seufzt er und pflückt eine Blume. "Ich bleibe bei Vollidiot."

Genervt und ohne irgendeinen genauen Grund lasse ich mich neben ihm auf die Wiese fallen und stütze mich mit meinen Händen ab. Jeder andere wäre wahrscheinlich gegangen, hätte die Polizei kontaktiert, wegen dem was zuvor geschehen ist und ihn aus seinem Leben gestrichen, aber er macht mich neugierig und obwohl ich weiß, dass die Neugier des Menschen größter Feind ist, gehe ich das Risiko ein mehr über diesen Mann zu erfahren.

Die Tatsache, dass er eigentlich nichts anderes tut als mich zu beleidigen ignoriere ich dabei. Es bringt sowieso nichts sich darüber aufzuregen, ich möchte ja nur mit ihm reden und erfahren was los ist, da kann er mich nennen wie er will.

"Du bist ein ziemlich unglücklicher Kerl", sagt er während er den Stängel der eben gepflücktem Blume zwischen seinem Zeigefinger und dem Daumen dreht. "Wenn du damals doch bloß nicht auf dieser Brücke gewesen wärst. Wenn du doch bloß nicht Hoseoks Ring aufgehoben hättest."

Unglücklich? Ich meine, klar, alles was nach meinem Treffen mit ihm passiert ist war ein ziemliches Chaos, aber mich deswegen unglücklich zu nennen ist doch ziemlich viel und überhaupt, wieso spricht er schon wieder von Hoseok? Er sagte sein Name ist Yoongi, aber jetzt ist es wieder Hoseok und er spricht von ihm in der dritten Person.

Er bemerkt wahrscheinlich dank meines Gesichtsausdruckes, dass ich nicht hinterher komme. "Du musst wissen, dass Jungkook jeden Tag, den er erlebt in einem Tagebuch fest hält, das tut jeder von uns, na ja, bis auf einer, aber das tut gerade sowieso nichts zur Sache. Wenn Jungkook nicht in sein Tagebuch geschrieben hätte, dass er den Ring verloren hat und dein Name in diesem Zusammenhang aufgetaucht wäre, dann hättest du wohl deine Ruhe vor uns, aber so bist du ungewollt in eine Geschichte gezogen worden, die wir selber nicht verstehen."

"Jungkook?", frage ich noch verwirrter als vor seine Erklärung und versuche all die Fragen, die ich schon von Anfang an hatte und die jetzt dazu gekommen sind zu ordnen, aber bei dem Chaos, das da herrscht, ist das nahezu unmöglich.

"Ja, Jungkook. Der Mann, den du als Jeon kennst, mit vollem Namen Jeon Jungkook."

Für eine Sekunde geht mir ein Licht auf und ich habe das Gefühl zum ersten Mal seit unserem Zusammentreffen zu verstehen. Jeon Jungkook, das ist also der Name, den der Mann damals sagte, aber das löst noch lange nicht alles für mich und das Licht, das ich eben glaubte gesehen zu haben, verblasst wie eine Halluzination.

Das alles ergibt so wenig Sinn für mich, es ist vollkommen unlogisch, ja sogar verrückt. Wie kann ein Mensch drei Namen besitzen, sich mit diesen vorstellen und dann doch so reden, als wären es drei vollkommen unterschiedliche Personen.

"Von wem redest du, wenn du 'wir' und 'uns' sagst?"

"Mit wir meine ich mich. Mich und die anderen mit denen ich mir diesen Körper teile."

Vielleicht sollte ich es einfach aufgeben diesen Mann verstehen zu wollen, denn auf jede Antwort, die von ihm kommt, entstehen tausend weitere Fragen. Er redet davon sich einen Körper zu teilen, aber ich habe absolut keinen blassen Schimmer was er damit meinen könnte oder ob das ganze nur ein Witz ist, weil er mich wirklich für einen Vollidioten hält.

"Es ist faszinierend, nicht wahr?" Ohne sich irgendein Gefühl, geschweige denn Faszination, anmerken zu lassen, starrt er das selbe Gänseblümchen an, dass er schon eine ganze Weile beobachtet.

"Die Natur? Na ja, ich bin nicht wirklich der Mensch, den das begeistert." Ich zucke mit den Schultern und setze mich gerade auf um mich hinzustellen und zu verschwinden. Ich habe genug Zeit mit dem Kerl verbracht, da kann ich ihn mit seinen Gedanken alleine lassen, aber als er weiter redet, bleibe ich sitzen und höre ihm zu, fest entschlossen danach zu gehen.

"Es ist faszinierend und erschrecken zugleich. Es ist ein einfaches eine Blume zu pflücken, aber erst jetzt, nachdem ich sie in meinen Händen halte, realisiere ich, dass ich mit meiner Gier nach etwas schönem ihr Leben beendet habe."

Mir bleibt keine Zeit auf seine Aussage zu antworten, denn plötzlich bildet er eine Faust um die winzige Blume und kneift die Augen fest zusammen. Ich brauche nicht lange um zu begreifen, dass sich die Situation, die sich vorhin bereits im Restaurant abgespielt hat, gerade wiederholt. Was auch immer gerade passiert, was für eine Art Anfall das ist, er hat schmerzen dabei.

Irgendwann lässt er die Blume ganz los, umklammert seinen Kopf und legt sich winselnd auf den Boden. Die Knie zieht er an seinen Bauch heran, das Gesicht läuft rot an und ich sitze einfach nur da, ohne etwas zu tun, weil ich ehrlich gesagt vollkommen überfordert bin.

Aber genau wie vorhin hört die ganze Prozedur nach kaum einer Minute auf und er bleibt vollkommen regungslos auf dem Boden liegen, bevor er die Augen aufschlägt und mir direkt in meine sieht. Ich weiß nicht, warum ich eine gewisse Erleichterung verspüre als ich trotz seinet Tränen das sanfte Braun darin erkenne und sofort weiß: Das ist Jungkook.