12. Jaylin: Streit

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Es war still. Zu still.

Dad schob das Essen auf seinem Teller nur hin und her und Mum zwängte es herunter.

Mir und Chad schmeckte es hervorragend und Austin saß als meine Dekoration neben mir.

Es gefiel mir zwar, dass ich gerade so viel Macht hatte, aber richtig genießen konnte ich das nicht. Es reichte mir nämlich. Ich hatte vor, Dad kalt auflaufen zu lassen. Nicht weil ich ihn hasste oder so. Im Gegenteil, ich liebte ihn und deshalb musste ich ihm zeigen, dass er nicht mit mir umgehen konnte, als sei ich ein Nichts. Er sollte mich ernst nehmen. Nicht wie Lea. Ich war vielleicht behindert, ja, aber ich war nicht dumm und ich ließ mich sicherlich nicht dafür verkaufen.

„Ich habe übrigens die Bilder gefunden, von eurem Abschlussjahrgang" Als ich das so nebenbei erzählte, schoss der Blick meines Vaters hoch und meine Mum verschluckte sich an ihrer Nudel.

Vom einen Moment auf den Anderen stand Dad kurz vor einem Ausbruch, das sah ich ihm an. Diese Ader, die auf seiner Stirn hervortrat, wenn er wütend war, hatte mir schon immer sehr viel Respekt eingeflößt...

„Was fällt dir ein, in unseren Sachen herumzuwühlen?!"

Ich grinste. „Ich habs im Internet gefunden, Dad. Oder gehört das auch euch?"

Er presste die Lippen zusammen und sah Austin an. „Und was wollt ihr jetzt von uns?"

„Warum hast du gelogen? Es ist klar, dass ihr euch kennt."

Mein Dad und ich standen an den Fronten, im übertragenen Sinne.

Er schnaubte. „Was würdest du denn machen, wenn dein Ex plötzlich vor der Tür steht und dir deinen Sohn nachhause bringt? Noch dazu, dass er selbst keine Ahnung hat, wer er überhaupt ist..."

Ich unterbrach ihn. „Dein Ex?"

Ich hatte das zwar schon im Polizeibericht gelesen, aber es schockte mich trotzdem. Es war unvorstellbar für mich.

Ich hörte Austin amüsiert lachen. „Ich hatte wohl schon immer einen guten Geschmack"

Mein Dad warf ihm einen finsteren Blick zu, der ihn verstummen ließ. Dann wandte er sich an mich. „Kannst du deinen Gast jetzt bitten zu gehen? Ich habe ihn ungern hier"

Wow, er sagte das echt offen. Normalerweise verpackte er sowas höflich...

„Nein", meinte ich. „Ihr wollt doch, dass ich neue Freundschaften schließe." Hinweisend deutete ich auf Austin

„Aber nicht mit ihm!", mein Dad wurde lauter.

Ich wollte etwas erwidern, aber Austin ging dazwischen. „Schon okay, Jayjay. Ich gehe einfach. Ich will nirgends sein, wo ich nicht erwünscht bin. Aber du kannst die Tage gern mal bei mir vorbeikommen. Chad weiß, wo ich wohne."

Enttäuscht nickte ich.

Dad war unverschämt genug, ihn nicht mal zur Tür zu bringen.

Sobald die Tür geschlossen war, ging das Geschrei los. „Was fällt dir ein?! JayJay?! Wieso nennt er dich so? Was genau hast du mit ihm zu tun? Ich schwöre, wenn er..."

„Sei still!" Als Mum schrie, verstummte Dad und sah sie überrascht an. „Du musst ihn nicht anschreien, nur weil du es nicht aushältst, dass du deinem Ex nicht in die Arme rennen kannst. Jaylin kann nichts dafür, dass..."

„Wenn du jetzt weiter sprichst, schläfst du heute Nacht auf der Couch", drohte Dad.

Mum schnaubte. „Jay, geh in dein Zimmer."

Chad und ich tauschten schnelle Blicke aus, ehe wir mehr als dankbar die Flucht ergriffen.

Wenn meine Eltern sich stritten, wollte man echt nicht vor den Kanonen stehen, denn dann feuerten sie mit allem, was sie hatten. Und das so laut, dass wir uns alles mit anhören könnten.

„Es ist 16 verdammte Jahre her, dass du ihn zuletzt gesehen hast und du liebst ihn immer noch? Ist das dein Ernst?!" Mum war richtig sauer.

„So ist es nicht! Ich bin geschockt! Ich dachte, er sei tot... Er hat mich ja nicht mal wieder erkannt"

„Ach verletzt das deine Gefühle?!" Mum klang, als mache sie sich über Dad lustig, als sie das schnaubte.

Ich hörte seine Antwort nicht, dafür aber, wie Mum ein paar Sekunden später brüllte: „Dann fick ihn doch!"

„Reiß dich zusammen, Jay ist oben!", zischte mein Dad hörbar.

Chad und ich sahen uns nur vielsagend an und lauschten weiter.

„Ich verstehe nicht, wie er noch am Leben sein kann", kam nachdenklich von meinem Dad. „Er war tot, ich bin mir sicher..."

„Weißt du was? Es ist mir egal. Er erinnert sich eh nicht an früher und solange er Jay gut tut, soll er doch sein Freund sein. Du wirst deine Gefühle wohl ein bisschen im Griff haben, solange ich regelmäßig die Beine für dich breit mache oder hast du so dringend mal wieder einen Schwanz nötig?!"

Autsch. Mum konnte ja richtig fies sein.

Chad musste ein Lachen unterdrücken und ich sah ich böse an.
Ich wollte meinen Dad mit der Aktion beim Essen zwar provozieren, aber der Ehestreit war dabei nicht wirklich beabsichtigt gewesen. Es lief nicht direkt nach Plan, aber dennoch wurden hier ein paar Dinge aufgeklärt. Wie, dass mein Dad mal wieder einen Schwanz nötig hatte zum Beispiel...

„Bekomm deine Eifersucht endlich in den Griff! Gott, würde ich dich nicht so sehr lieben, hätte ich dich längst verlassen, du machst mich echt fertig, Alina!"

Ihre Stimmen wurden leiser und ich ahnte jetzt schon den folgenden Versöhnungssex. So waren meine Eltern. Sie rissen sich gegenseitig immer fast die Haare aus und wenn dann erstmal alle Fronten geklärt waren, hatten sie lautstark Sex. Einer der Gründe, weshalb ich schon mit 18 ausgezogen war.

Naja, jetzt musste ich mir das wieder alles anhören.

„Ich liebe deine Eltern. Die sollten eine eigene Show bekommen", schmunzelte Chad und wuschelte mir durch die Haare.

Ich schlug seine Hand weg. „Nur weil sie nie langweilig werden."

Chad stimmte mit einem Nicken zu. „Tu mir einen Gefallen und ruf Austin nachher mal an. Er scheint ja ziemlich geschockt zu sein. Und sag ihm, dass dein Dad mal wieder einen Schwanz braucht", den letzten Satz lachte er und ich verdrehte die Augen. „Wichser"

„Das ist eine Lüge", meinte er nur grinsend. „Ach apropos. Wenn ich jetzt nicht gehe, lässt meine Barbie mich nicht mehr ran" Er gab mir eine kurzen Handschlag, fragte nochmal, ob ich noch was bräuchte und verschwand nach meiner Verneinung.

Ich setzte mich auf das Bett um und griff zu meinem Handy, um Austin anzurufen und ihm von dem Streit meiner Eltern zu erzählen.

Er hatte total das schlechte Gewissen, doch war wie ich genauso neugierig, warum mein Dad so reagiert hatte und wir beschlossen, weiter in seiner Vergangenheit herum zu stochern.

Only mortal (Boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt