18. Jaylin: Ehrlichkeit

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„Willst du darüber reden?" Chad sah mich besorgt an, aber ich schüttelte den Kopf.

„Nicht, dass ich Austin das zutrauen würde, aber er hat dir doch nichts getan oder?" Ich hatte Chads Stimme noch nie mit einem dermaßen bedrohlichen Unterton gehört. Ich schüttelte wieder den Kopf.

„Hast du ihm was getan? Ich meine, vielleicht nicht mit Absicht, aber wir wissen doch beide, wie du manchmal sein kannst..." Jetzt klang er schon sanfter, aber auch diesmal schüttelte ich einfach nur den Kopf.

Er seufzte und nickte im Verständnis dafür, dass ich einfach nicht darüber reden wollte und sah zur Haustür, auf die wir gerade zugingen. „Hast du deinen Eltern bescheid gegeben, dass du bei Austin pennst?"

Ich schüttelte zum wiederholten Male den Kopf.

„Na dann wird das jetzt spaßig", murmelte Chad.
Er sperrte mit dem Schlüssel auf, den er hatte und wir betraten das Haus.

Ich hörte schon das Geschirr klappern und Gespräche aus Richtung Küche, an der wir vorbei mussten, wenn wir in mein Zimmer wollten.

Außerdem könnte ich gerade echt eine Kuscheleinheit von Mum vertragen.

Chad und ich gingen ins Esszimmer.
Mum war die Erste, die uns bemerkte, und stoppte mitten im Gespräch mit Dad. Es war ohnehin nur um Geschäftliches gegangen.

Auch Dad drehte sich zu uns, er sah überrascht aus, aber auch erschöpft. „Wo warst du die Nacht über?" Sein Ton klang angespannt. Er gab sich Mühe, nicht komplett auszurasten, das sah man ihm an.

„Ich war bei..." Gerade wollte ich Austins Namen nennen, in dem Wissen, dass es dafür Ärger geben würde, als Chad einschritt. „Er war bei mir. Wir sind draußen gewesen und es ging ihm zwischenzeitlich nicht so gut, dann sind wir zu mir, weil es in er Nähe war. Keine Sorge, es war nur der Kreislauf. Wir sind dann auf dem Sofa eingeschlafen, so konnten wir Ihnen nicht bescheid geben. Ich verstehe, dass Sie sich Sorgen gemacht haben und es tut mir leid. Das wird sicherlich nicht wieder vorkommen." Schon als Chad zu sprechen begonnen hatte, hatte Dad sich merklich beruhigt. Er vertraute ihm, sonst dürfte er mich nicht pflegen. Vielleicht hatte er ja auch einen Crush auf ihn, wer wusste das schon. Bei meinem Dad war doch keine/r sicher...

Nach kurzer Zeit seufzte Mum. „Schon gut. Gebt in Zukunft bitte einfach bescheid. Wir wussten zwar, dass er bei dir ist und sind deshalb nicht komplett durchgedreht, aber eine Info wäre das nächste Mal ganz schön"

Unisono nickten Chad und ich.

Dann wollten wir ins Bad gehen, da ich mich eigentlich noch frisch machen musste, aber Dad machte uns einen Strich durch die Rechnung. „Ich würde gerne noch kurz mit dir reden, Jay."

Ich schob mich also an meinen Platz am Tisch und sagte zu Chad, er sollte schon mal in mein Zimmer gehen.

Als er weg war, seufzte Dad und sah mich an. „Die Sache mit Elijah..."

„Austin", verbesserte ich ihn. Ich war ein bisschen überrascht von mir selbst, weil ich darauf bestand, dass Dad ihn so nannte. Ich denke, es lag daran, dass es nicht nur ein Name war. Es war seine Persönlichkeit. Und diese war nicht mehr Elijahs.

Dad nickte leicht, aber wirkte dabei auch ein wenig niedergeschlagen. „Austin.", murmelte er dann. „Ja also die Sache mit Austin ist die, dass er meinem EX einfach nur unglaublich ähnlich sieht und... Ich will nicht, dass du da was falsch verstehst. Ich liebe deine Mutter, aber mit Elijah, das war schon was Besonderes. Deshalb reagiere ich da ziemlich sensibel. Es tut mir leid, dass ich dich so behandelt habe. Das war nicht fair von mir."

Wow.

Ich hasste es, mich entschuldigen zu müssen, selbst, wenn ich wusste, dass ich etwas falsch gemacht hatte, aber Dad besaß die Stärke, diese Worte einfach so auszusprechen und auch noch dahinter zu stehen.

Ich nickte, schluckte und fühlte mich sofort richtig mies. Chad hatte Dad und Mum ins Gesicht gelogen, um mich zu schützen. Er hatte es gemacht, damit ich keinen Ärger bekam, aber Dad tat hier auch etwas, das ihn sicherlich Überwindung kostete. Ich sollte mir endlich mal ein Beispiel an ihm nehmen. Er war zwar oft ziemlich streng, aber das nur, weil er das Beste für mich wollte. In Wahrheit gerieten wir wahrscheinlich nur so oft aneinander, weil wir uns so ähnlich waren. Und weil er eben so ehrlich zu mir gewesen war, war ich es ihm nun schuldig, es zu erwidern.

„Ich war heute Nacht nicht bei Chad", gestand ich zusammenhanglos.

Dad zog leicht verwirrt die Augenbrauen zusammen.
„Warst du bei Lea?", wollte Mum wissen.

Ich war froh, dass sie da war, ohne sie hätte ich niemals den Mut, das zu tun.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich... Ich war bei Austin"

Ich sah, wie sich die Hände meines Dads zu Fäusten ballten und wie er sie verkrampft wieder öffnete. „Was hast du da gemacht?"

Vorsichtig hob ich den Blick, um ihn anzusehen. Er bemühte sich um Ruhe.

„Wir haben einfach nur geredet." Ich lächelte leicht, aber spürte die Traurigkeit und Enttäuschung in mir darüber, dass er mir nicht helfen wollte.
„Alle sehen mich immer so mitleidig an und behandeln mich komplett anders. Meine Freunde von früher waren nie richtige Freunde, sondern einfach nur dumme Idioten, die durch mich und die Band ihren Fame haben wollten und neue Leute sehen in mir nur den anstrengenden Krüppel, eine Belastung. Aber Austin ist so der einzige, bei dem ich mich nicht behindert fühle. Ich glaube ihm, wenn er mir sagt, dass ich perfekt so bin, wie ich es bin... Das tue ich nicht mal bei euch."
Ich sah die Verletzung in den Blicken meiner Eltern und seufzte. „Es ist so: Ihr müsst mich lieben, für mich da sein und mich aufmuntern, weil ihr meine Eltern seid. Aber Austin ist zu nichts von dem verpflichtet und trotzdem fühle ich mich sehr wohl bei ihm. Er gibt sich auch ziemlich Mühe dafür, aber selbst wenn er es nicht tun würde, wäre es so..."

„Hast du was mit ihm?", unterbrach mich mein Dad.

Ich sah ihn verstört an und schüttelte den Kopf. „Nein, Dad, ich stehe nach wie vor auf Frauen. Austin ist nur ein Bekannter. Einer, bei dem ich vergessen kann, dass ich an diesen Stuhl gekettet bin."

Es war die Wahrheit.

Wenn er mich ansah, fühlte ich mich so unglaublich wertvoll, wenn er mich berührte, geborgen und wenn ich mir vorstellte, wie er den Kuss heute Morgen vollbracht hätte, dann frei.

Es war verrückt, aber wahr.

Doch so ehrlich ich auch zu meinen Eltern sein wollte, konnte ich ihnen das nicht mitteilen, denn ich wusste selbst noch nicht, was es zu bedeuten hatte. Bis dahin blieb das schön mein Geheimnis.

Only mortal (Boyxboy)Where stories live. Discover now