Undercover

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Nach der Pizza hat Mat mich in den 2. Stock geführt, in dem wohl ein paar Schlafzimmer sind. Hier kann ich mich in Ruhe umziehen und Sabine anrufen. 

"Hallo?", fragt Sabine auf der anderen Seite der Leitung. "Hey Sabine, hier ist Julie. Es tut mir Leid, aber ich kann heute nicht zur Arbeit kommen.", sage ich mit leiser Stimme. "Mir geht es total schlecht." Ich bin so eine beschissene Lügnerin! Sie räuspert sich und die Pause, die sie macht, lässt nichts gutes verheißen. "Was soll ich machen, Julie? Ich brauche heute jemanden. Wenn niemand einspringen kann, bist du raus." Und damit legt sie auf. "So eine scheiße!"

Während ich mich umziehe zermartere ich mir den Kopf darüber, wie ich die nächste Miete zahlen soll, wenn Sabine keinen Ersatz für mich findet. Wieso mache ich das hier dann eigentlich überhaupt noch? Sollten wir obdachlos werden, machen 10.000€ auch nicht mehr viel aus. 

Als ich fertig bin, gehe ich die Treppe runter bis in das Erdgeschoss. Hinter einer Tür sind Stimmen zu hören und ich klopfe vorsichtig an. "Herein.", ertönt es. Die Jungs sitzen an einem Tisch und vor ihnen stehen ein paar Kaffee und ein paar Bier. Eben das, womit man besser in den Abend startet. "Ich bin fertig.", stammle ich. Sechs Augenpaare sind auf mich gerichtet und mustern mich von oben bis unten. Milo sieht mich gierig an, weswegen ich die Arme vor meinem Körper verschränke. Mat kommt auf mich zu, den Blick auf meinen Körper gerichtet. "Zieh das Top darunter aus, dann kannst du so gehen." Ein raunen und lachen geht durch die Runde. "Was?", frage ich ungläubig. "Zieh es aus. Du wolltest schon kein Kleid tragen, da musst du wenigstens ein bisschen Ausschnitt zeigen. Ansonsten kann auch ich mich stattdessen dahinstellen." Er dreht sich lachend zu den anderen um, die ihm grinsend zustimmen. Was für sexistische, idiotische Arschlöcher! Ich knalle die Tür zu und gehe in das Bad, das ich im Vorbeigehen bemerkt habe. 

Als ich ohne das Top wieder in den Flur trete, stehen die sechs schon bereit. Sie sind allesamt schwarz gekleidet. Einige von ihnen haben Ringe an den Händen, die wahrscheinlich nur dazu dienen, einen Schlag noch gefährlicher zu machen. Mat sieht mich mit seinen leuchtend grünen Augen an. "Es geht doch.", sagt er und wirft mir meine Jacke entgegen. Ich fange sie auf, ziehe sie über und wir treten vor die Tür. Dort stehen bereits zwei schwarze Vans bereit, mit denen wir zu der besagten Party fahren. 


Wir halten vor einer großen Halle, aus der bereits Musik dröhnt. Wir müssen irgendwie am Stadtrandt sein, doch diese Gegend kommt mir überhaupt nicht bekannt vor. Als wir aussteigen, zünden sich Mat, Milo und Emre jeweils eine Zigarette an und wir spazieren auf den Eingang zu. Mat nickt dem Türsteher zu, der ebenfalls zurück nickt und einen Schritt beseite macht, um uns herein zu lassen. Die Halle sieht von innen ganz anders aus, als ich es erwartet habe. Alles ist rot, gold gehalten und direkt neben uns ist eine Bar mit einem langen Tresen, der um die halbe Halle geht. "Komm.", ruft Mat mir durch die laute Musik zu und legt mir seine Hand auf den Rücken. Diese kleine Berührung schafft es, dass mir ziemlich heiß wird und ich es ein wenig bereue, doch kein Kleid angezogen zu haben. 

"Das ist unsere Lounge.", sagt er und ich folge ihm die Treppe herauf. Als wir ankommen, setzen wir uns auf das rote Sofa. Binnen weniger Minuten stehen zwei Kellnerinnen vor uns, die eine große Flasche Champagner und eine Flasche Gin bringen. Vollkommen gerädert von all diesen Eindrücken vergesse ich fast, dass ich hier und heute irgendetwas tun muss, was ich wahrscheinlich gar nicht tun will. "Warum bin ich hier?", frage ich, als Mat mir ein Glas Champagner reicht. "Ich gehe nicht davon aus, dass du direkt Gin trinken willst.", sagt er und nimmt sich dann sein Glas. "Du wirst heute für mich mit einem Typen reden." Ich soll also nur mit einem Typen reden? "Dieser Typ nennt sich Fabio. Er gehört einem anderen Clan an und du sollst ihn einfach ein bisschen aushorchen." Jetzt kommen wir so langsam zum Kleingedruckten. "Und weiter?", frage ich, woraufhin Mat schmunzelt. "Nichts weiter. Rede einfach ein bisschen mit ihm und sag ihm, dass du bei den Blinders aussteigen willst." "Ich soll also so tun, als wäre ich ein Mitglied, dass aussteigen will?", frage ich. "Nein, du willst wechseln, nicht aussteigen." Ich nicke und nippe an meinem Glas. "Und wie komme ich mit diesem Fabio in Kontakt?" 


"Hallo.", sage ich nervös, als Fabio auf mich zukommt. Er legt mir eine Hand auf den Rücken und küsst mich links und rechts auf die Wange. "Hallo, Julie.", sagt er und sein Blick wandert über meinen Körper. Ein leichtes Grinsen macht sich breit, als er in meinen Ausschnitt sieht. "Meine Freundin Eva hat mir gesagt, du würdest mich gerne kennenlernen." Ich nicke. Eva ist anscheinend ein Mitglied der Blinders und gleichzeitig Auge und Ohr für sie hier im Club. Sie arbeitet seit zwei Jahren hinter der Theke. Ich war ziemlich erleichtert, als Mat mir sagte, ich solle einfach mit Fabio bei Eva sitzen bleiben. "Du bist mir auch schon aufgefallen.", sagt er. "Ach, wirklich?", frage ich dümmlich. Er schmunzelt. "Ja, du bist anders als die anderen hier." Sein Blick wandert durch die Menschenmassen, bis er wieder in meinem Ausschnitt landet. 

Es dauert eine Weile, bis wir den Smalltalk hinter uns haben. "Ich war offen gesagt ein wenig verwirrt darüber, dass du mit mir reden möchtest.", flüstert er mir zu. "Warum?", frage ich und bin froh, dass vierte Glas Champagner in der Hand zu halten. Meine Wangen sind schon leicht errötet, so wie immer, wenn ich Alkohol trinke. "Weil du mit den Blinders hergekommen bist." Showtime. "Ja, weißt du, diese Blinders fangen langsam an mich zu langweilen. Ich habe das Geüfhl, ich muss da raus, muss etwas neues beginnen. Du weißt ja, dass es sowieso nicht mehr so gut um sie steht.", sage ich und zwinkere ihm zu. Seit wann bin ich so eine gute Schauspielerin? "Du hast ja so recht. Die Russen heizen den Blinders gerade ganz schön ein.", sagt er schadenfroh. "Genauso, wie du mir gerade.", haucht er und seine Hand wandert von meinem Rücken weiter runter. Ich versuche den Würgereiz zu unterdrücken und lächle gequält. Ein paar Meter weiter ruft jemand nach Eva, die sich nun von uns entfernt. Bitte lass mich bloß nicht zu lange alleine!  

"Aber genug über die Blinders geredet. Du könntest mich ja davon überzeugen, dich bei uns aufzunehmen." Seine Augen ziehen mich fast aus und ich frage mich, ob dieser ekelhafte Typ mit seinen schwarzen, nach hinten gegelten Haaren und seiner dünnen Statur eigentlich weiß, dass ich minderjährig bin. Ich lächle verlegen und versuche mich aus seinen Fängen zu lösen, doch da wird sein Griff fester. "Ich will mit dir verschwinden. Lass uns nach Hause fahren.", schlägt er vor und leckt sich über die Lippen. Ich sehe mich suchend nach den Jungs um. Wo bleiben sie bloß?! "Ich, ähm... ich sollte vielleicht besser zu den anderen gehen, bevor sie bemerken, dass ich mich anderswo umsehe.", stottere ich. Sein Blick wechselt von erregt zu fies und er packt mich am Arm. "Oh nein, ich will dich und du wirst jetzt schön mit mir kommen." Dann zerrt er mich von dem Barhocker. Plötzlich packt ihn jemand an der Schulter und reißt ihn von mir weg. Parker und Jason halten mich fest, während Mat sich dicht vor ihn stellt. Fabio spannt sich an und ohne dass jemand damit rechnet, verpasst er Mat einen Faustschlag mitten aufs Auge. Dieser geriet ins Straucheln, fängt sich aber schnell wieder und landet ebenfalls einen Schlag. Und noch einen, und noch einen, bis Emre ihn von Fabio wegzieht. Ein Geschreie und Gegröle geht durch die Menschenmasse um uns herum und der Türsteher kommt mit weiterem Securitypersonal. Wir werden raus begleitet und bleiben erst stehen, als wir bei den Autos sind. 


Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now