Die Gang (Mat POV)

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Mat (POV)

"Also hat sie uns beklaut und den Stoff verkauft? Und du hast ihr nun das Geld überlassen?", fragt Milo in sarkastischem Ton. Wir sitzen bereits seit einer Stunde an unserem Besprechungstisch. "Ja.", antworte ich trocken. "Diese kleine...", doch den Rest behält er lieber für sich. "Fakt ist, dass sie verhindert hat, dass jemand gestreckten, vermutlich giftigen Stoff in unserem Club verteilt." Milo knallt seine Faust auf den Tisch. "Nimmst du sie jetzt etwa in Schutz oder was?", knurrt er mich an.

"Ob ich sie in Schutz nehme? Bist du total bescheuert? Sie hat mich..." ich atme noch einmal tief ein und wieder aus, denn die Worte sind erniedrigend. "sie hat mich verarscht. Denkst du wirklich, dass ich sie in Schutz nehme?" Er beruhigt sich wieder ein bisschen und löst seine Faust. "Wenn ich sie jemals wieder sehen sollte...", murmelt er vor sich hin. "Dann gar nichts. Hast du verstanden?" Ich sehe mich im Raum um. "Niemand wird ihr etwas tun." Manche nicken, andere starren bloß auf ihre Hände. "Und wie sollen wir das Defizit an Stoff und Geld wieder aufholen?", fragt Vince dann. "Wir machen ein paar extra Überfahrten. Das sollte kein Problem sein.", beschwichtige ich die Jungs.

Als wir aus dem Besprechungsraum gehen, fühle ich mich müde und mein Kopf dröhnt. "Mat.", höre ich Emres Stimme. Er ist immer noch langsam unterwegs, deshalb bleibe ich stehen und warte auf ihn. "Ich wollte mich nur bedanken, für das was du getan hast. Ich war so dumm zu glauben, Jake wäre mein Freund." Ich nicke. "Ist schon ok. Ich weiß, wie das ist, hintergangen zu werden." Sein mitleidiger Blick gefällt mir gar nicht. "Ich dachte, du würdest mich deswegen rausschmeißen.", gesteht er, doch schüttle den Kopf und lege eine Hand auf seine Schulter. "Mach dir keine Sorgen. Du hast uns die Autos ja trotzdem ermöglicht.", grinse ich. Er erwidert das Grinsen leicht gequält und macht sich dann auf den Weg in sein Zimmer.

Wenige Schritte weiter höre ich wieder meinen Namen. Was ist hier heute bloß los? "Ja?", frage ich genervt und drehe mich um. Es ist Parker, der auf mich zugelaufen kommt. "Hast du nochmal etwas von ihr gehört?", fragt er mich vorsichtig. "Nein und ich habe wirklich keine Lust, weiter über Julie zu reden." Doch wie ich Parker kenne, wird er trotzdem weiter über sie sprechen wollen. "Du solltest nochmal über all das nachdenken. Sie hat bloß unseren Stoff geklaut und ihn in unserem Club verkauft. Du hast für Emre jemanden umgebracht." Will er das jetzt ernsthaft vergleichen? Ich setze an, um ihn in seine Schranken zu weisen, doch er hebt den Arm, um mich zum Schweigen zu bringen. "Ich weiß, dass das erstmal wie etwas komplett anderes erscheint, aber ihr beide seid euren Freunden gegenüber verdammt loyal. Sie wusste, dass du es ihr nicht erlauben würdest, wenn sie damit zu dir gekommen wäre." Ich bleibe ruckartig stehen und mein Kopf ist ganz nah vor seinem. "Wieso hätte ich das wohl nicht erlaubt, mh? Stehst du auf sie, dass du sie so in Schutz nimmst?" Die Wut kocht in mir auf und Parker sollte sich langsam besser zurücknehmen. "Nein.", sagt er und tritt einen Schritt zurück.

"Doch ich habe euch beide beobachtet. Ich brauche dir nicht zu erzählen, wie sehr du dich verändert hast, seit dem sie da ist.Als ihr zusammengekommen seid, hattest du endlich etwas, dass deinen Beschützerinstinkt und deine Aufmerksamkeit verdient hat. Du warst immer da, immer darauf bedacht, dass es ihr gut geht und sie wusste das zu schätzen. Die Art, wie sie sich an dich schmiegt, wenn jemand Fremdes im Raum ist. Wie sie dich beobachtet, wenn du arbeitest oder telefonierst. Sie hat absolut null Interesse an irgendeinem anderen Kerl gezeigt, als wir alle feiern waren und sie fühlt sich nicht eingeengt davon, wenn du mal wieder eifersüchtig bist. Ihr beide passt perfekt zusammen. Mach das nicht wegen eines einzigen Fehlers kaputt." Mir verschlägt es kurz die Sprache. So eine Rede hätte ich Parker niemals zugetraut und während er darüber sprach, wie wir zusammen harmonieren, blitzten vor meinem geistigen Auge ständig passende Situationen auf.

"Das ist ziemlich... schwul.", scherze ich und er boxt mir gegen den Arm. Wir müssen schmunzeln. "Irgendjemand muss dir das sagen. Milo ist selbst zu verletzt dafür. Er mochte sie an deiner Seite, jedenfalls auf seine Art." Dann tritt er einen Schritt zurück. "Ich sage nicht, dass du ihr sofort alles verzeihen sollst, aber schreib sie nicht ab." Ich nicke und beiße mir nachdenklich auf den Daumen. Das kann doch alles nicht wahr sein. Als er sich umdreht und gehen will, rufe ich ihm noch eines hinterher. "Das Studieren bekommt dir echt nicht gut." Er zeigt mir den Mittelfinger, ohne sich umzudrehen und ich muss lachen. So ein intelligenter Wichser.

Die vergangenen Tage ging alles drunter und drüber. Es war viel Arbeit, das Chaos wieder aufzuräumen und alle Gemüter zu beruhigen. Ich habe es letztendlich geschafft, den fehlenden Stoff in Form von Geld bei einem Abnehmer wieder gut zu machen, die Sicherheit im Club zu erhöhen, Emre zu rächen und eine fette Entschuldigung von Jacks ekelhaften Freunden zu bekommen. Aber etwas in mir ist unzufrieden. Ich habe meine Wunden geleckt, sollte nun wieder erhobenen Hauptes sein, doch es geht nicht. Zu sehr verwirrt es mich, wie Julie mich hintergehen und mir gleichzeitig helfen konnte. Außerdem schwirrt mir dieser Lenny in meinem Kopf herum und zerstört meine Gedanken an eine Versöhnung immer wieder. Ich will ihn nicht in Julies Nähe wissen, egal ob ich ihr verzeihe oder nicht. Der Typ muss von allen guten Geistern verlassen sein, mein Mädchen da mit reinzuziehen. Natürlich könnte es ihre Idee gewesen sein, ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es ihre war, aber er hat sich darauf eingelassen und gewusst, was das für sie bedeutet. Doch wenn ich ihm das antue, was in meinen Gedanken herumschwirrt... nein!

Ich darf mich von meinen inneren Trieben nicht überwältigen lassen. Was auch immer zwischen uns ist, ich werde nie aufhören können, auf sie aufzupassen. Ihr verdammter Bruder hat sie verlassen und sie braucht den Halt ihrer Freunde, erst recht wenn sie mich nicht mehr hat...

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt