Hochverrat

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Ein letzter Blick in den Spiegel. Ich trage ein schwarze Jeans, weiße Sneaker und ein lockeres Oberteil. In meiner Hand halte ich eine Jacke mit Kapuze, falls wir schnell und unauffällig abhauen müssen. Kein typisches Partyoutfit, aber passend für den heutigen Abend. 

"Bist du soweit?", frage Lenny und betritt sein Zimmer. Er hat es mir zum Fertigmachen bereitgestellt. Ich nicke und schaue ihn ernst an. "Du kannst noch aussteigen, wenn du willst.", bietet er schuldbewusst an. Ich schüttle den Kopf. "Kommt nicht in Frage. Wir ziehen das durch und dann ist das Thema hoffentlich endgültig beendet." Lenny rünft die Nase und schaut zu Boden. "Wenn dein Bruder wüsste in was für Schwierigkeiten ich dich bringe, würde er mir in die Eier treten." Etienne stand meinen Freunden immer Nahe und war für sie da, als wären sie seine eigenen Geschwister. "Aber er ist nicht da.", sage ich knapp und greife nach meiner Tasche. Als ich an Lenny vorbeigehen will, hält er mich an meinem Arm fest. 

Er zieht mich in eine Umarmung und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren. "Es tut mir alles so Leid.", sagt er. "Lenny. Du hast noch fünf Minuten um Emtional zu sein, danach müssen wir unsere Gedanken abstellen und einfach das tun, was wir tun müssen, ok?" Ich versuche dabei so sanft wie möglich zu klingen, doch ich bin ehrlich besorgt, dass Lenny unter dieser Last im Laufe der Zeit zusammenbricht. "Okay.", flüstert er. "Du bist noch viel tougher geworden, als sowieso schon, weißt du das?", sagt er, als wir uns auf der Umarmung lösen. "Ich hatte keine andere Wahl."

Im Club angekommen ist es laut, dunkel und stickig. Die Blinders lassen die Leute hier drin rauchen und so gut wie jeder nutzt dieses Angebot. Die Musikrichtung geht in Richtung Hip Hop, RnB. Wir setzen uns eine Weile in eine dunkle Ecke und Lenny holt uns zwei Getränke. Es dauert nicht lange, da verschwindet er mit dem ersten Kunden und auch ich verkaufe unaufällig ein paar Tüten und Pillen. Die ersten Stunden vergehen ziemlich schnell und unkompliziert. Mit jedem Drink schwindet die Aufregung und ich bekomme fast das Gefühl, dass doch alles gut ausgehen könnte. 

Doch kurz nach Mitternacht sehe ich, wie zwei Typen sich suchend umsehen und sich etwas zuflüstern. Ich bin mir nicht sicher, ob sie von den Blinders sind, doch der eine kommt mir sehr bekannt vor. Ehe ich zu Lenny etwas sagen kann, verschwinden sie wieder und tauchen erstmal nicht mehr auf. Vielleicht habe ich mich auch einfach getäuscht. "Maximal noch eine Stunde, dann können wir gehen.", sagt Lenny erleichtert. "Wir haben es gleich geschafft.", lächle ich. "Sollen wir tanzen?", fragt er und anstatt zu antworten springe ich auf und tanze in Richtung Tanzfläche. 

Als der nächste Song beginnt, sehe ich die beiden Typen wieder, dieses Mal sind hinter ihnen noch vier weitere. "Lenny.", flüstere ich und nicke in ihre Richtung. Er folgt meinem Blick. "Fuck.", stöhnt er. "Du musst gehen, schnell.", weise ich ihn an und schubse ihn in Richtung Notausgang. Ich ziehe mir meine Kapuze über den Kopf und versuche ruhig in Richtung Hauptausgang zu gehen. In der Menschenmenge, die alle dunkel gekleidet sind, kann es gut sein, dass sie mich aus den Augen verlieren, erst recht wenn ich keine auffälligen Bewegungen mache.

Doch als ich den Flur in Richtung Ausgang erreiche, höre ich eine Stimme hinter mir. "Hey, bleib stehen.", weist mich jemand an, doch ich beschleunige meinen Schritt. Es sind nur noch wenige Meter zum Ausgang, bis ich unsaft an der Schulter umgedreht und gegen die Wand geschleudert werde. Mein Kopf knallt gegen die Wand und ein Stöhnen entfährt mir. Dann reißt mir jemand die Kapuze vom Kopf. 

Vor mir stehen sechs Typen, die sich so organisiert haben, dass ich auf keinen Fall mehr an ihnen vorbei komme. Ich traue mich nicht, hochzusehen, doch als ich zu Boden blicke, sehe ich Schlagstöcke, Schlagringe und andere Dinge in ihren Händen. Eine Sekunde ist es ruhig, doch dann höre ich ein leises Fluchen, dass ich nur zu gut kenne. 

"Julie?", fragt Mat ungläubig und seine Nasenflügel beben vor Adrenalin. Ich sehe ihn an, dann an ihm vorbei zu den anderen. Die zwei Typen von vorhin stehen ganz hinten, vor ihnen zwei weitere und davor stehen Parker und Milo, die mich finster ansehen. "Was zum Teufel machst du hier?", schreit er mich an. Jemand biegt in den Flur ein, doch Milo macht eine Handbewegung und die Person geht schnellen Schrittes wieder zurück. Hier ist die Musik gedämpft, sodass ich Mats schwere Atmung hören kann. 

"Antworte mir", schreit er und boxt direkt neben mich in die Wand. Ich schreie erschrocken auf, auch wenn er mich nicht getroffen hat. Seine Augen sind wild und die Wut kocht in ihm auf. Ich weiß nicht, wozu er in dieser Situation in der Lage ist, doch ich weiß, dass ich ihn verraten habe. "Ich kann es dir erklären.", sage ich und meine Stimme bricht. Einer der Typen ganz hinten lacht auf und schaut zur Seite. Das hören sie wohl öfter... 

Mat packt mich unsanft am Arm und zerrt mich in einen Nebenraum. Ich hätte gedacht, er schickt die anderen Weg, doch sie folgen uns still, bis der letzte die Tür schließt. Er drückt mich unsanft auf einen Stuhl und lehnt sich gegen den Tisch gegenüber. "Wenn du jetzt nicht redest, dann schwöre ich dir...", beginnt er, doch ich unterbreche ihn. "Ich musste das tun.", sage ich und schaue zu ihm auf. "Wer hat dich dazu gezwungen?", brummt er. Ich kneife meine Augen zu und schüttle den Kopf. "Niemand.", antworte ich ehrlich. Ein raunen ist hinter ihm zu hören, die anderen versuchen sich ebenso einen Raum darauf zu machen. "Niemand hat dich dazu gewzungen, aber du musstest es tun?", fragt er kalt, während er mit dem Schlagring in seiner Hand herumspielt. 

Meine einzige Chance besteht darin, ihm alles zu erzählen. Und genau das tue ich... 

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now