Angriff

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Wir unterhalten uns über belanglose Dinge und als ich meinen letzten Schluck Kaffee trinke, atmet sie schwer ein und wieder aus. "Auf jeden Fall bin ich dir sehr dankbar, dass du hier bist." Sie nimmt meine Hand in die ihre und sieht mich mit ihren bernsteinfarbenen Augen an. "Milo hat immer versucht, mich aus allem rauszuhalten. Bis auf wenige Ausnahmen hat das geklappt und ich stand immer hinter ihm. Doch jetzt...", sagt sie und schaut an sich runter. "... ist die Situation anders. Ich war so geschockt, als ich von all dem erfuhr und wusste nicht, wie es weitergehen soll." Ihre Stimme zittert und sie tut mir unendlich Leid. "Ich bin da, Charlotte. Und heute werden sie den Streit endgültig beenden.", sage ich und lächle sie aufmunternd an. Sie lächelt ein wenig gequält zurück und nickt. "Ich hoffe es für uns alle."

"Ich störe euch nur ungern, aber es geht los.", sagt Mat, der plötzlich im Türrahmen steht. Ich folge ihm ins Wohnzimmer, während Charlotte in der Küche zurück bleibt. "Wo ist ihr Verlobter eigentlich?", frage ich Milo, der vor Mat läuft. "Geschäftsreise.", antwortet er knapp. Ob die beiden sich mögen?

"Die Türen sind alle abgesichert, bis auf eine. Es gibt nur einen Weg, wie sie hier reinkommen können und den werden wir überwachen. Es ist wichtig, dass sie wirklich ins Haus kommen, damit sie in der Falle sitzen. Sie werden ins Wohnzimmer kommen und mit dir reden. Du musst einfach so tun, als wenn du kooperierst und keinen Ärger willst, verstanden? Wir werden sofort nachkommen und sobald wir da sind, rennst du hinten durch die Küche raus. Du drehst dich nicht um, sondern rennst einfach los.", erklärt Mat. Ich nicke und inspiziere angestrengt das Wohnzimmer. "Sollte es nicht hundertprozentig so ablaufen, wie gerade erklärt wurde, dann tu einfach das, was du gestern im Boxring geübt hast. Und dann lauf. Wir sind hier überall verteilt, jemand wird dich finden und beschützen.", versichert Mat. "Okay."

Die anderen verlassen das Zimmer und Mat und ich stehen alleine da. "Milo bringt Charlotte jetzt zu einer Freundin.", sagt er und ich bin erleichtert, dass sie gleich in Sicherheit ist.. "Ich muss jetzt auch hier raus.", sagt er und fährt sich durchs Haar. "Okay." Er kommt einen Schritt auf mich zu und sieht mir nachdenklich in die Augen. "Du schaffst das.", sagt er und seine Worte gehen runter wie Öl. Ich schmunzle leicht und schaue zu Boden. "Klar.", flüstere ich. Plötzlich steht er dicht vor mir und als ich zu ihm aufsehe, legt er seine beiden Hände in meinen Nacken. Er zieht mich zu sich und küsst mich auf die Stirn. "Wir sollten danach reden.", sagt er, als er von mir ablässt. "Das sollten wir.", bestätige ich. Dann ist es auf einmal verdammt still im Haus.

Mit einer Decke und der Fernbedienung bewaffnet sitze ich auf dem Sofa. Vor mir ist der Fernseher, auf dem irgendeine Show läuft. Ich habe nicht eine Sekunde mitbekommen, worum es darin geht, viel zu groß ist meine Angst und meine Anspannung. Meine Fantasie spielt mir einen Streich und vor meinem geistigen Auge spielen sich Szenarien ab, wie dass sie mich einfach sofort erschießen oder mit so vielen Leuten hier aufkreuzen, dass Mat und die anderen nichts tun können. Außerdem höre ich immer wieder Mats Stimme, dass wir nach dem heutigen Abend reden sollten. Ich hoffe wirklich, dass es zu diesem Gespräch kommt und nichts schlimmeres passiert.

Plötzlich reißt mich ein knarren einer Bodendiele aus meinen Gedanken. Ich sehe zur Uhr an der Wand - 23:07 Uhr. Mein Herz schlägt sofort doppelt so schnell und ich versuche mich auf die Sendung vor mir zu konzentrieren. Nicht durchdrehen, Julie. Die Blinders haben alles unter Kontrolle.

"Einen wunderschönen guten Abend.", höre ich die sarkastische Stimme eines Mannes hinter mir. Ich drehe mich erschrocken um und sehe, wie fünf Typen sich hinter mir aufbauen. Sie sind alle dunkel gekleidet, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, aber ich kann erkennen, dass sie wesentlich älter als Mat und seine Leute sind. "Charlotte, wie schön dich mal persönlich kennenzulernen.", lacht der vorderste. "Wer sind Sie?", frage ich mit zitternder Stimme. "Das spielt keine Rolle, aber du kannst uns gerne als deine Entführer ansehen." Ich springe auf, weil ich denke, dass man das in so einer Situation so macht. "Aber, aber... bleib ganz ruhig. Wenn du uns keinen Ärger machst, werden wir dir auch nichts tun.", sagt er und kommt einen Schritt auf mich zu. "Die ist ja gar nicht schwanger.", stellt ein anderer fest. Kritisch begutachten sie meinen Körper und kurz habe ich Angst, dass alles auffliegt. "Tja, dann ist wohl heute mein Glückstag. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so hübsch ist. Vielleicht gönne ich mir noch einen kurzen Spaß, bevor wir sie hier wegschaffen.", grinst der Vorderste. Mir wird sofort eiskalt und furchtbar schlecht. Wie kann ein Mensch so widerlich sein? Wenn Mat ihm nicht die Eier abschneidet, dann werde ich das höchstpersönlich tun. Sie kommen weiter auf mich zu, während ich große Schritte nach hinten machen, bis ich die Wand hinter mir spüre. "Na komm schon, ich versichere dir, es wird dir gefallen.", sagt er und ist dicht genug vor mir, dass ich seine gelben Zähne sehen kann.

Als er seine Hand nach mir ausstreckt, überkommt mich die pure Panik. Mats Stimme hallt immer noch in meinem Kopf nach, doch all das bringt nichts. Das hier ist definitiv nicht mehr der Plan. Wo zum Teufel stecken die anderen? Ich schlage seinen Arm beiseite, verdrehe ihn gleichzeitig und als er sich winden muss, damit die Schulter nicht auskugelt, trete ich ihm gegen das Knie. Er schreit schmerzerfüllt auf, da kapieren die anderen, was los ist. Sie kommen auf mich zugestürmt, doch ich fliehe in Richtung Küche.

Ich erreiche gerade die Tür, als mich jemand an den Haaren zurückzieht. Es tut höllisch weh, als würde meine ganze Kopfhaut abreißen. "Du miese kleine Schlampe. Ich werde dich umbringen.", schreit der Typ mir hasserfüllt entgegen. Dann boxt er mir in den Bauch. Und nochmal, und nochmal. Alles in mir zieht sich zusammen, ich bekomme keine Luft mehr und sinke auf den Boden. "Jetzt bist du nicht mehr so frech, mh?"

Doch in dem Moment reißt jemand die Haustür auf und ich war noch nie so glücklich, die Worte "Du mieser Bastard.", zu hören.

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now