Tod

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Sie alle hören mir unter kritischen Blicken zu. Sie lassen mich ausreden, was schon mal viel Wert ist. "Also hat Lenny dich dazu gezwungen?", fragt Mat, schaut mich dabei aber nicht an. Er kann mich nicht ansehen, kann meinen Anblick gerade nicht ertragen und das tut weh. "Nein, ich habe es ihm angeboten, damit er endlich von seinem Bruder frei kommt."

Mat steht auf und geht im Raum auf und ab. "Du weißt gar nicht, was du da getan hast.", murmelt er. "Doch, das weiß ich.", sage ich. Er schaut mich böse an und macht einen Schritt auf mich zu. "Ach ja?", flüstert er kalt und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Er hasst mich... "Ja, ich habe dich verraten, weil ich das Leben meines besten Freundes retten wollte." Und als ich das ausspreche, fließt mir eine heiße Träne über die Wange. "Nein.", sagt er bestimmend. "Fang jetzt bloß nicht an zu heulen.", warnt er mich. Ich wische mir die Träne weg und versuche mich zusammen zu reißen. Dass die anderen immer noch im Raum stehen, macht es nicht einfacher.

"Du hast alles zerstört.", sagt er traurig. "Mat, ich...", doch er hebt seine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. "Was soll ich jetzt tun, Julie? Ich kann so etwas nicht auf mir sitzen lassen. Normalerweise würde ich die Person, die so etwas tut, zusammen schlagen. Wir würden sie zusammen schlagen." Ich nicke und schaue in die Ferne. Ich habe keine Angst, ich habe es verdient, doch ich hatte keine andere Wahl. "Dann tu es.", sage ich fest entschlossen. Ich wusste genau, worauf ich mich einlasse. Er schüttelt frustriert den Kopf. "Nein, ganz bestimmt nicht."

"Geh einfach.", sagt er und sieht mich an wie eine Fremde. "Bitte...", flüstere ich. "Verschwinde und lass dich nie wieder bei mir blicken." Ich stehe vorsichtig auf und als ich gehen will, hält Milo mich grob fest. Er durchsucht meine Taschen und findet die letzten Tüten, die ich dabei hatte. Er nimmt sie angewidert heraus und hebt sie in die Luft. Sein Blick ist voller Hass und ich glaube, er würde mir am liebsten ins Gesicht spucken. Dann tritt er zur Seite und ich kann den Club endlich verlassen.

Mat (POV)

Ich schlage immer wieder auf den Boxsack ein, der schon voller Blut ist. Ich hatte keine Zeit, mir Handschuhe oder Bandagen anzulegen. Immer wieder spielt sich der Moment in mir ab, in dem ich sie gegen die Wand schubste und erkannte, dass es sie war. Meine eigene Freundin. Ich war so ein dummer Vollidiot. Ich dachte, es wäre nichts verwerfliches daran, sich der Liebe zu öffnen, vor allem wenn die Frau so ist wie Julie. Doch Julie ist nicht so, wie ich dachte. Ich hätte ihre Schulden niemals bezahlen sollen, hätte Hitch sie doch ficken sollen... "Mat.", ruft Milo und reißt mich aus meinen fiesen Gedanken.

"Was?", brumme ich. Er hat bereits den Erste-Hilfe-Kasten in der Hand und lehnt sich gegen den Boxring. "Es reicht. Wir müssen bald los." Ich nicke und halte den schwingenden Boxsack an. Dann gehe ich auf ihn zu, ohne ihn anzusehen und halte meine Hände vor ihm auf. Er fängt an die Wunden zu verarzten und ich verziehe mein Gesicht kein bisschen. "Das konnte niemand wissen.", sagt er in die Stille hinein. "Sei leise. Ich will nichts mehr davon hören.", warne ich ihn und er zuckt mit den Schultern.

Zwei Stunden später stehen wir vor Jacks Haus. Das Auto seiner Freundin ist weg, wie vorausgesagt und im Wohnzimmer brennt Licht. Killian braucht nur wenige Sekunden, um das Türschloss zu knacken und schon sind wir drin. Wir verteilen uns unauffällig und Red bleibt an der Tür stehen,falls er versucht zu fliehen. Dann spaziere ich ganz selbstverständlich und mit absoluter Mordlust in das Wohnzimmer. "Wen haben dir denn da?", sage ich.

Jack springt panisch auf und sieht sich im Raum um. Er hebt die Hände abwehrend und merkt schnell, dass seine Fluchtchancen schlecht stehen. "Matthew, ich..." Ich unterbreche ihn, indem ich mit meinem Baseballschläger eine der Vasen auf dem Kamin zerbreche. Er zuckt zusammen. "Habe ich jetzt deine ungeteilte Aufmerksamkeit?", frage ich und er nickt schnell.

Wie viel Zeit vergeht, weiß ich nicht, doch irgendwann kniet Jack blutverschmiert vor mir. Im Raum hat sich der metallische Geruch schon lange ausgebreitet. Früher wurde mir davon schlecht, doch das ist längst vorbei. "Es tut mir so Leid.", heult er wie ein kleines Kind. Er zittert und ich bin mir sicher, dass er sich eingepinkelt hat vor Angst. Armseliger Kerl. "Mir tut es Leid, dass Emre in dir so etwas wie einen Freund gesehen hat. Er wollte dir wirklich helfen und dein Dank ist ein Messer zwischen seinen Rippen." Dann setze ich dem ganzen ein Ende.

Als wir zurückfahren, sehen mich die anderen skeptisch an. "Was?", brumme ich. "Mat... du solltest eine Pause machen und das, was mit Julie passiert ist, verarbeiten." Was reden die da für eine scheiße? "Du bist nicht mehr du selbst." Ich lache auf. "Wie kommst du denn auf sowas?" Milo seufzt. "Bro, du hast dich gerade verhalten wie ein Tier. Du hast den ganzen Schmerz in die Folter von diesem Bastard gelegt. Das ist gefährlich." Ich beschließe darauf nicht weiter einzugehen.

Ich ziehe mir gerade eine Jogginghose über, als Parker an meiner Tür klopft. Hoffentlich nicht der nächste, der mir eine Standpauke halten will. "Was ist?", frage ich. Er lehnt sich gegen den Türrahmen und hält eine der Tüten in der Hand, die Milo Julie abgenommen hat. Natürlich geht es wieder um diese Schlampe... "Mat, wir müssen reden.", sagt er ernst. "Was gibts?", frage ich und schmeiße meine Klamotten in den Schrank. "Die Tüten, die Julie verkauft hat...", beginnt er, stoppt dann aber. "Was ist damit?"

"Das ist unser Stoff." Ich lege den Kopf schief und schaue ihn verwirrt an. "Was meinst du?", frage ich. Er seufzt, tritt ein paar Schritte in mein Zimmer und setzt sich dann auf mein Bett. Ich will ihm sagen, dass er dort verschwinden soll, doch dann fährt er fort. "Ich hab mir den Stoff angesehen, falls damit irgendwas ist, was auf uns zurückfallen könnte. Es ist unser Stoff, ich bin mir ziemlich sicher." Ich lasse mich in meinen Sessel fallen und lehne den Kopf gegen die Wand. Das kann doch gar nicht sein. "Wir sind die einzigen, die an unseren Stoff herankommen. Wie sollte sie unseren Stoff verkaufen können?" Er zuckt mit den Schultern. "Ich glaube, du solltest nochmal mit ihr reden..."

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt