Brunos Freundin

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Ohne mich umzudrehen laufe ich den Flur entlang zurück in den Saal. Ich bin so wütend auf Mat und seine beschissene Ansprache. Für wen hält er sich? Diese Arroganz kann er sich sonst wohin stecken. Es hätte mir klar sein müssen, dass es zwar nicht so wird wie vor seinem Besuch, aber auch nicht unbedingt besser.

Ich bleibe erst stehen, als ich hinter dem Tresen bin. Automatisch suche ich den Raum nach Mat ab, finde ihn aber nicht. Stattdessen sehen mich die anderen fragend an. Ich ignoriere ihre Blicke und bin froh, als mich ein Gast zu sich winkt, um zu bezahlen. Ich gebe gerade das Restgeld heraus, als die Tür aufgeht und ein Mädel das Diner betritt. Sie trägt eine Strumpfhose und einen grauen Rock, der ihr bis zu den Knien geht. Darüber einen weißen Rollkragenpullover. Sie hat dunkelblondes, lockiges Haar und Grübchen. Kurzum: Sie sieht toll aus. Suchend schaut sie sich um und als sie Bruno sieht, lächelt sie über das ganze Gesicht. Das ist eindeutig seine Freundin. Sie gehen aufeinander zu und küssen sich, dann legt Bruno ihr eine Hand auf den Rücken und bringt sie zur Bar.

Als ich meinen Blick von dem glücklichen Paar abwende, sehe ich Mat, der gerade die Herrentoilette verlässt und immer noch ziemlich sauer aussieht. Er setzt sich wieder zu den anderen, die sofort verstummen. Dann ext er sein Glas und knallt es demonstrativ auf den Tisch, als ich an diesem vorbeigehe. Ich zucke zusammen, würdige ihn jedoch keines Blickes. Stattdessen gehe ich auf Bruno und seine Freundin zu.

"Hey.", sage ich. "Hey Julie.", lächelt Bruno. "Tanja, das ist Julie.", erklärt er seiner Freundin. Sie dreht sich zu mir und streckt mir ihre Hand ihn. "Freut mich, dich kennenzulernen.", lächelt sie und mustert mich dabei möglichst unauffällig. "Freut mich auch. Ich habe schon viel von dir gehört.", antworte ich. Die beiden erzählen mir, dass sie heute nach der Schicht noch etwas trinken gehen wollen. "Hast du Lust, dich uns anzuschließen?", fragt Bruno. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Tanja so ein großer Fan von mir ist. Doch wie sagt man jemandem so etwas durch die Blume? „Du kannst uns ja später Bescheid geben.", rettet Tanja mich und sich selbst. Ich nicke bloß und mache mich wieder aus dem Staub.

Ich zapfe gerade ein Bier, als Tanja sich zu mir an den Tresen setzt. "Sag mal, was ist zwischen dir und dem geheimnisvollen Typen da hinten?", fragt sie und stützt ihre Ellenbogen ab. Ich drehe mich ruckartig um. "Was?", frage ich erschrocken, woraufhin sie mich vielsagend angrinst. "Ich beobachte hier seit einer Stunde eure Gäste und er -", sie zeigt mir ihrem Kopf in seine Richtung, "- starrt dich mindestens genauso lange schon an. Das muss seine Freunde ziemlich nerven." Sie nimmt sich eine Handvoll Nüsse, die auf dem Tresen stehen und steckt sich ein paar davon in den Mund. "Das bildest du dir ein.", sage ich und zapfe das nächste Bier. "Nein, ausgeschlossen.", erwidert sie selbstsicher. Eine Klette ist sie also auch noch.

"Das ist Mat.", flüstere ich, auch wenn er mich auf die Distanz nicht hören kann. "Aha. Und wie kommt es, dass Mat dich so anstarrt?" Ich fasse grob für sie zusammen, dass wir uns in letzter Zeit öfter sehen und versuchen herauszufinden, was das zwischen uns ist. „Aber heute hat er sich wieder einmal wie ein Arsch verhalten, deshalb können mir seine Blicke gestohlen bleiben." Sie schaut nachdenklich an die Decke. „Lade ihn doch ein, mit uns etwas trinken zu gehen, vielleicht ist es danach besser?" Fast hätte ich laut losgelacht. Tanja ist wirklich naiv. „Eher würde er sterben, als eine Art Pärchenabend zu verbringen."

„Also schön, aber du solltest trotzdem zu ihm gehen, ich denke, er will sich entschuldigen, weiß aber nicht wie und starrt dich deswegen an." Was ist bloß los mit dieser Frau? „Tanja, das ist wirklich lieb von dir gemeint, aber du kennst ihn nicht. Die Worte ‚Selbstreflexion' und ‚Einsicht' existieren in seinem Wortschatz nicht." Sie scheint überhaupt nicht zu begreifen, was ich ihr sagen will, denn sie lächelt mich einfach nur freundlich an. „Vertrau mir, ich kenne mich ein bisschen damit aus." Ich hebe eine Augenbraue und stemme die Hände in die Hüfte. „Achja?", frage ich und muss mich zusammenreißen, nicht unhöflich zu klingen. „Ja, ich studiere Psychologie." Natürlich tut sie das.

„Du meinst also, wenn ich jetzt darüber gehe, entschuldigt er sich?", frage ich nach einer Weile. „Jap.", antwortet sie. Diese Frau ist verrückt, ganz sicher. Aber so langsam macht es Sinn. Therapeuten haben doch sicherlich auch alle einen Knacks, ansonsten könnte man sich die ganzen Probleme der anderen doch gar nicht geben. „Und wenn nicht? Brichst du dann dein Studium ab?", scherze ich. „Dann breche ich ab und werde Kellnerin.", grinst sie frech. Auf so einen Spruch war ich nicht gefasst, sodass ich sprachlos von ihr zu Mat blicke.

„Also schön, wir werden ja sehen.", sage ich und laufe um den Tresen. Ich atme tief ein und wieder aus, bevor ich am Tisch ankomme. Ich kann nicht fassen, was ich hier gerade tue. „Kann ich euch noch etwas bringen?", frage ich so freundlich wie möglich. „Eine neue Runde, bitte.", bestellt Mat. Moment, hat er gerade bitte gesagt? „Alles klar, kommt sofort.", antworte ich und mache mich wieder aus dem Staub. Siegessicher sehe ich zu Tanja, doch dann spüre ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. „Kann ich kurz mit dir reden, während du die Bestellung fertig machst?" Er schaut mich ernst an, bevor ich nicke und einfach weiter gehe.

Ich stelle neue Gläser aufgereiht nebeneinander auf die Arbeitsfläche. „Das gerade tut mir Leid.", murmelt er. „Was genau?", frage ich schnippisch. „Dass ich so scheiße zu dir war, nicht die Schlägerei. Du wusstest genau, dass das passieren könnte, deshalb hast du die Typen schon vorher angesprochen. Aber ich hätte dich nicht so anfahren müssen." Seine Hände liegen auf dem Tresen und er spielt aufgeregt mit seinen Fingern.

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now