Drei Fragen

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Ich weiß nicht, wie viel Zeit bisher vergangen ist, doch ich bin immer noch hellwach. Ich weiß auch nicht, ob Mat neben mir bereits schläft. Ich versuche auf seine Atmung zu achten, doch wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung davon. Es ist so frustrierend, dass ich leicht seufze. "Du bist also auch noch wach.", stellt er mit rauer Stimme fest. Ich schrecke auf, doch dann muss ich schmunzeln. "Jap.", gestehe ich. "Was beschäftigt dich?", fragt er, als ob er das nicht genau wüsste.

"Wo soll ich da anfangen? Du weißt, dass wir morgen reden müssen, oder?" Er räuspert sich und legt sich seitlich in meine Richtung. "Wieso nicht jetzt?" Ich würde am liebsten antworten, dass ich nicht klar denken kann, wenn er fast nackt neben mir in meinem Bett liegt, doch das wäre nicht förderlich. "Wie du willst. Ich weiß aber nicht, was dabei herauskommen soll, denn du beantwortest mir eh keine meiner Fragen.", schmolle ich.

"Also schön. Du kannst mir drei Fragen stellen, die ich dir ehrlich beantworten muss." "Ist das dein Ernst?", lache ich. "Wenn du nicht willst, dann können wir auch schlafen.", entgegnet er mit beleidigtem Unterton. "Nein, schon gut. Drei Fragen also..."

"Wieso warst du so ein Arsch zu mir?", starte ich mit der ersten Frage. "Weil ich dich von mir fern halte wollte.", antwortet er. "Und warum?", sage ich und richte mich etwas auf. Ich bin so aufgeregt, dass ich fast vergesse zu atmen. Er überlegt kurz, doch mir kommt es vor wie eine Ewigkeit. "Das ist einfache Mathematik: Je weniger Leute mir wichtig sind, desto weniger Sorgen muss ich mir um andere machen. Das war übrigens deine zweite Frage." Shit, darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Ich habe nur noch eine Frage übrig. "Lass mich überlegen.", sage ich und schaue hoch zur Decke, die durch eine Straßenlaterne erhellt ist.

"Wolltest du wirklich nur Sex von mir?", frage ich schließlich. Es ist nicht die beste Frage, aber eine, die mich seit mehreren Tagen beschäftigt. "Nein.", antwortet er schnell. "Okay...", sage ich, während ich versuche seine Antworten zu verarbeiten. Er verwirrt mich - und das mehr als alles andere. Will er mir mit seinen Antworten sagen, dass ich ihm wichtig bin? Dass er sich Sorgen um mich macht?

"Jetzt bin ich dran.", sagt er und holt mich aus meinen Gedanken. "Das war aber nicht abgemacht.", necke ich ihn. "Ich kann mir meine Antworten auch anders holen, wie du weißt." Sein Ton ist schwer einzuschätzen, doch ich versuche die Situation wieder zu lockern. "Na gut. Wie lautet deine erste Frage?"

"Hast du in den letzten Tagen an mich gedacht?", fragt er unverblühmt. Zum Glück ist es dunkel in meinem Zimmer, sodass er nicht sehen kann, wie ich rot anlaufe. "Ja.", antworte ich mit belegter Stimme. Ich muss mir selbst eingestehen, dass ich sogar ziemlich oft an ihn gedacht habe. Egal ob ich mich über ihn in Gedanken aufgeregt habe, an die Sache im Club und bei Charlotte gedacht habe oder an unseren Kuss - meine Gedanken kreisten fast ununterbrochen um ihn.

"Hast du noch Angst vor mir?", fragt er. Die Unsicherheit in seiner Stimme vertreibt das letzte bisschen Wut und ich würde ihn am liebsten berühren. "Nein, habe ich nicht.", antworte ich ehrlich. "Dann zu meiner letzen Frage: Datest du den Kellner?" Mir war klar, dass diese Frage kommen würde. Ich dachte sogar, sie wäre die erste, die er mir stellt. Ich frage mich, ob ich ihm von Bryan erzählen soll, obwohl Emre mir versprochen hat, ihm nichts zu erzählen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, auch wenn ich ihm nichts schuldig bin. "Nein, aber ich habe mich mit jemandem getroffen, aber nur einmal.", gestehe ich und kralle mich mit meinen Händen in die Bettdecke. "Und?", fragt Mat. Auch wenn er bereits drei Fragen gestellt hat, antworte ich ihm. "Ich weiß, du wirst sauer sein, aber bitte hör mir erst bis zum Schluss zu..."

Und so erzähle ich ihm von Bryan, wie wir uns kennengelernt haben und dass ich mich von allem ablenken wollte. Davon, dass er mir diese Pille gab und ich noch eine haben wollte. "Es war dumm von mir, das weiß ich genau, aber ich hatte es so satt, immer nur traurig zu sein. Und als wir dann in der Bar die Pillen kaufen wollten, stellte sich heraus, dass Emre der Dealer ist." Er presst die Lippen aufeinander und atmet schwer aus. "Er hat mir nichts verkauft.", versichere ich ihm sofort. "Und er musste mir versprechen, dir nichts zu sagen. Ich habe mich so dafür geschämt und wollte nicht, dass du sauer auf mich bist." Vermutlich wird er gleich aufspringen, seine Sachen anziehen und ohne ein Wort verschwinden.

"Aber ich bin sauer auf dich.", murmelt er, doch seine Stimme klingt nicht wütend. "Ich würde jeden umbringen, der dir eine dieser scheiß Pillen gibt." Die Schuldgefühle überkommen mich. "So etwas ähnliches hat Emre auch gesagt.", flüstere ich. "Ich meine es ernst. Du solltest besser niemals wieder versuchen, an so etwas dran zu kommen. Ich töte denjenigen." Er spukt die Worte förmlich aus und ich habe keinen Zweifel daran, dass er das wirklich tun würde. "Es tut mir Leid.", ist das einzige, was ich hervorbringen kann.

Nach minutenlanger Stille, in der ich mich schon darauf eingestellt habe, dass wir nun einfach schlafen, ertönt Mats Stimme erneut. "Ich wusste das alles schon." Verwirrt drehe ich mich wieder zu ihm. "Was?", frage ich unsicher. "Dass du in der Bar warst. Emre hat es mir erzählt, er würde mir so etwas niemals verschweigen. Er hat mich davon überzeugt, dich nicht darauf anzusprechen und ich wollte sehen, ob du es mir von allein erzählst." Das alles war also nur ein abgekatertes Spiel? "Du wolltest mich testen?", pruste ich hervor. "Ja.", sagt er, als wäre das vollkommen normal. "Ich fasse es nicht."

"Es tut mir Leid, aber ich musste das tun.", ertönt seine Stimme erneut. "Du musstest?" "Ja, ich wollte sehen, wie ehrlich du wirklich zu mir bist." Ich verschränke die Arme und stoße ein fassungslosen Seufzer aus. "Toll. Und hab ich nun etwas gewonnen?", frage ich sarkastisch. "Ja, mein Vertrauen."

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now