Brüder (Mat POV)

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(Mat POV)

Sein ganzer Körper spannt sich an und ich rechne damit, dass er sich binnen Sekunden auf mich stürzt. Parker und ich haben uns noch nie wirklich gestritten. Das liegt zum Großteil daran, dass er ein ziemlich ruhiger Typ ist und zum Anderen, dass wir uns fast immer einig sind.

"Willst du mich eigentlich komplett verarschen?" Er spukt mir die Worte regelrecht vor die Füße und für einen kurzen Moment hat es mir die Sprache verschlagen. "Weißt du noch, was du gesagt hast, als du Julie das erste Mal gesehen hast?", fragt er und sieht mich dabei eindringlich an. Diese Frage lässt meinen Puls rasen und ich habe den Drang mich von meinem Platz zu erheben. "Natürlich.", sage ich mit trockenem Mund. Er nickt, hört nicht auf mich anzusehen.

Ich befand mich in einer, sagen wir mal, schwierigen Phase. Ich war nicht wirklich unglücklich, aber gelangweilt. Mein Alltag war immer der selbe, die selben Aufgaben, der selbe Ablauf, der selbe Sport, die selben Wichser, die sich bei mir einschleimen wollten. Selbst der Alkohol fing an mich zu langweilen. Als Julie so unsicher vor uns stand mit zittrigen Fingern, habe ich es als Spiel angesehen, sie zu verunsichern. Ich fand sie schon damals verdammt hübsch und ich dachte mir, es könnte mehr für mich rausspringen, als nur ein amüsantes Spiel. Ich wusste nicht, was sie mit mir machen würde...

"Du hast gesagt..." "Ich weiß, was ich gesagt habe.", unterbreche ich ihn, denn ich will meine eigenen Worte nicht hören. Würde heute jemand etwas in diese Richtung sagen, würde ich ihm mindestens zwei Rippen brechen. Ich bin mir bewusst, dass meine Aussage die eines Riesen Arschlochs gewesen ist, aber genau das war ich in dem Moment nun einmal.

"Du hast sie nicht verdient.", seufzt Parker und schaut kopfschüttelnd zu Boden. In mir steigt eine unbändige Wut hoch. "Aber du oder was?", knurre ich. Er richtet seinen Blick wieder auf mich und seine Augen sind lediglich zwei enge Schlitze. "Keine Ahnung, aber ich weiß, dass sie mich nicht hätte anlügen müssen, um Drogen zu verkaufen. Ich hätte sie nie in den Club geschickt, damit sich ein widerlicher Typ an ihr aufgeilen kann." Ohne es zu bemerken bin ich ein paar Schritte auf ihn zu gegangen. "Du stehst auf sie.", stelle ich das offensichtliche fest. "Du hast dich in MEINE Freundin verguckt?", meine Stimme bebt vor Wut. "Deine Freundin also, ja? Dann seid ihr wieder zusammen?" Ich ignoriere den enttäuschten Ton. Dieser Wichser hat nun ein verdammt großes Problem.

"Ganz genau. Sie gehört mir und daran wird sich niemals etwas ändern. Du Vollidiot hast dir wirklich Hoffnungen gemacht, oder?" Mit einem verachtenden Schnauben wende ich mich von ihm ab und gehe in Richtung Fenster. "Wie genau hast du dir das gedacht? Deine rührseligen Worte von wegen, ich solle sie nicht aufgeben und all der scheiß? Was wolltest du bezwecken, mh?" Ich balle meine Hände zu Fäusten und hoffe für ihn, dass ich mich noch weiter zurückhalten kann. Ich habe schon ewig nicht mehr auf jemanden eingeschlagen und würde ihm nur zu gerne die Nase brechen.

Dann wird er plötzlich ganz ruhig und stützt sich an der Sessellehne ab. "Du hast recht.", sagt er mit ruhiger Stimme. "Ich mag sie, schon immer...Aber mir war sofort klar, dass ich nicht derjenige sein werde, der sie bekommt. Du hast zwar dieses Spielchen begonnen, aber du hast dich damit verändert. Plötzlich warst du wieder der Anführer, der diese verdammte Stadt unter sich gebracht hat. Sie tat dir gut und ich habe meine Gedanken für mich behalten, weil man das unter Brüdern so macht. Ich habe mir nie Hoffnungen gemacht. Ich bekomme nur langsam das Gefühl, dass du das alles immer noch als Spiel ansiehst und sie ins Verderben stürzt."

Weil man das unter Brüdern so macht...

Dieser Möchtegern Samariter kann mich mal. Ich drehe mich ruckartig um und springe ihm entgegen. Er hebt seine Hände, doch ich komme ihm zuvor und packe ihn am Kragen. Ich drücke ihn gegen die Wand und er sieht mich hasserfüllt an. „Du lässt die Finger von ihr.", zische ich und erkenne meine eigene Stimme nicht wieder. „Ich habe dir bereits gesagt, dass ich noch im Diner den Gedanken verworfen habe, weil ich genau gesehen habe, dass du in ihr das selbe siehst wie ich." Ich drücke fester zu. "Du hast keine Ahnung, was ich in ihr sehe." Was bildet er sich eigentlich ein? Nichts desto trotz lasse ich ihn los, er soll sich wehren können.

"Seit dem sie da ist, hast du eine private Herausforderung, die dich aus diesem Sumpf gezogen hat. Du warst ganz plötzlich wieder der alte - und das obwohl ihr anfangs nicht einmal zusammen wart. Als du ihr angeboten hast, die Schulden zu übernehmen, bist du damit ein großes Risiko eingegangen, aber das war dir egal. Du hast es nicht getan, weil du darin irgendwelche Möglichkeiten gesehen hast. Du hast es getan, weil du sie beschützen wolltest." Siegessicher verschränkt er die Arme.

"Was willst du jetzt von mir?", presse ich hinter zusammengepressten Lippen hervor. Er lacht lautlos auf. „Ich will gar nichts von dir, außer dass du deinen beschissenen Job machst und dein Privatleben klärst. Für mich ist das Thema durch."

Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar. Diese Situation ist so beschissen, dass ich gar nicht weiß, wie ich reagieren soll. Ich will Parker eine reinhauen, aber dafür habe ich nicht einmal wirklich einen Grund. Aber brauche ich dafür überhaupt einen? "Du wirst ihr nicht zu Nahe kommen. Und du hörst auf, dich in unsere Angelegenheiten einzumischen. Wenn du herausfindest, wo die Kohle ist, ist das hier vergessen.", knurre ich, er nickt mir zu und verlässt den Raum. Auch wenn ich es nicht will, ich muss wie ein Anführer denken; nicht wie ein eifersüchtiger Freund.

Als ich alleine bin, greife ich zu dem Wasserglas auf meinem Schreibtisch und lasse es an der Wand zerschellen. Niemals wollte ich in so eine Situation geraten. Parker ist so ein verdammtes Arschloch. Ich stelle sie mir mit ihm vor und mir läuft ein Schauer den Rücken herunter. Julie ist gut für mich, sie ist meine Flucht aus dem Alltag, aber was ist, wenn Parker für SIE besser wäre? Er studiert, ist der klügste unter uns und wird es irgendwann hier raus schaffen. Er könnte sie mitnehmen und sie könnte ein normales Leben führen... "Fuck.", fluche ich und trete gegen den Schreibtisch.

Im nächsten Moment stehe ich in meinem Zimmer und boxe so lange gegen den Boxsack, bis meine Muskeln versagen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, aber ich bin ausgelaugt und meine Laune hat sich nicht verbessert. Ich schnappe mir die Klamotten, die über meiner Schranktür hängen und schlurfe in Richtung Bad. "Was ist los?", fragt eine Stimme vor mir und erst jetzt erkenne ich Milo, der gerade aus dem Bad kommt. "Nicht jetzt."

"Parker ist ein Wichser.", stellt er fest und lehnt sich gegen die Wand. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und sehe ihn schräg an. "Glaubst du, mir ist das noch nicht aufgefallen? Erst dachte ich ja, er will mir meinen Rang als bester Mann streitig machen, aber dann hab ich seinen Blick gesehen." Seine Worte fühlen sich an wie eine weitere Last. "Ich stehe hinter dir, man. Und wenn es sein muss auch hinter Julie." Dann kommt er einen Schritt auf mich zu und hält mir die Hand hin. Ich schlage ein und kann mir ein schräges Schmunzeln nicht verkneifen. Das ist es, was ein wahrer Bruder macht...

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora