Mat und Lenny

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„Als Hausaufgabe bearbeitet ihr bitte die nächsten drei Aufgaben.", ertönt die Stimme unseres Mathelehrers kurz vor dem Klingeln. Steph und ich sind mit den Gedanken ganz woanders. Sie möchte unbedingt meinen Geburtstag nachholen, nachdem ich die Party aufgrund der Umstände abgesagt habe und ich will nie wieder einen Club betreten. „Wir können ja auch ganz entspannt etwas bei Jasper und Lenny machen.", schlägt sie vor. „Ich glaube, Jasper hat schon alle Hände voll mit Lenny zu tun, da braucht er nicht auch noch etwas für mich zu organisieren. „Und wie ich das habe.", bekräftigt Jasper aus der Reihe hinter uns und wir müssen lachen.

„Hast du mal wieder etwas von Mat gehört?," fragt Steph mich auf dem Pausenhof. „Ja, er holt mich heute nach der Schule ab. Was genau wir machen, weiß ich aber nicht." Ich bin ziemlich aufgeregt deswegen. Noch immer weiß ich nicht, wohin es für uns gehen wird. Deshalb stand ich gestern geschlagene zwei Stunden vor meinem Kleiderschrank und wusste nicht, was ich einpacken sollte. Jasper wirft mir einen nachdenklichen Blick zu, doch ehe ich ihn darauf ansprechen kann, ertönt die Klingel.

Als wir auch die letzte Stunde endlich hinter uns gebracht haben, verabschiede ich mich von den anderen und laufe direkt zum Parkplatz. Das Auto von Mat erkenne ich sofort. Ich öffne die Beifahrertür und steige ein. „Hey.", sage ich und lächle. „Hey, Musterschülerin.", scherzt er. Dann legt er seine Hand meine Wange und zieht mich leicht zu sich. Er küsst mich auf den Mund und Erleichterung macht sich in mir breit. Ich wusste nicht, ob er das will und wie normal ich mich tatsächlich verhalten soll, doch dass er jetzt die Initiative ergreift ist doch ein gutes Zeichen, oder?

„Wo fahren wir eigentlich hin?", frage ich. Er lächelt verschwörerisch. "Wir fahren nicht weit weg, ehrlich gesagt nur an den Stadtrand. Da habe ich eine Wohnung, die ich dir zeigen möchte.", erklärt er, als wäre das nichts. "Du hast eine eigene Wohnung?", hake ich nach. "Ja, jeder von uns hat eine eigene Wohnung.", lacht er. "Und dann übernachtet ihr trotzdem alle zusammen in einem Haus, in dem jeder bloß ein Zimmer hat?" Er nickt. "Ja, das ist einfacher und es bringt nicht einmal ansatzweise so viel Spaß, alleine in der Wohnung zu sitzen und nur darauf zu warten, dass irgendetwas passiert. Außerdem ist unser Fitnessstudio dort."

Wir halten noch kurz bei mir, damit ich meine Sachen holen kann. Ich beeile mich und als ich das Haus verlasse, steht Mat vor seinem Wagen. Er raucht eine Zigarette und telefoniert mit jemandem. Als er mich sieht, beendet er das Telefonat und lächelt. "Können wir?", fragt er und ich lege meine Tasche auf die Rückbank.

Sein Handy, das in der Konsole liegt, vibriert mehrmals auf der Fahrt, doch er macht keine Anstalten den Anruf entgegen zu nehmen. Ich erhasche einen kurzen Blick und sehe die Anrufe in Abwesenheit, sowie eine neue Nachricht. Ich kann meinen Augen nicht trauen, als ich den Absender sehe: Die Nachricht ist von Lenny. Wir biegen gerade in die richtige Straße ein, als ich Mat entsetzt ansehe. Er hat nicht mitbekommen, dass ich den Namen gelesen habe und ist sich keiner Schuld bewusst. "Was ist los?", fragt er irritiert.

"Was zum Teufel hast du mit Lenny vor?", frage ich und sein Blick wird ernst. "Ich habe gerade gesehen, dass du eine Nachricht von ihm bekommen hast." Er lacht und stellt den Motor ab. "Ist das dein Ernst? Glaubst du, du bist in der Position mir hinter her zu spionieren?" Ich schnalle mich ab und verschränke demonstrativ die Arme. Es war klar, dass er jetzt diese Karte ausspielt. "Ich habe nicht spioniert, dein Handy liegt schräg vor mir und blinkt andauernd auf." Er reagiert nicht auf meine Aussage, sondern greift nach seinem Handy und steigt aus. Dann nimmt er unsere Taschen vom Rücksitz. Ich bleibe einfach sitzen und als er ein paar Schritte auf das Haus zu macht, sieht er mich erwartungsvoll an. Er bleibt einfach ruhig dort stehen und er würde das Spiel wahrscheinlich noch ewig weiterspielen. Ich steige also wütend und resigniert aus und er schließt das Auto sofort über die Fernbedienung ab.

Wir gehen stumm rein und in mir steigt langsam Panik hoch. Was, wenn er Lenny dafür bestrafen möchte, dass er mich mit in den Club genommen hat? Oder dafür, dass er überhaupt vorhatte, Drogen im Blinders-Gebiet zu verkaufen?

Wir betreten die Wohnung und von diesem Punkt aus, kann man alles wunderbar überblicken. Das Gebäude grenzt direkt an einen Wald und im Wohnzimmer ist eine große Fensterfront genau in die Richtung. Alles ist aus Holz und es riecht herrlich danach. Eine offene Küche geht direkt vom Wohnzimmer ab und unmittelbar vor uns ist eine Treppe, die wahrscheinlich zum Schlafzimmer führt. Die Wohnung ist wunderschön und ziemlich neu. Er stellt unsere Taschen neben die Treppe. "Und? Gefällt es dir hier?", fragt er.

"Nein, ich werde jetzt nicht begeistert sein und mir hier alles ansehen. Mat, was hast du mit Lenny vor?", frage ich besorgt. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen und er sieht mich wütend an. Er macht einen Schritt auf mich zu. "Ich sage es dir nur einmal: Halt dich da raus. Du bist nicht in der Position irgendetwas zu fordern und ich habe etwas mit Lenny zu klären." Ich weiche einen Schritt zurück und versuche meine schnelle Atmung zu kontrollieren. Sein Blick ist kalt und hart, sodass er unser Blickduell gewinnt und ich zur Seite sehe. "Wieso schleppst du mich überhaupt mit hier her?" Er atmet genervt aus und starrt mein Gepäck an, als würde er überlegen, es nicht doch wieder in das Auto zu bringen und mich nach Hause zu fahren. "Das hat beides nichts miteinander zu tun."

"Kannst du mir eines versprechen?", frage ich mit unkontrollierter Stimme. Er verschränkt die Arme und wartet ab, was ich zu sagen habe. "Versprichst du mir, dass du ihm nicht weh tust?" Ich sehe ihn flehend an. Ich habe keine Ahnung, was er vor hat und muss vom schlimmsten ausgehen. "Wenn du mir versprichst, ihn nicht darauf anzusprechen und herausfinden zu wollen, was ich von ihm will." Ich nicke sofort. Das ist vertretbar, wenn ich weiß, dass Lenny nichts geschieht. "Gut, dann verspreche ich es."

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt