Sechs Tage später

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„Ich bin wirklich froh, dass du wieder da bist. Sabine hat einen furchtbaren Ersatz für dich gefunden. Sie hieß Rosi und als ich sie fragte, wie alt sie sei, hat sie mich zehn Minuten angestarrt.", seufzt Bruno. Ich lache laut los, denn ich kann es mir nur allzu gut vorstellen. Ich habe Rosi gesehen, als ich ganz klein mit Hut am Montag hier im Diner ankam, um Sabine anzubetteln, mir meinen Job zurückzugeben. "Schätzchen,", hatte sie gesagt. "Ich bin nicht blöd. Ich weiß, dass da irgendwas mit den Blinders lief. Hast du Ärger?", fragte sie und als ich verneinte, griff sie nach einer Schürze und drückte sie mir in die Hand. Dieses Mal habe ich sie wirklich umarmt, wurde dann aber schnell von ihr weggedrückt und ermahnt, nie wieder einfach nicht zu erscheinen.

Das einzig doofe an der Sache war, dass ich die selben Schichten bekam, wie ich sie schon einmal hatte. Und wie der Zufall so will, ist heute Freitag...

Die Tür geht auf, als ich gerade zwei Whiskey an einen Tisch bringe. Mat und die anderen treten ein, gehen an ihren Tisch und nehmen erst dann ihre Kapuzen ab. Wie immer hält das ganze Diner kurz den Atem an. Ich rede mir ein, dass mir die Situation nichts ausmacht, während ich zum Tresen zurückgehe und ihre normale Bestellung abgebe. Doch als ich mich umdrehe, erwische ich mich, wie ich Mat beobachte. Er hat ein blaues Auge und ein paar Kratzer im Gesicht. Was hat er nur gemacht? Vielleicht war am Sonntag nachdem wieder ein illegaler Straßenkampf, aber dafür sehen die Wunden zu frisch aus. "Verdammt.", fluche ich leise vor mich hin und schüttle den Kopf. Hör sofort auf darüber nachzudenken!

Als ich mit den ersten Getränken an den Tisch komme, sehen mich die anderen gequält an. Emre hingegen ignoriert mich komplett. Er hatte mich ja vorgewarnt, es zu vergessen. Wortwörtlich. „Hey.", sage ich trocken und stelle die Gläser ab. "Hey.", antwortet Mat so abfällig wie möglich. Wieso ist er eigentlich sauer auf mich? Ich habe allen Grund dazu, sauer auf ihn zu sein und nicht andersrum! Es geht immer so weiter und als ich die letzten Burger abstelle, läuft Bruno an mir vorbei. "Julie, du schuldest mir noch einen Kinobesuch.", sagt er und lacht. Ich drehe mich um und lächle ihn an. "Stimmt, ist schon eine Weile her. Läuft der Film denn noch?" In dem Moment höre ich ein klirren hinter mir und drehe mich erschrocken zum Tisch. Überall liegen Glassplitter herum und Mat funkelt mich böse an. Es ist sein Glas, das kaputt gegangen ist, wie auch immer er das geschafft hat. Irritiert schaue ich mich in der Runde um, doch niemand sagt etwas. "Ich hole mal ein Tuch.", brumme ich und eile zum Tresen. Hat er das mit Absicht gemacht?

Nachdem ich die Scherben mühsam aufgesammelt habe, bedankte er sich zähneknirschend bei mir und sie machen weiter damit, mich abfällig zu ignorieren.

"Was war das denn?", fragt Bruno mich hinter dem Tresen. Ich zucke mit den Schultern. "Ich glaube, du hast mir einiges zu erzählen. Hier gingen sowieso schon viele Gerüchte herum." Jetzt werde ich hellhörig. "Was denn für Gerüchte?", frage ich. „Dass du in die Machenschaften der Blinders involviert bist und so ein Zeug, hab's aber von Anfang an nicht geglaubt." Ich lasse das Tablett in die Spüle fallen und stütze mich am Tresen ab. So eine verdammte scheiße! Das erste Mal, dass ich froh darüber bin, dass meine Mutter so gut wie nie vor die Tür geht.

Die restlichen Stunden verliefen glücklicherweise entspannt. Die Blinders essen und trinken wie immer, die anderen Leute sind auch zufrieden und ich bin dankbar, Bruno wieder um mich herum zu haben. Er lenkt mich so gut es geht von allem ab. „Wusstest du, dass Rosis Definition von einem doppelten Cheeseburger zwei Cheeseburger sind?", erzählt er mir und ich krümme mich vor lachen. „Ein hoch auf Rosi.", sage ich. Als ich mich wieder umdrehe, bilde ich mir ein, dass Mat seinen Blick ganz schnell abwendet.

„Ok, also morgen gehen wir ins Kino, in Ordnung? Ich hole dich ab.", verkündet Bruno, als wir parallel zwei Tische säubern. „Gut, okay. Aber ich werde dich auslachen, solltest du während des Filmes weinen.", ärgere ich ihn. „Julie, du brichst mir das Herz mit deinen Gemeinheiten." Ich schüttle lachend den Kopf. „Können wir zahlen?", durchbricht eine dunkle Stimme mein lachen. „Na klar.", sage ich und stelle mich vor den Tisch. Mat schmeißt mir ein paar Scheine entgegen, als wäre ich eine Tänzerin. Einige bleiben auf dem Tisch liegen, andere fallen zu Boden. Dann stehen sie wortlos auf. Er bleibt kurz vor mir stehen, zieht sich seine Kapuze wieder ins Gesicht und flüstert mir ins Ohr. „Stimmt so."

Als sie weg sind, hebe ich die Scheine auf und sortiere sie. Immer noch geschockt von dieser Aktion, gehe ich auf die Toilette. Ich wasche mir das Gesicht mit kaltem Wasser, doch das hilft nicht gegen die Tränen, die sich gesammelt haben. Wie kann man jemanden nur so behandeln? Dass wir uns geküsst haben, wird für mich zunehmend irreal. 


Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt