Kino

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„Hallo schöne Frau.", sagt Bruno, als ich in seinen Wagen steige. „Hey.", sage ich lächelnd. Als ich heute morgen aufgewacht bin, ging es mir gut. Nein, nicht dieses "ich bin stark und ich stehe das durch"-gut, sondern wirklich gut. Ich konnte die Miete für den nächsten Monat überweisen, ich hatte endlich Mal ein bisschen Zeit für mich und habe mich nach Boxvereinen umgesehen, in denen auch Frauen trainieren und als ich am Nachmittag in die Küche ging, stand Mama am Herd und kochte für uns. Ich hätte weinen können vor Freude, doch meine Tränen waren fürs Erste aufgebraucht.

"Ok, Popcorn oder Nachos?", fragt Bruno, als wir vor der Auslage stehen. "Wieso oder?", grinse ich und er bestellt von beidem eine große Portion für zwei Personen. "Du bist also eine dieser Frauen, die richtig viel essen können, aber nicht zunehmen, mh?" Ich hebe die Hände in die Luft. "Schuldig.", lache ich. "Ist das ein Klischee oder ist das bei Französinnen immer so?" "Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Ich kenne nur meine Mutter, die ist so wie ich und in Frankreich war ich noch nie.", gestehe ich. "Achso.", sagt er und bemerkt, dass er sich auf dünnen, sehr privatem Eis befindet. "Wir können schon in den Saal.", stelle ich fest, als das grüne Licht angeht. Also machen wir uns vollbepackt mit Snacks auf den Weg in den Saal.

Während wir auf den Filmstart warten, essen wir schon fast das ganze Popcorn auf. "Weißt du, meine Freundin war nicht begeistert, dass ich mit dir ins Kino gehe.", gesteht er. "Bruno, ihr seid jetzt zusammen?", rufe ich aus. Er lächelt über das ganze Gesicht. "Ja, wir sind tatsächlich zusammen." "Das freut mich riesig für dich. Gratuliere.", lächle ich, doch dann fühle ich mich schlecht. "Es tut mir Leid, dass ihr wegen mir Ärger habt. Vielleicht kann ich sie mal kennenlernen?" Er nickt. "Das ist eine gute Idee. Ich frage sie mal, ob sie nächsten Freitag im Diner vorbeikommt, wenn wir Schicht haben."

Das Licht geht aus und der Vorhang geht auf. Ich kuschle mich in den gemütlichen Kinosessel, vor mir das Popcorn. Ich war schon ewig nicht mehr im Kino. Und wenn ich ewig sage, dann meine ich das auch so - beim letzten Mal hatte ich das Popcorn in meiner Zahnspange verfangen. Das war kein schöner Anblick und Vito hatte mich dafür noch Tage später ausgelacht. Wir hatten uns eine Karte gekauft und waren den ganzen Nachmittag und den Abend im Kino geblieben. Wir schlichen uns von einem Kinosaal zum nächsten. Das war einer der schönsten Tage überhaupt.

Ich bin so in den Film vertieft, dass ich mich unendlich erschrecke, als mich plötzlich eine Hand von der Seite berührt. Ich werde am Arm gepackt und als ich hochsehe, sehe ich bloß eine dunkle Kapuze. "Was...", entfährt es mir. Bruno schaut mich entsetzt an. "Was soll das?", fragt er und die Leute drehen sich zu uns um. "Halts Maul", ertönt eine mir nur allzu gut bekannte Stimme. "Ich bin gleich wieder da.", beruhige ich Bruno und werde dann aus dem Saal gezogen.

"Bist du eigentlich vollkommen übergeschnappt?", schreie ich Mat an, als er vor der Saaltür endlich anhält. Ich puste mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Was zum Teufel soll das?" Mat nimmt seine Kapuze runter und kurz erschrecke ich mich. Ich habe sein blaues Auge und die Kratzer vergessen, doch von nahem sehen sie noch brutaler aus. "Ich...", beginnt er, bricht dann aber wieder ab. Er sieht wütend aus, doch ich bin wütender als er. "Was DU? Was soll das hier?", knurre ich ihn an und verschränke die Arme. "Tut mir ja Leid, wenn ich dich und dein Date mit dem Tresenboy gestört habe.", sagt er eingeschnappt. Warum zum Teufel ist er eingeschnappt?! "Das ist kein Date.", falle ich ihm ins Wort. "Ich muss mit dir reden.", sagt er und ignoriert meinen Einwand. "Achja? Und wieso rufst du dann nicht einfach an? Oder schickst mir eine verdammte Nachricht?" Langsam leuchtet mir ein, dass er Bruno und mich gestern belauscht haben muss.

Doch Mat wird immer wütender und baut sich vor mir auf. Ich spüre die Wand an meinem Rücken und ich versuche auszuweichen. "Pass bloß auf, wie du mit mir redest.", zischt er. Mein Herz rast, doch ich sehe ihn wütend an. "Nein, mir reicht es. Du hast mich erst vor einem miesen Zuhälter gerettet, der mich wahrscheinlich verkauft hätte oder was weiß ich und dann wolltest du mich selbst zu deiner Nutte machen.", spucke ich ihm die Worte entgegen, die so tief in mir saßen. Überrascht sieht er mich an, doch dann ballt er die Fäuste zusammen. "Du machst dich selbst zur Nutte, indem du einen Tag bettelst, von mir gedatet zu werden und am nächsten mit einem armseligen Kellner fickst." Er ist eifersüchtig, ganz klar. "Ich ficke hier mit niemandem.", versuche ich es nochmal, doch ich weiß, dass das nichts bringt. "Zögern wir das nicht mehr länger heraus: Was willst du?", frage ich ruhiger. Mat scheint krampfhaft zu überlegen, seine Atmung geht schwer.

"Ach, leck mich doch. Ich wollte dir nur sagen, dass du Lennys Bruder ausrichten kannst, er soll die Füße still halten." Verwirrt sehe ich ihn an. "Was?", frage ich. "Sein Bruder bewegt sich auf dünnem Eis.", knurrt er. Und deswegen schleift er mich aus dem Kino? "Okay.", murmle ich. Was hat Mat mit Lennys Bruder zu tun? "Okay, ich geh dann jetzt.", sagt er wesentlich entspannter als zuvor. "Zu einem Straßenkampf?", frage ich und er sieht mich überrascht an. Er trägt das selbe Outfit, wie an dem Abend, als ich ihn dort gesehen habe. Er nickt bloß. "Pass auf dich auf.", flüstere ich. "Was? Kein >tu es nicht<?", fragt er überrascht. "Ich kann es dir sowieso nicht ausreden und es geht mich nichts an.", seufze ich und gehe in Richtung Saaltür. Als ich mich umdrehe, ist Mat verschwunden...

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now