Kapitel 1 | 168.000 Dollar

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Monate zuvor.

Lautes Krachen reißt mich aus meinem Schlaf. Sofort bin ich hell wach und setze mich in meinem Bett auf und schaue zur Tür, die vom Mond angeleuchtet wird, der durch mein Fenster scheint.

Ein Brüllen ist zu hören. Schmerzensschreie und gequältes Stöhnen. Rodrigo! Etwas ist mit meinem Bruder!

Leise schlage ich die Decke zurück und schleiche zu meiner Schlafzimmertür. Vorsichtig öffne ich sie, bin darauf bedacht, dass sie nicht knarzt und mich somit verrät. Dabei halte ich meinen Atem an.

Als sie offen ist, schaue ich auf den Flur hinaus. Auf dem Boden sehe ich Lichtstrahlen, denen ich mit den Augen folge und beim Wohnzimmer hängen bleibe. Ich trete aus meinem Zimmer heraus und gehe auf Zehenspitzen näher heran.

Mein Bruder schreit wieder auf und ich zucke stark zusammen. Ich will schon hineinstürmen, doch seine Stimme hält mich auf.

Don Salvador bitte! Du bekommst dein Geld wieder! Lo juro (Ich schwöre)!", bettelt mein großer Bruder. Er ist also nicht alleine. Wieder stöhnt er auf, es fällt ein Schuss. Mein Bruder schreit auf, genauso wie ich, doch ich versuche noch mit meinen Hände den Schrei aufzuhalten. Ich bin wie erstarrt. Wurde er erschossen? Werden diese Typen mich jetzt holen?

Vorsichtig trete ich näher an die Tür heran und schaue durch den dünnen Spalt. Ich kann nur wenig erkennen, weil unser Wohnzimmer nur spärlich beleuchtet ist. Dennoch sehe ich meinen Bruder Rodrigo, wie er auf dem Boden kniet.

Sein Kopf ist gesenkt, seine Körperhaltung ist gekrümmt. Zwei Männer stehen neben ihm und halten ihm ihre Pistolen an die Schläfe. Ein weiterer Mann sitzt vor ihm im Sessel, in dem unser papá immer saß.

Ich sehe wie Rauch vor seinem Gesicht aufsteigt, es glimmt leicht dahinter. Als er sich etwas nach vorne lehnt, kann ich eine Zigarre zwischen seinen Lippen erkennen. Er zieht daran und lässt den Rauch durch seine Lippen entweichen.

Por favor (Bitte)! Hab erbarmen! Don Salvador bitte! Gib mir Zeit!" Ich höre aus seiner Stimme, dass er Angst hat. Sie zittert stark. Noch nie habe ich ihn in dieser Verfassung gehört. Er war immer der starke große Bruder. Jetzt hört er sich hilflos an. Nicht mehr stark und selbstbewusst.

Doch ich kann ihn verstehen. Er wird von Männern bedroht, die Pistolen auf ihn gerichtet halten. Er wurde vermutlich verprügelt und muss um sein Leben bangen.

„Ich habe dir Zeit gegeben, mi amigo (mein Freund). Viel Zeit, um mir mein Geld wieder zu geben. Und dein Versagen rückgängig zu machen!", sagt der Mann vor Rodrigo mit ruhiger Stimme. Er beugt sich leicht zu ihm runter und bläst ihm den Rauch direkt ins Gesicht. Mein Bruder hustet und wendet sich ab.

„Bitte, Don Salvador. Ich weiß, dass ich's verbockt habe. Aber gib mir noch eine Chance. Una última (Eine letzte)! Ich muss meine Schwester ernähren. Sie braucht mich. Por favor (Bitte), ich bringe dir dein Geld zurück. Aber ich brauche noch mehr Zeit.", fleht Rodrigo. Don Salvador steht auf und geht zum Kamin, das Feuer knistert darin und gibt dem Raum etwas Heimisches.

Er greift nach einem Bild, das auf dem Kaminsims steht. Ich weiß genau welches er sich anschaut. Es ist ein Foto von mir und Rodrigo an Weihnachten, dem letzten Weihnachten mit unseren Eltern.

Unsere Mutter hat es vor zwei Jahren gemacht. Obwohl das Fest nicht so pompös war, wie bei anderen Familien in der Gegend, habe ich meine Freude gehabt. Es war voller Liebe, Glück und Ruhe. Dadurch, dass wir so arm waren, haben mir meine Eltern nichts schenken können. Aber das ist nicht schlimm. Wir mussten Medikamente für mi mamá kaufen. Teure Medikamente, die wir fast nicht bezahlen konnten.

Don Salvador nimmt ein anderes Bild in die Hand. Es zeigt nur mich.

„Ist sie das? Tu hermana (Deine Schwester)?", fragt Don Salvador und sieht meinen Bruder an.

.", antwortet mein Bruder diesem Salvador. Don Salvador setzt sich wieder auf den Sessel und betrachtet das Bild von mir. Mit seinen Fingern streicht er über das verstaubte Glas.

Guapo (Hübsch), mein Freund. Wie alt ist sie?"

„Apríl ist 19 Jahre alt.", erzählt mein Bruder Don Salvador. Dieser macht ein Nachdenkliches Gesicht und zieht an seiner Zigarre.

„Gib sie mir und ich vergesse, dass du mir 168.000 Dollar schuldest.", sagt Don Salvador. Mein Herz bleibt für einen Schlag lang stehen, bevor es wild gegen meinen Brustkorb klopft.

Don Salvador... das kann ich nicht machen. Sie ist meine Schwester, mi familia (meine Familie). Ich muss mich um sie kümmern.", protestiert Rodrigo sofort. Mir fällt ein Stein vom Herzen.

„Du kannst nicht mal auf meine Ware aufpassen, idiota (du Idiot). Wie willst du auf deine kleine Schwester aufpassen und dich um sie kümmern? Gib sie mir und ich vergesse die 168.000 Dollar. Oder ich schicke meine Söhne zu ihr. Du willst sie doch nicht entehren, oder?", sagt Don Salvador und schaut die Männer an, die neben Rodrigo stehen. Sie stecken ihre Pistolen in ihren Hosenbund und setzen sich in Bewegung. Sie kommen in meine Richtung. Ich mache große Augen und weiche von der Tür zurück.

„Nein! Stopp! Don Salvador! Por favor (Bitte)!", protestiert Rodrigo.

Esperen, chicos (Wartet Jungs). Du hast die Wahl, mi amigo. Entweder lasse ich sie von meinen Söhnen vergewaltigen oder du gibst sie mir. Deine Entscheidung." Seine Männer bleiben stehen und ich kann etwas aufatmen. Sie stellen sich wieder an ihre Stelle und ich gehe langsam auf die Tür zu, um wieder sehen zu können.

„Wenn du sie hast, was wirst du mit ihr machen?" Tränen bilden sich in meinen Augen, als ich höre was mein Bruder da sagt.

Er will mich einfach einem anderen Mann überlassen? Ich bin seine Schwester, dass kann er nicht machen! Er kann mich nicht einfach weggeben! Wir sind eine Familie. Wir haben nur noch uns! Wir müssen aufeinander aufpassen!

„Sie wird einen meiner Männer, Söhne oder Neffen ehelichen. Vielleicht sogar mich." Don Salvador streckt Rodrigo die Hand hin und wartet. In Gedanken schreie ich meinen Bruder an, dass er nicht einschlagen soll.

„Wird sie es bei dir gut haben, Don Salvador?", fragt Rodrigo. Don Salvador legt ihm die Hand auf die Schulter und lächelt leicht.

„Natürlich wird sie es gut bei mir haben. Sie wird alles bekommen was sie will. Schutz, Geborgenheit, Liebe. Eine richtige Familie.", sagt Salvador und schaut meinen Bruder eindringlich an. Rodrigo scheint zu lange zu überlegen. „Letzte Chance!"

Wie in Zeitlupe sehe ich, wie mein Bruder seine Hand nimmt und einschlägt. Er gibt mich einfach weg! Tränen bilden sich in meinen Augen, ein Schluchzen entweicht meiner Kehle und verrät mich.

Ich schlage mir die Hand vor den Mund und weiche etwas mehr von der Tür zurück. Don Salvador schaut zu mir und geht um meinen Bruder herum. Ich laufe rückwärts, will fliehen, doch da wird die Wohnzimmertür schon geöffnet und Don Salvador steht vor mir und grinst mich an.

„Hallo, mi belleza (meine Schöne)."

.·.'.·.

l.g. Sunny Kyle 💛

Forced - Gefährliche LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt