Kapitel 86 | Erinnerungen

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Ich sitze nach einer Woche Krankenhausaufenthalt, alleine in unserem Bett und fahre mit meiner Hand unruhig über meine nackten Oberschenkel. Ich zittere stark am ganzen Körper und meine Gedanken kreisen die ganze Zeit um Leo.

Wo ist er?

Ob er sich eine andere Frau sucht, weil ich angefasst wurde? Was wird dann aus mir? Ich kann nirgends wo hin! Ich bin ganz alleine auf der Welt! Kann nur Spanisch sprechen und kein Englisch.

Ich bin abhängig von Leo. Er wird mich bestimmt nicht mehr lieben, nach den ganzen Ereignissen. Er hält mich bestimmt für durchgeknallt. Für verrückt.

In meiner Brust wird es gewaltig schwer. Ich habe das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Dieses Engegefühl steigt bis zu meiner Kehle hoch.

Meine Atmung wird immer schneller und der Druck auf meinem Oberschenkel immer kräftiger. Die Angst kriecht mir langsam das Rückgrat hoch, Wirbel für Wirbel und packt mich im Nacken.

Meine Augen fangen an zu Tränen. Verzweifelt versuche ich die Tränen zurückzudrängen, aber ich schaffe es nicht. Wieder muss ich an Leo denken und daran, was er für ein Bild er jetzt von mir hat.

Das Zittern wird immer stärker. Ich habe meine Hände nicht mehr unter Kontrolle. Als es an der Tür zu kratzen und ein Bellen ertönt zucke ich stark zusammen. Mein Puls schießt in die Höhe.

Das Schluchzen, welches meine Kehle verlässt macht meine Angst nicht viel besser. Es beginnt an der Tür zu rütteln, das Bellen wird immer lauter.

Ich halte es nicht mehr aus. Ich richte mich auf und flüchte in den dunkeln Kleiderschrank. Zusätzlich schließe ich die Tür. Dann drehe ich den Schlüssel um und sperre mich im Kleiderschrank ein.

Blind taste ich mich ganz nach hinten durch und setze mich in das Fach, in dem die Kleider hängen. Ich werde von meinem Schluchzen geschüttelt. Übelkeit steigt in mir auf, die ich versuche weg zu atmen.

Es gelingt mir nicht, weshalb die Angst mich noch fester mit ihren Klauen packt.

Ich schließe die Augen und kralle meine rechte Hand in meinen linken Ärmel von Leos Pullover, den ich mir, nachdem Leo das Zimmer verlassen hat, angezogen habe, um mich vor dieser Angst zu schützen, die mich im Krankenhaus so oft gepackt hat.

Die Ärzte haben mir oft eine Spritze während meinen Angstanfällen gegeben, damit ich mich beruhige und ruhig schlafen kann. Doch kaum war ich wach, ging alles wieder von vorne los.

Die Erinnerung kam zurück und mit ihr die Angst. Ich habe Angst, alles nochmal zu erleben und Angst Leo deswegen zu verlieren.

Es klopft an der Kleiderschranktür und ich schrecke auf. Wild und fest klopft mein Herz gegen meinen Brustkorb. Ich kann den Schlag bis in mein Ohr hören.

„Princesa...", ertönt Leos Stimme. Sofort werde ich zurück in die Vergangenheit katapultiert.

Ich höre, wie Leo nach mir ruft und wie wild gegen die Tür schlägt und tritt, um zu mir zu kommen und mich zu retten. Ich spüre den Schmerz in meinem Unterleib. Das Stechen und Ziehen.

Ich spüre die Verzweiflung und das Ohnmachtsgefühl, das mich durch den Aufprall auf die Wand im Griff hatte, aber nie die Überhand gewonnen hat.

„Princesa! Apríl... macht die Tür bitte auf. Ich möchte sie ungerne eintreten.", holt mich Leo aus meinen Erinnerungen zurück. Ich blinzele die Tränen aus meinen Augen, dabei zittert meine Hand sehr stark.

„Princesa... sagt bitte etwas. Ich möchte deine Stimme hören."

Aus seiner Stimme kann ich die Sorge hören. Aber wer weiß, ob er sich wirklich Sorgen um mich macht. Ich schließe meine Augen, und atme tief durch, bevor ich mich aufrichte und langsam zur Tür laufe.

Blind suche ich nach dem Schlüssel und drehe ihn im Schlüsselloch um. Sofort ziehe ich mich an meinen alten Platz zurück und verstecke mich vor Leo.

Die Tür wird geöffnet und das Licht wird angemacht. Im selben Moment sehe ich Luis ganz nah an meinem Gesicht. Ich erschrecke mich und mache mich ganz klein.

Meinen Kopf versuche ich mit meinen Armen zu schützen. Erneutes Schluchzen verlässt mein Inneres.

Ich spüre etwas Nasses an meiner Wange und weiche weiter zurück, obwohl es nicht mehr geht. Ein Fiepen ist zu hören, es ist Luis.

Schritte kommen näher und dann erscheint Leos Gestalt hinter Luis. Er geht in die Hocke und sieht mir ins Gesicht.

„Hallo, princesa.", sagt er mit ruhiger und sanfter Stimme. Ich nehme die Arme von meinem Kopf weg, um ihn besser sehen zu können. Er trägt eine Jogginghose, vermutlich ein Shirt und eine Stickjacke, die er offen hat.

„Kommst du bitte da hinten raus? Das ist doch bestimmt unbequem."

Ich schaue von meinem Ehemann zu Luis und nicke dann. Leo gibt Luis den Befehl sich zurückzuziehen und er kommt diesem sofort nach.

Langsam rutsche ich aus dem Eck hervor, stoppe allerdings, als mir Leo seine Hand entgegenstreckt. Lange schaue ich seine Hand an und rufe mir in Erinnerung, dass mir diese Hand kein Leid zugefügt hat.

Mit dieser Hand hat er auf das Gesicht des Mannes eingeschlagen und das so schlimm, dass der Mann wenige Tage später gestorben ist. Ob Leo ins Gefängnis deswegen muss? Ich bete, dass dies nicht der Fall ist. Ich habe doch nur noch ihn.

Ich strecke meinen Arm aus und lege meine Hand in seine, dann lasse ich mich von ihm aus dem Eck ziehen. Ich stehe auf und muss mich erst wieder fangen.

Meine Beine zittern etwas, doch ich folge Leo ins Schlafzimmer. Er schlägt die Decke zurück und dirigiert mich aufs Bett. Ich krabbele hinein und lasse mich von Leo zudecken. Er setzt sich neben mich auf die Matratze und streicht mir über das Haar.

„Bitte bleib bei mir, Leo.", flüstere ich und nehme seine andere Hand in meine Hände.

„Rutsch rein, princesa.", sagt Leo und schlägt die Decke zurück. Ich rutsche nach hinten um Leo Platz zu machen. Mit Jogginganzug legt er sich zu mir und legt die Decke über uns.

Sofort suche ich Schutz bei ihm und kuschele mich an seine Brust. Fest liegen seine Arme um meinen Körper und beruhigt mich etwas. Doch schon wieder kommen diese Zwangsgedanken.

Die Angst wächst wieder in meinem Inneren, kriecht mir den Rücken hoch. Ich darf Leo einfach nicht verlieren.

.·.'.·.

April leidet unter Angstzustände. Und diese Angstzustände haben bei mir dafür gesorgt, dass ich nicht mehr an der Geschichte von Leo und Apríl schreiben konnte.

So wie sich Apríl verhält, so habe ich mich über Wochen verhalten. Ich habe mir immer über den Oberschenkel gestrichen, und dann ging der Scheiß los. Jetzt geht es mir aber gut und ich kann mich voll und ganz auf die Geschichte freuen und konzentrieren.

Ich hoffe, dass ich euch Apríl Gefühle und innerer Kampf näher bringen konnte. Es ist nämlich nicht leicht, seinen Außenstehenden zu sagen oder zu erklären, was bei einem ungewollt vorgeht. Man hat echt keine Kontrolle über sich.

Da es zu spät ist um das nächste Kapitel zu schreiben, kommt es morgen. Gute Nacht, ihr Lieben!

l.g. Sunny Kyle 💛

Forced - Gefährliche LeidenschaftWhere stories live. Discover now