22. Lösch das Foto!

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(POV. Nagisa)

Die Tag verlief eigentlich wie geplant. Wir wurden um acht Uhr geweckt, hatten eine Stunde fürs Frühstück und eine halbe um zu Packen.

Die anderen aus unserem Zimmer kauften uns zum Glück die Geschichte ab, als wir ihnen sagten wir seien am Vorabend noch am Strand geblieben, hatten Videospiele gespielt und seien erst spät zum Strandhaus zurückgekehrt. Mitten in der Nacht, als sie schon am schlafen waren.

Die Lüge hatte ihnen Karma aufgetischt. Und zwar so überzeugend, dass ich es fast selbst glaubte. Anhand der Reaktionen der Anderen wusste ich auch, dass es funktionierte.

Trotzdem nahm ich aber einen kurzen Blickkontakt zwischen Isogai und Maehara war. Sie sahen irgendwie erleichtert aus. Beinahe, als seien sie diejenigen, die etwas verheimlichten.

Beim Frühstück wich mir Kayano die ganze Zeit aus. Ihre Augen waren gerötet. Man sah ihr an, dass sie geweint hatte.

Als ich sie allerdings ansprach, sagte sie nur, sie wolle momentan etwas Abstand und würde mit mir reden wenn sie bereit dazu wäre. Ich musste sie schweren Herzens gehen lassen und hatte immer mehr Angst, meine beste Freundin verloren zu haben.

Kataoka erzählte mir, dass sie gestern die ganze Nacht geweint habe und mit niemandem reden wollte. Ich verbrachte daraufhin mehr Zeit mit Karma, um mich davon abzulenken und Kayano in Ruhe zu lassen.

Der Schmerz in meinem Unterleib ließ mit der Zeit etwas nach, vielleicht gewöhnte ich mich aber auch einfach nur daran. Trotzdem brauchte ich lange um eine Sitzposition zu finden, bei der ich entspannt sitzen konnte.

Werde ich jetzt jedes mal solche Schmerzen haben? Was, wenn das jetzt Wochen anhält und ich nicht zur Schule gehen kann?
Was soll ich meiner Mutter dann sagen?
Und was ist, wenn jemand aus der Schule etwas mitbekommt?

Solche Fragen schwirrten mir den ganzen Tag durch den Kopf und fraßen mich von innen auf. Ich bewunderte Karma um seine lockere Haltung. Wie schaffte er es, sich ganz normal zu verhalten?

Er war wie immer, was zum einen gut, und zum anderen auch sehr schlecht war. Denn er war sich nicht um einer sarkastischen Bemerkung zu schade, als ich bei dem Versuch, mir mehr Curry auf meinen Reis zu schaufeln, kläglich scheiterte und meine ganze Hose versaute.

Seufzend machte ich mich daran, die Soße von meiner Kleidung zu wischen. Allerdings half es einfach nichts und ich bat Koro-Sensei, das Frühstück zu verlassen und mir eine neue Hose anziehen zu dürfen.

,,Ich komme mit. Meine Kopfhörer sind noch im Koffer, ich brauch die während der Fahrt", meldete sich Karma zu Wort.

Koro-Sensei nickte. Er sah trotz seine Perücke überhaupt nicht aus, wie ein Mensch.
,,Gut. Aber bitte bedenke, was ich dir gesagt habe, Nagisa-Kun", sagte er. Ich nickte verlegen und stand auf. Karma folgte mir.

,,Was ist los? Musst du echt nur deine Kopfhörer holen?", fragte ich ihn auf den Fluren. Er lachte. ,,Natürlich nicht."
Er hielt sein Handy hoch.

Meine Augen weiteten sich, als ich erkannte was er mir zeigte. Eine halbnackte Frau, um die zwanzig, saß auf dem Schoß von einem Mann und sie küssten sich. Man sah ihnen an, dass sie in einem sehr intimen Moment fotografiert worden waren.

,,Das ist diese Mijagi, oder?", fragte ich und Karma ließ sein Handy sinken. ,,Jep. Wird Zeit, dass ich meinen Teil der Abmachung erfülle."

(POV. Keiko Mijagi)

,,Keiko! Was ist los? Du hast doch Pause!"
Seine Hand vergriff sich an meinem Kleid und ich riss mich los. ,,Nein! Wir können das nicht machen!"
,,Warum nicht?", rief er mir hinterher, aber ich war bereits verschwunden.

Mir war bewusst, dass ich immer noch wie eine Putzfrau gekleidet war, aber ich rannte trotzdem. Er durfte mir nicht folgen. Sonst würde unser Chef auch so einen Verdacht bekommen, und das bedeutete Schwierigkeiten.

Ich gehe kein Risiko mehr ein... Nicht, bis dieser Junge weg ist.

Wenn man vom Teufel spricht: Er stand da. Mit den Händen in den Hosentaschen und hinter ihm der Blauhaarige. Panische Angst durchfuhr mich und ich schluckte nervös.

Lass dich nicht unterkriegen. Er ist nur ein Teenager. Ein Kind!

In der Hoffnung seriös zu wirken, warf ich mein langes Haar nach hinten und ein sadistisches Grinsen kräuselte die Lippen des kleinen Teufels. Schon war meine Entschlossenheit wie dahin.

,,Guten Morgen", begrüßte er mich, als ich bei ihm war.
,,Was willst du?", fragte ich direkt.
Er lachte. ,,Gut drauf wie immer, huh? Ich bin gekommen um dir den hier zu geben."
Er hielt mir meinen Schlüssel hin.

,,Hör auf mich zu duzen. Ich kenne dich nicht", schnauzte ich ihn an und nahm den Schlüssel aus seiner Hand. Er kommentierte das nur mit einem Feixen.

Er wird es sowieso wieder tun. Respektloses Balg!

Ich seufzte. ,,Lösch das Foto."
,,Ja, ja. Wenn du willst kannst du es selbst machen", sagte er und hielt mir sein Handy hin.

Ich wollte es nehmen, aber er zog es noch einmal zurück.
,,Ach so. Ich hoffe für dich, dass niemand etwas weiß. Das wäre nämlich sehr lästig", fügte er noch hinzu und ich schluckte.

,,Wenn Sie Ihr Versprechen nicht halten, bringe ich Sie um."

Es hätte auch eine leere Drohung gewesen sein können, aber alleine sein Blick... Ich wusste einfach, dass er es tun würde, ohne mit der Wimper zu zucken. Und dieser Blauhaarige, der war mir auch nicht ganz geheuer. Er sah an sich unschuldig aus, aber etwas sagte mir, dass man sich auch vor ihm in Acht nehmen müsste.

Er stand hinter seinem Freund und sah ihn missbilligend an. ,,Hör auf damit, Ka-"
Der Größere hielt ihm den Zeigefinger an die Lippen und schüttelte den Kopf. Er will nicht, dass ich weiß wie er heißt.

Vermutlich wegen der Gästeliste im Büro.
,,Ich habe es niemandem erzählt", versicherte ich ihm. ,,Jetzt gib mir schon das Handy!"
Er betrachtete mich wie sein Haustier. Dann gab er mir sein Handy und sah amüsiert zu, wie ich das Foto löschte.

Gelöscht!

Alle Beweise waren verschwunden. Vor Erleichterung hätte ich mich bedanken können, bis mir einfiel, dass er ja derjenige gewesen war, der mir das ganze eingebrockt hatte.

Ich gab ihm das Handy zurück und er steckte es grinsend in die Hosentasche. ,,Gut, dann ist das ja geklärt", säuselte er und wandte sich ab. Der Andere sah mich noch einmal über die Schulter an. In seinem Blick lag Verlegenheit.

,,Schönen Tag Ihnen noch", sagte er scheu. Dann drehte er sich um und ich sah verdutzt zu, wie er seinem Freund folgte, der gerade mit einem Taschenmesser herumspielte.

Als er das Messer sah, schnappte er es ihm aus der Hand und sah ihn wütend an. Dann sagte er etwas und schüttelte den Kopf. Der kleine Teufel verdrehte die Augen.

Dann, plötzlich, packte er ihn am Kragen und verstummte seine Worte mit einem kurzen Kuss. Als er fertig war, sah der Kleinere zu Boden und wurde knallrot. Teufelchen lachte nur.

Ich konnte es mir nicht ganz erklären, und ich wollte es auch nicht zugeben, aber aus irgendeinem Grund hegte ich eine gewisse Sympathie den beiden Jungs gegenüber. Man könnte fast sagen, ich bewunderte sie sogar.

Sie waren wie Menschen, die in einer anderen Liga spielten als solche Normalos wie ich. Als würden sie so etwas jeden Tag machen.

How to love an Assassin ♡ KarmagisaWhere stories live. Discover now