23. Abfahrt

5.2K 246 159
                                    

(POV. Karma)

Meine Finger huschten über die Tasten meiner Konsole, während ich Nagisas Musik lauschte. Der war wieder einmal eingepennt. Wenn auch verständlich.

Die Nacht war lang gewesen und dann war er auch noch nach ein paar Stunden wieder aufgewacht. Laut Koro-Sensei würden wir in anderthalb Stunden ankommen. So lange hatte er also noch Zeit, um sich vor seiner Mutter auszuruhen.

Ich sah aus dem Fenster und versank in trüben Gedanken. Meine Eltern waren momentan geschäftlich in Australien unterwegs und ich stellte mich schon auf die üblichen Fertiggerichte oder lästigen Einkäufe ein, die mir in den nächsten Tagen bevorstanden.

Im Gedanken daran wurde ich nur schlecht gelaunt. Vielleicht könnte ich ja ab und zu mit Nagisa zusammen kochen, oder so...

---

,,Nagisa. Wach auf, wir sind da", sagte ich und drückte meinen Zeigefinger gegen seine Wange. Er hob verschlafen den Kopf. Als er merkte, dass dieser zuvor auf meiner Schulter gelegen hatte, setzte er sich kerzengerade hin und errötete.

,,Sorry...", murmelte er dann und rieb sich die Augen. ,,Aw, schon wieder!..."
Ich lachte. ,,Gib es zu, du hast dich extra an mich gelehnt~."
Er pikste mich seufzend in die Seite. ,,Hat mich jemand gesehen? Aus der Klasse?"

Ich schüttelte den Kopf und sah nach draußen. Der Berg unserer Schule war schon zu sehen.
,,Hey, holt dich deine Mutter ab?"
Nagisa folgte meinem Blick. ,,Mhm. Und du? Wie kommst du nach Hause mit dem ganzen Gepäck?"

,,Weiß noch nicht. Vielleicht fahr ich bei dir mit?"
,,Uh, klar", sagte er. ,,Meine Mutter kann dich bestimmt mitnehmen, du wohnst ja nicht so weit weg."

---

,,Danke fürs Mitnehmen. Bis Montag, Nagisa", verabschiedete ich mich und schloss die Autotür.
,,Natürlich, komm uns gerne mal besuchen, Akabane-Kun!", rief seine Mutter durch das offene Fenster.

Nagisa winkte mir noch kurz zu, bevor seine Mutter weiterfuhr und mich mitsamt Gepäck an der Straße stehen ließ. Ich seufzte und öffnete die Haustüre.

Drinnen packte ich meinen Koffer aus. Dann ging ich in die Küche und sah in den Kühlschrank. Außer ein paar Sachen wie Butter, Aufschnitt und Milch war er leer. Ich stöhnte genervt und schloss ich ihn wieder. Dann kramte in meiner Jacke nach meinen Schlüsseln und zog mir wieder die Schuhe an.

Ich hasste es, einkaufen zu gehen. Das war der einzige Vorteil gewesen, wenn meine Eltern Zuhause waren. Ob sie überhaupt wussten, dass ich auf Klassenfahrt war?

Zumindest lohnte es sich insofern, dass ich mir noch etwas ganz Bestimmtes kaufen konnte. Heheh.

(POV. Nagisa)

,,Und? Wie war's?"
Meine Mutter sah mich interessiert an und nahm einen Schluck ihres Tees.

,,Cool", sagte ich. ,,Der Strand war echt schön und das Hotel war diesmal gar nicht so schlecht wie das letzte" -Vermutlich, weil uns der Vorstandsvorsitzende jetzt nicht mehr so sehr hasst.

,,Gestern Abend war in der Stadt ein Fest und da waren unglaublich viele Stände", sprudelte ich weiter. ,,Wir durften sogar bis in die Nacht wach bleiben, deshalb sind-" Ich verstummte, als ich den Blick meiner Mutter bemerkte.

Sie lächelte. Aber ihre Augen blitzten für meinen Geschmack etwas zu interessiert auf...

,,Und weiter?", fragte sie nach.
Ich nahm misstrauisch einen Schluck meines Tees bevor ich antwortete: ,,Ähm... Wir waren dann noch am Strand und haben ein Feuerwerk gemacht und gegrillt."

,,Das klingt ja echt toll. Mit wem warst du denn so... unterwegs?", fragte sie beiläufig und rührte in ihrer Tasse herum. Ich legte den Kopf schief. Irgendwas war hier faul.

,,Mit Karma und Kayano", sagte ich dann und beobachtete sie.
Sie hob die Augenbrauen. ,,Kayano-San? Du meinst, das Mädchen mit den grünen Haaren?"

Ich nickte langsam. ,,Warum fragst du?", wollte ich wissen. Sie sah mich an und zuckte mit den Schultern. ,,Ach, nur so. Ich habe mich gefragt wo du diesen Knutschfleck da her hast", sagte sie und deutete auf meinen Hals.

Waaaaaaas? Nein!

Ich keuchte erschrocken auf und fasste an meinen nackten Hals.

Ich habe doch nicht ernsthaft vergessen den Schal anzulassen? Scheiße!

Auf der Suche nach einer Ausrede öffnete ich den Mund immer wieder um zu sprechen, aber es kam kein Wort heraus.
Sie rührte immer noch in ihrem Tee herum.
,,Nagisa?", fragte sie dann, wahrscheinlich dauerte ihr das doch zu lange.

Als sei es das Stichwort, schien ich mich endlich aus der Erstarrung lösen zu können und sprang auf.
,,Ich gehe raus", sagte ich kleinlaut und eilte zur Kommode, um mir meine Jacke anzuziehen.

,,Jetzt warte bitte. Ich möchte mit dir darüber reden. Außerdem gibt es gleich Essen", sagte Mutter streng und stand auf.
,,Es gibt nichts zu reden! Wir... Ich habe mit ein paar Freunden Wahrheit oder Pflicht gespielt und... jemand musste mir diesen Knutschfleck machen."

Sie schnaubte. ,,Wer's glaubt. Was ist mit dem da?"
Sie tippte gegen meine Taille, wo ein zweiter Fleck war. Perplex stellte ich fest, dass mein T-Shirt, als ich mich gestreckt hatte, etwas zu weit nach oben gerutscht war.

,,Also", redete sie weiter, während ich mich hinhockte und hastig meine Schnürsenkel zuband. Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten.

,,Ich finde dich zwar noch ein bisschen jung dafür, aber naja... Was soll man machen. Du bist nun mal ein Teenager. Alles was ich wissen möchte ist, ob ihr verhütet habt. Das ist sehr wichtig, vor allem weil Kayano-San-"

,,Stopp! Kayano hat nichts damit zu tun! Ich gehe jetzt!", unterbrach ich sie. Jetzt war es wirklich genug. Aufgebracht und mit hochrotem Kopf öffnete ich die Tür und knallte sie hinter mir zu.

Das kann doch nicht wahr sein!

,,Nagisa!", schrie sie und riss die Tür wieder auf. Ich war aber schon längst vom Geländer runter auf das Dach eines anderen Hauses gesprungen, damit sie mich nicht finden konnte.

Von da aus kletterte ich herunter und ging durch die Gassen in Richtung Park. Nervös wog ich die Möglichkeiten ab, die ich hatte wenn ich zurückkam.

Also. Entweder, ich mache ihr klar, dass ich nicht darüber reden will und sage gar nichts mehr.
Oder, ich sage ihr die Wahrheit über Karma und mich.
Oder ich lüge, sage es war irgendein Mädchen aus der Klasse oder so.
Vielleicht auch so etwas wie eine Affäre mit einem Mädchen am Strand, das ich nicht kenne. Das ist aber keine gute Ausrede...
Egal! Ich verlasse einfach das Land, ändere meinen Namen, fange ein neues Leben an und komme nie wieder zurück!

Verzweifelt versuchte in der Zwickmühle eine gute Lösung zu finden. Wie von selbst, trugen mich meine Füße zu Karmas Haus. Ich musterte das große Anwesen und blieb stehen. Etwas Aufmunterung konnte ich jetzt gerade wirklich gebrauchen.

How to love an Assassin ♡ KarmagisaWhere stories live. Discover now