52. Kater

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(POV. Nagisa)

Als mich Karma fertig abgeduscht hatte, schob er mir eine Zahnbürste in den Mund und holte ein Handtuch.
,,Ich weiß, jetzt gleich gibt es Frühstück und dann schmeckt alles nach Zahnpasta. Tut mir leid für dich", sagte er.

,,Schon okay", sagte ich und war froh, den ekligen Geschmack aus meinem Mund zu haben. Er half mir währenddessen aus der Wanne, legte ein Handtuch um meine Schultern und holte frische Kleidung aus seinem Zimmer.

,,Kannst du dich alleine anziehen? Oder brauchst du Hilfe?", fragte er, ohne einen Unterton in der Stimme. Hätte er abwertend geklungen, hätte ich mich in Grund und Boden geschämt.

,,Nein nein, ich krieg das hin", sagte ich schnell und zog mir den Pullover an. Allerdings verhedderte ich mich irgendwie im Ärmel und bekam meinen Kopf nicht durch, weil die Kapuze im Weg war. Ein Seufzen war zu hören, dann spürte ich wie der Stoff gerichtet und runter gezogen wurde.

,,Du kriegst gerade nichts hin, huh? Ich helfe dir doch besser", kicherte Karma.
Ich errötete und sah weg. Warum fühlte ich mich so schleppend, nur wegen ein bisschen Alkohol?

,,Setz dich auf den Rand. Gib mir die Hose", wies er mich an. Schweigend sah ich zu, wie er sich hinhockte und mir die Boxershorts und Jeans anzog.

Als er fertig war stand er auf. ,,Du musst was essen. Lass uns runtergehen."
Obwohl ich am liebsten zurück ins Bett gegangen wäre, ließ ich mich von ihm durch das Haus ziehen und setzte mich wie befohlen auf einen der Küchenhocker.

Langsam erinnert er mich an meine Ma.

,,Karma, lass mich dir helfen", sagte ich, als er eine Miso-Suppe zubereitete. ,,Du musst dich nicht um mich kümmern, so unfähig bin ich jetzt auch nicht."

,,Ich hab doch überhaupt nicht gesagt, dass du unfähig bist", sagte er mit erhobenen Augenbrauen. ,,Ich mache es gerne. Du brauchst ein ausgewogenes Frühstück, um deinen Körper wieder in Ordnung zu kriegen. Und wir müssen gleich an die frische Luft."

,,Woher weißt du das alles überhaupt? Hast du auch einen Kater?"
,,Nein. Hatte ich auch noch nie. Aber wenn man Eltern hat, die mindestens zwanzig Kästen Alkohol im Keller lagern, weiß man das einfach."
,,Oh..."

Er lächelte mich an, wie um zu sagen: ist schon gut, aber besser fühlen ließ es mich nicht.
,,Kann ich dir jetzt helfen?"
,,Nein."

Ich seufzte und stützte mein Kinn auf meiner Hand ab. Im Endeffekt verstand ich aber, warum er sich lieber alleine darum kümmerte. Er war jemand, der ein Ei mit einer Hand aufschlagen, und Gemüse und Obst total schnell schneiden konnte. Ich brauchte immer voll lange für sowas.

,,Geht es dir wirklich gut?", fragte ich noch einmal nach. ,,Du bist so still. Hast du keine Schmerzen? Ich weiß nicht was mir mehr wehtut, mein Bauch oder mein Kopf..."
,,Als ich aufgewacht bin war mir schlecht, aber es geht total", gab er zu.

Ich nickte seufzend. ,,Ich bin neidisch... Was wohl Koro-Sensei gemacht hätte, wenn er wüsste, dass wir alle Alkohol getrunken haben?"
Er zuckte leicht zusammen. ,,Nicht schon wieder."

Was?

Ich legte den Kopf schräg. Also hatten wir heute Nacht echt über ihn gesprochen.

,,Hast du... Hast du die einen Seiten im Ratgeber gelesen?", brach ich die bedrückte Stille. Auch wenn es mir leid tat, fühlte es sich einfach richtig an, darüber zu reden.

,,Wo er ein ganzes Kapitel für "Karmagisa" hat und noch viel mehr Fotos dazu geklebt hat als die wir schon kennen? Ein paar hat er ja sogar selbst gemalt, haha... Oder die detaillierten Ratschläge über Liebe und Beziehungen."

Karma drehte sich dem Herd zu und rührte in der Suppe herum. ,,Es war so detailliert, dass es wieder nervig war."
,,Ja, fand ich auch", sagte ich schmunzelnd.

Darüber zu lachen tat erstaunlich gut, selbst wenn es mich gleichzeitig traurig machte. Eigentlich war es ja auch das, was unser Lehrer damit erreichen wollte, oder?

Ich stand vom Hocker auf. Schon peinlich, wie sehr ich Karmas Nähe suchte, wenn es mir schlecht ging... Aber wann immer ich ihn umarmte, hatte ich das Gefühl, nicht alleine mit meinen Gedanken zu sein.

Er sah mich über die Schulter an und lächelte trübselig. Dann drehte er sich um, um mich richtig umarmen zu können und drückte meinen Kopf gegen seine Schulter.

,,Essen ist fertig."
,,Danke. Können wir danach ins Bett? Ich will nochmal schlafen..."
,,Okay. Aber erst nach dem Frühstück. Ich hab Hunger."

,,Du klingst fast wie meine Mutter, hahah- au!" 
Ich rieb meine Seite, in welche er seinen Ellbogen geboxt hatte.

,,Apropos, deine Mutter", fiel es ihm ein. ,,Ich habe ihr gestern auf dem Weg hier hin geschrieben. Ich weiß aber nicht mehr genau was, guck lieber mal nach. Und ich muss dich vorwarnen, ich war selbst betrunken."

Oh. Daran habe ich ja überhaupt nicht mehr gedacht.

Aber ich erinnerte mich noch wage, dass Karma auf dem Weg zu sich mein Handy geklaut und irgendwas damit gemacht hatte.
,,Wo ist mein Handy denn?", fragte ich.

,,Gute Frage", lachte er verwirrt. ,,Als wir durch die Tür gekommen sind, haben wir sofort rumgemacht. Ich weiß nicht mehr, was davor passiert ist... Vielleicht ist es in deiner Jackentasche. Oder in meiner."

Ich nickte und ging zur Kommode. Karma nahm währenddessen den Topf vom Herd und schob mit dem Fuß die Glastür des Gartens auf. Offenbar hatte er vor, draußen zu essen.

,,Ah, hier ist es! Es war wirklich in deiner Jackentasche", rief ich und fischte mein Handy heraus.
,,Kay. Lies mal vor, was ich deiner Mutter geschrieben hab", antwortete er.

Ich suchte den Chat heraus und setzte mich dabei an den Tisch draußen. Es war ein schöner Morgen, mit Sonnenschein und Vogelgezwitscher, aber ich konnte mich kaum darauf konzentrieren.

,,Hallo Mama", fing es an, mit Ausrufezeichen und Herz-Emoji.

Oh nein... oh nein, oh nein!

Mit böser Vorahnung las ich weiter: ,,Heute schlafe ich bei Karma. Mach dir keine Sorgen, er wird sich sehr gut um mich kümmern, wenn ich brav bin. Sonst muss er mich nämlich bestrafen. Morgen weiß ich noch nicht wann ich zurück komme, mal sehen was wir alles noch so treiben. Wünsch mir Glück!" 

Mein Blick schoss zu Karma, der erst genau so erschrocken drein schaute wie ich, und sich dann krampfhaft versuchte das Lachen zu verkneifen. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Wie gerne hätte ich mich auf ihn gestürzt.

,,KARMA! DU KANNST SOWAS DOCH NICHT MEINER MUTTER SCHREIBEN!"
,,Hoppla."
Ich schnaubte und warf einen Löffel nach ihm.

Er schaffte es leider noch auszuweichen.
,,Was hat sie geantwortet?", fragte er und schaufelte Miso-Suppe in meine Schüssel.

,,Nagisa, mit fünf Fragezeichen und Großbuchstaben", antwortete ich trocken. ,,Das klingt ja auch überhaupt nicht nach mir! Was denkt sie denn jetzt?", maulte ich weiter.

,,Dass ich mich gut um dich gekümmert habe", stichelte er und wich einem weiteren Löffel aus. Grinsend hob er das Besteck vom Boden auf und pustete Erde von der Oberfläche. Dreck reinigte den Magen, schätze ich.

Ich seufzte leise und probierte von der Suppe. Tatsächlich fiel es mir gar nicht so schwer, zu essen. Der Reis war mild und die Suppe lecker. Karmas Kochkünste waren doch unfair.

How to love an Assassin ♡ KarmagisaOnde as histórias ganham vida. Descobre agora