5. Das ist falsch

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(POV. Nagisa)

Dafür, dass Karma so viel getrunken hatte, schien es ihm erstaunlich gut zu gehen. Im Gegensatz zu mir konnte er gerade laufen und zog mich auf das Meer zu.

Das Wasser war wirklich kalt. Es ging aber noch, da ich eine gewisse Wärme spürte, die von meiner Brust ausging. Vermutlich wegen des Vodkas... Nakamura hatte gesagt, es sei Hochprozentiges.

Ich frage mich echt, wo sie so starken Alkohol her hat! Wir sind Minderjährig!

Seufzend ließ ich mich weiter mitziehen. Weiter als bis zur Taille konnte ich aber echt nicht. Karma bemerkte meinen Widerstand und drehte sich um.

,,Ich will nicht noch weiter", sagte ich. Genau in dem Moment kam eine Welle und klatschte gegen meine Brust. Ich keuchte auf.

So kalt!

Karma seufzte. ,,Wenn wir schwimmen, wird dir warm."
Er spritzte mir Wasser in Gesicht. Ich sah ihn empört an und rächte mich. Seine Unterlippe zitterte vor Kälte und er schaffte es trotzdem, zu lachen.

,,Siehst du? Ist doch nicht so-"
Seine Worte wurden von einer Welle verschluckt.
,,K-Kar-?!", stockte ich und wurde in der nächsten Sekunde ebenfalls überschwemmt.

Wenn man tauchte war das Wasser noch kälter und unerträglich salzig. Ich verschluckte mich und kniff die Augen zusammen. Meine Lunge schrie nach Sauerstoff, aber alles was ich fühlte war Wasser, das mich am Atmen hinderte.

Hektisch versuchte ich den Boden zu finden, um mich hoch an die Oberfläche zu stoßen, aber... wo war die Oberfläche? Ich konnte nicht unterscheiden, wo oben und wo unten war.

Plötzlich wurden meine Haare gepackt. Eine Hand zog meinen Kopf in irgendeine Richtung, die mir Angst machte, aber dann war ich wieder an der Oberfläche. Ich spuckte, hustete und würgte das Wasser hervor.

Wieder kam eine Welle. Das sanfte Plätschern von vorhin war das Meer schon lange nicht mehr. Jetzt rauschte es, wurde aggressiver und wütender und ließ mich vor Angst zittern.

Nur Karma war bei mir. Er hatte mich an seine Brust gezogen und ich spürte, wie seine kühlen Hände meinen Körper hinab glitten. So schnell, dass ich Gänsehaut bekam.

Für einen Moment wurde ich nervös. Ich konnte mich mit dem Hustanfall kaum wehren, als sie an meinen Hintern gelangt waren. Was hatte er bitte vor?

Sie tasteten sich aber noch weiter runter bis zu meinen Oberschenkeln und hoben mich hoch. Jetzt verstand ich und mir blieb nichts anderes übrig, als meine Beine um seine Hüfte zu schlingen und mich an seinen Schultern festzuhalten.

,,Bitte übergib dich jetzt nicht", hörte ich seine Stimme durch das laute Rauschen der Wellen. ,,Ich gehe zurück, okay? Ich denke, es ist doch zu gefährlich."

Ich konzentrierte mich darauf meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen, während mich Karma zurück zum Ufer trug.

Derweil versuchte ich nicht daran zu denken, wie nah sein warmer, nackter Oberkörper an meinem war. Dass sich das kribbelnde Gefühl in meiner Brust durch den engen Körperkontakt immer mehr verstärkte. Oder wie sehr ich diese Nähe eigentlich genoss.

Aber wie sehr ich es auch mochte, die Demütigung, dass er mich tragen musste machte mich viel zu verlegen.
,,Okay... Ich kann ab hier alleine gehen", krächzte ich heiser.

Das Wasser reichte nur noch bis zu Karmas Knöcheln. Der ignorierte mich jedoch und ging weiter geradeaus.

Was soll das?

,,Karma, lass mich runter..."
Ich versuchte mich freizustrampeln, doch er hatte meine Beine so fest im Griff, dass sie noch nicht einmal den Boden berührten.

Warum hört er nicht auf mich? Ich verstehe es nicht?

,,Karma! Hey, komm schon!"
Ich zappelte, bis er taumelte und stehen blieb.
,,Lass das", zischte er.
,,Lass mich los!", erwiderte ich und sah empört zu, wie er den Kopf schüttelte.

Hä?

,,Hast du so viel getrunken?!", beschwerte ich mich und drückte mit beiden Händen gegen seine Brust.
,,Oh", machte er plötzlich und ich hielt mich erschrocken an seinem Hals fest, als er das Gleichgewicht verlor und wir mit einem dumpfen Aufprall im Sand landeten.

,,Au!", murrte ich und rieb meine Stirn. Sie war gegen etwas Hartes gekommen und ich konnte mich kaum bewegen. ,,Karma, was-?!"

Ich verstummte, als ich meine Augen öffnete. Karma lag auf mir.

Warte mal, was?

,,Oh verdammt Nagisa.. dein Schädel ist so hart." Er hob den Kopf und rieb sich ebenfalls die Stirn – bis er merkte worauf er überhaupt lag. Oder besser auf wem.

Er fuhr blitzschnell hoch, hielt aber inne. Anstatt aufzustehen, blieb er noch auf meinem Bauch sitzen, stützte seine Hände neben meinem Kopf ab und beugte sich über mich. ,,Geht's dir gut?", fragte er und begutachtete mich aus nächster Nähe.

Ich nickte langsam. Gerade war ich einfach nicht in der Lage zu sprechen. Ein Dutzend Adrenalinwellen rasten durch mich hindurch und trotzdem war ich wie erstarrt. Mein Bauch fühlte sich an wie Knisterzucker.

So etwas hatte ich noch nie gespürt, noch nicht einmal als Kayano und ich uns geküsst hatten.

Karmas Augen waren wie ein loderndes Feuer, dass sich durch meinen Kopf brannte. Für einen Moment verlor ich mich darin, und wachte erst wieder auf, als sie über mein Gesicht huschten und an meinen Lippen hängen blieben.

Ganz langsam beugte er sich herunter. Immer weiter, wie in Zeitlupe. Meine Hände krallten sich im Sand fest und mein Atem stockte. Ohne es selbst zu merken reckte ich das Kinn und wartete darauf, dass seine Lippen endlich auf meine trafen.

Das ist falsch, kommentierte die Stimme in meinem Hinterkopf. Ich hörte ihr nicht zu. Ich wusste, dass es falsch war. Jeder würde ausflippen, wenn meine Gefühle an die Oberfläche kamen. Meine Eltern, Koro-Sensei, Kayano...

Aber Karma war gerade so viel wichtiger als das. Mittlerweile war er mir so nah, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spürte. Ich schloss die Augen.

...

Ein plötzlicher, und entsetzlich vertrauter Windzug ließ mich zusammenzucken und ich riss die Augen wieder auf. Karma schaute erschrocken zur Seite und wurde rot.

Koro-Sensei stand neben uns. Wir beide keuchten auf und Karma stieg (oder eher sprang) mit hochrotem Gesicht von mir runter. Auch mein Atem stockte leicht, ich spürte wie mir ganz heiß wurde.

Jetzt wieder frei fuhr ich blitzschnell hoch und wich ein wenig zurück. Am liebsten wollte ich mich an Ort und Stelle vergraben und nie wieder rauskommen. Hier, im Sand...

Unser Lehrer hatte eine schwarze Farbe angenommen. Seine Adern traten in seinem Gesicht hervor, was mir verriet, dass er gerade vor Wut kochte. Ja, es war ganz sicher falsch gewesen. Oh nein.

Sein sonst so unbewegter Mund öffnete sich leicht als er anfing zu sprechen: ,,Nagisa-Kun, Karma-Kun... Störe ich gerade?!"

How to love an Assassin ♡ KarmagisaWhere stories live. Discover now