Weit weg von gespielt

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Immer noch erstarrt versuchte ich diese plötzliche Skriptänderung zu verarbeiten.

Natürlich wünschte ich mir immer in einem romantischen Film die Hauptrolle zu spielen und natürlich gab es da auch Kussszenen. Doch dieser Film war alles andere als romantisch und ein Kuss passte genauso wenig in diese Szene wie ein Fisch in die Wüste oder Ketchup in die Suppe. Und selbst wenn wir diese Szene jetzt so verändern mussten, hätte ich gerne etwas länger Zeit gehabt, um mich mental darauf einzustellen.

„Oh diese Skriptänderung musst du bestimmt gut finden. “

Adrian schupste mich etwas mit seinem Ellbogen, sodass ich aus meiner Starre erwachte.

„Du vielleicht.“,
antwortete ich plumpt ohne darüber nachgedacht zu haben.

„Wie jetzt. Willst du mich etwa nicht küssen?“,
reagierte er auf meine unfreundliche Aussage leicht beleidigt, woraufhin ich ihn nur blöd angaffte.

Er lehnte sich leicht zu mir, um mir näher zu kommen und flüsterte mir dann
„Keine Angst, es wird so schön wie in deinen Träumen“
ins Ohr und schaffte dann mit einem Zwinkern wieder etwas Abstand zwischen uns.

Und wieder hatte er es geschafft mir eine Gänsehaut zu verpassen.

Der Regisseur erklärte uns wie er sich die Szene nun vorgestellt hatte und schon erklang das nächste laute „ACTION!“.

Ich war gerade dabei die Dokumente zu durchsuchen, da stoppte mich Nico, indem er sanft seine Hand auf meine legte. Daraufhin drehte ich langsam meinem Kopf, um in seine Augen blicken zu können. Leicht verwirrt und fragend zu gleich schaute ich ihn an. Und dann passierte es. Viel schneller als ich dachte. Kein vorsichtiges Antasten. Keine sanften ersten Versuche. Nein. Plötzlich lagen seine Lippen auf meinen und wir versanken in einem leidenschaftlichen Kuss. Unsere Lippen spielten miteinander, als hätten sie das schon sooft miteinander gemacht. Alles in mir fing an zu kribbeln. Vom Haaransatz bis in die Fußspitzen. Mein Herz bebte. Und es war wirklich so wie ich heute Morgen noch scherzhaft zu Adrian meinte. Ich wollte immer mehr und konnte gar nicht aufhören ihn zu küssen.

Ich weiß nicht wie lange wir diesen Teil der Szene auskosteten, doch dann brachte uns ein lautes „Cut“ dazu aufzuhören.

Langsam wich ich etwas von ihm zurück und schaute ihn verunsichert an.
Total überfordert versuchte ich nachzuvollziehen, was hier gerade in mir vor sich gegangen war und ich fragte mich, ob er das gleiche gefühlt hatte wie ich.

„Freut mich für eure Innigkeit, aber der Kuss war definitiv zu lang.“,
stellte der Regisseur fest und in seinen Augen blitze die Bosheit, wie er sich über unser Abdriften in eine andere Welt lustig machte.

„Leidenschaftlich aber kurz. Ihr wollt ja in eurem Vorhaben mit den Dokumenten weiterkommen.“,
erklärte er uns nochmal und das nächste „ACTION!“ ertönte.

In mir versuchte alles gegen diese Gefühle, die immer wieder hochkommen wollten, anzukämpfen, aber es gelang mir nicht. In mir explodierte einfach alles, als wir uns zum zweiten Mal küssten. Das gleiche passierte beim dritten, beim vierten und auch noch beim elften Mal. Jedes einzige Mal flatterten Tausende Schmetterlinge durch meinen Bauch und ich konnte nichts dagegen tun.
Es fiel mir nicht schwer die Emotionen zu spielen, die sich der Regisseur wünschte…denn sie waren echt.

***

Als wir vom Set entlassen wurden stürmte ich wie wild zu meinem Auto. Ich hatte so das Bedürfnis zu flüchten.

Wir hatten noch ein paar weitere Szenen heute gedreht, aber Adrian und ich hatten keinen Moment mehr gefunden miteinander zu reden. Aber über was sollten wir denn auch schon reden? Es war ein Kuss in einem Film. Ein gespielter Kuss. Da gab es nichts zu bereden.
Vielleicht versuchte ich deshalb so schnell zu flüchten. Ich hoffte vor meinen Gefühlen wegrennen zu können.

„Hey Lia, wohin so eilig?“

Adrian war mir aus dem Gebäude gefolgt.

Ich ignorierte ihn jedoch und ging zielstrebig weiter auf mein Auto zu.
Doch Adrian ließ nicht locker und hatte mich schnell eingeholt. Bevor ich die Tür zu meinem Auto öffnen konnte, hatte er sich davorgestellt.

„Rennst du von mir weg?“, fragte er mit flirty Augen.

„Ehm nein, wieso sollte ich das tun?“,
log ich ihn an und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.

„Na, weil ich dir nachgerufen habe und du einfach weitergelaufen bist.“

Leicht traurig formulierte er seine Feststellung.

„Oh muss ich wohl überhört haben…“,
log ich weiter, obwohl ich so etwas echt ungern tat.

„Naja, ist doch jetzt auch egal. Ich hab dich ja noch erwischt.“

Er schenkte mir ein unglaubliches Lächeln, das es tatsächlich schaffte mir die Gefühle wieder vor die Füße zu legen, die ich doch in diesem Gebäude lassen wollte.

Ich zwang meinen Blick sich von ihm abzuwenden und starrte auf den Anhänger meines Autoschlüssels, den ich schon gezückt hatte.

„Alles Okay?“, musste er dann auch noch fragen.

Ich nickte schnell.

„Was wolltest du nun?“,
hakte ich nach, um das was noch vor mir lag schnell hinter mich zu bringen.

„Achso genau.“

Er fuhr sich nochmal wie gewohnt model-like durch die Haare, was die Gefühle vor meinen Füßen meine Beine hochklettern ließ.
Konnte er nicht einfach auf den Punkt kommen?

„Ich wollte dich nur fragen, wie du’s heute fandest?“

Wow, was soll man denn darauf antworten?
‚Ich fands widerlich dich zu küssen‘? ‚Der Kuss war einfach nur übertrieben‘? ‚Der Kuss löste unglaublich starke Gefühle in mir aus‘?

„Gut“,
antwortete ich knapp.

Als hätte ich irgendetwas Spezielles gesagt formte sich plötzlich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht.

„Warum grinst du so?“

Hatte er vielleicht doch das gleiche gefühlt?

„Also wenn du mich fragst, wie ich es fand… Ich hab‘s sehr genossen gleich elf Mal eine tolle Frau küssen zu dürfen.“

Mit einem wahnsinnig sanften Blick sah er mich. So sanft, sodass ich das Schlucken und Atmen vergaß. Und meine Gefühle hatten es bis zurück in meinen Bauch geschafft, um die Schmetterlinge erneut aufzuwecken.

Flirtete er gerade wirklich mit mir? Ich meine nicht so wie er es gespielt bisher tat, sondern aus der Intention aus der man normalerweise flirtete?

„Ja das ist mir klar, dass es dir gefiel.“,
reagierte ich trocken aus einem Schutzmechanismus heraus.

„Dir nicht?“, fragte er durchzogen mit leichter Traurigkeit.

HEILIGE GUACAMOLE!
Warum musste der mir gerade jetzt solche Fragen stellen???

„Hast du nicht genug Girlys mit denen du rumknutschen kannst?“,
platze es plötzlich hölzern aus mir heraus.

Daraufhin veränderte sich sein Blick noch mehr und ich bemerkte, dass meine Worte ihn trafen.

Ja, es war etwas hart, aber war das nicht die Wahrheit?
Jemand wie er muss doch eine nach der anderen haben. Und ich wollte nicht dazu gehören.

„Wenn du das meinst…“

Mit diesen Worten ließ er mich mit schlechtem Gewissen an meinem Auto stehen. Seine plötzliche traurige Miene fand ich echt verwunderlich. Ich hatte ihn doch nicht wirklich verletzt oder?

Auf dem Weg nach Hause versuchte ich diese aufwirbelnden Situationen beiseite zu schieben und mich auf das einzustellen, was mich gleich in meiner Wohnung erwarten würde.

Wird Rob noch da sein?

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