Die Richtige?

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„Dankeschön"

Tatsächlich durfte ich meinen Text zu Ende reden. Normalerweise brechen die immer schon in der Hälfte ab, wenn es ihnen nicht gefällt. Oder einfach nur um Zeit zu sparen. Ist das nun ein gutes Zeichen, dass sie mich bis zu Ende anhörten?

Ich gab wirklich mein Bestes. Diese Stufe von Emotionalität hatte ich bis jetzt bei Castings noch nie hinbekommen. Konnte ich nun endlich mal überzeugen?

„Wir holen Sie gleich nochmal rein. Könnten Sie bitte vor der Tür warten?"

Ich nickte und verließ angespannt den Raum.

Juhu, ich darf vor der Tür warten! Ja, in so einem Moment kann man sich nun wirklich mal darüber freuen! Immerhin wurde ich nicht, wie das Mädchen zuvor, gleich nach Hause geschickt. Ich hatte zumindest soweit überzeugt, dass es etwas zum drüber diskutieren gibt. In diesem Moment war ich gleichzeitig voller Freude und voller Angst. Zu sehr sollte ich mich nämlich nicht freuen, weil wenn ich nun erst eine Abfuhr bekomme, bin ich nur umso enttäuschter.

„Und wie wars?", der gutaussehende Mann vom Aufwärmen sah mich gespannt an.

„Ich denke gut.", gab ich reflektierend von mir.
„Sie holen mich gleich nochmal rein."

„Uh, da gibt's wohl noch Unstimmigkeiten. Spannend!"

Ich bemerkte wie er mit seinen Beinen wackelte. Aha! Erwischt! Da ist dieser perfekte Mann wohl wirklich nervös! Bin ich froh, dass ich es nun hinter mir habe.

„Oh ja, ich hoffe die sind bald so weit."

Ungeduldig schaute ich auf meine Uhr, wie lange die sich wohl schon beredeten. Doch ehrlich gesagt, tat ich das rein instinktiv, da ich absolut keine Ahnung hatte, wann ich aus diesem Raum kam. Aber es fühlte sich definitiv zu lange an!

Was gibt es denn da schon so viel zu klären? Nehmt mich doch einfach!

Meine Gedanken brachten mich zum Schmunzeln und meine Mundwinkel hoben sich leicht.

Erwartet aber doch unerwartet öffnete sich die Tür hinter mir und schon wieder zuckte ich aus Schreck zusammen!

„Mensch Lia! Du wartest doch die ganze Zeit darauf bis sich diese blöde Tür öffnet, und jetzt erschreckt du dich, wenn sie nun endlich aufgehnzt? Ernsthaft?", meldete sich meine innere Stimme mal wieder zu Wort. Immer in den besten Momenten, muss die ihren Senf dazu geben. So klar!

Ich folgte dem Mann zurück in den Castingraum.

Gespielt sicher stellte ich mich erneut vor die Jury. Doch innerlich machte mir Nervosität mein Leben schwer, denn mein Herz pochte viel zu laut in meiner Brust.

Voller Erwartung sah ich in die Gesichter vor mir. Diese schienen jedoch ihren Spaß daran zu haben, mich auf die Folter zu spannen und die Nachricht noch etwas hinaus zu zögern. Schließlich öffnete endlich einer der Männer den Mund:

„Frau Penterson", las er emotionslos von seinem Papier ab und hob dann wieder den Blick hoch zu mir.

„Jaa, jaa das ist mein Name. Red doch bitte weiter!", dachte ich, denn ich hängte förmlich an seinen Lippen.

Diese nervende Ungeduld breitete sich immer weiter in mir aus. Ich will jetzt endlich wissen was Sache ist!

„Wir haben entschieden Sie mit in die engere Auswahl zu nehmen. Wir sagen Ihnen nächste Woche Bescheid. Danke, dass Sie hier waren."

Sofort kam mir ein Lächeln über die Lippen.

„Vielen Dank!", ich nickte und schüttelten den Herr- und Frauschaften noch die Hände bevor ich mit breitem Grinsen durch die Tür schritt.

Hat der das gerade wirklich gesagt oder hab ich mich verhört?

Ich konnte das Grinsen einfach nicht unterdrücken, als ich zurück in den Warteraum trat. Sofort traf der Blick des Mannes, wessen Namen ich nicht mal wusste auf mich.

„Deinem Grinsen zufolge haben die wohl etwas Gutes verkündet. Nehmen sie dich?"

Auch auf seinem Gesicht hatte sich ein Lächeln gelegt und man merkte seine sichtliche Freude für mich. Für eine Frau, die er nicht mal kannte.

„Safe ist noch nichts, aber ich bin in der engeren Auswahl."
Bei den letzten Worten wurde ich aus Freude mit meiner Tonlage immer höher.

„Hey, das sind ja tolle Nachrichten!"

Mit diesen Worten sprang er elegant von seinem Stuhl auf und zog mich in eine „einarmige" Umarmung. Ich hatte gar keine Zeit zu überlegen, ob ich mich überhaupt von einem wildfremden Mann umarmen lassen möchte, doch als sich meine Hand auf seinen durchtrainierten Rücken legte, bereute ich gar nichts.

Noch immer grinsend schaute ich ihn an, nachdem er mich nach nur einer Sekunde wieder los lies.
„Warum denn nur so kurz?", dachte mein Hirn und wollte eine Schmolllippe ziehen (wie auch immer das funktionieren sollte), doch ich hätte es dafür schlagen können!

Lia, was denkst du denn nur da? Das ist ein fremder Mann und den findet man nicht so schnell toll! Und hör auf dauernd auf seine Muskeln zu starren!"

Ertappt zwang ich meine Augen zurück in sein Gesicht zu schauen.

„Ich wünsch dir alles Gute! Du machst das!", brachte ich noch ein paar ermutigende Worte hervor und lächelte ihn ermunternd zu.

Unter einem langen Seufzen erklang ein leises „Danke".

Ich verabschiedete mich noch von ihm und verlies dann wie auf Wolken schwebend das Haus. Jetzt nicht wegen dem Mann schwebend, sondern wegen diesen genialen Neuigkeiten natürlich!

„Ich bin in der engeren Auswahl!", versuchte ich mit zurückhaltender Stimme mich leise zu freuen.

Ich konnte es immer noch nicht glauben. So weit bin ich noch nie gekommen. Sonst wurde mir immer gleich eine Absage erteilt. Den Satz „Du bist nicht die Richtige" hörte ich nun wirklich zu oft.

Mit kleinen Luftsprüngen hopste ich zu meinem Auto! Dieser eine Satz ist heute mal nicht gefallen! Halleluja!!!

Ohne großer Überlegung schwang ich mich in mein Auto und bog beim nächsten Laden ab, wo ich mir erstmal etwas zur Gönnung dieses Erfolges kaufen würde.

Zufrieden schnappte ich mir einen Parkplatz am Rande gleich neben dem Gehsteig. Aus dem Auto ausgestiegen hielt ich schon den Schlüssel zum Abschließen in der Hand. Kennt ihr das, wenn ihr im Auto schon den Schlüssel in die Handtasche werft und euch dann beim Tür zumachen fragt, warum ihr denn den Schlüssel schon weggepackt habt, wenn ihr doch noch abschließen müsst? Also ich kenn das ziemlich gut. Deshalb hab ich ihn diesmal ganz bewusst vorm Aussteigen in meine Hand gepresst.

Gerade griff ich nach dem Türgriff, um zu testen, ob auch wirklich abgesperrt ist, da lies mich etwas Kommendes am Gehweg aufblicken. Es fühlte sich an als wär es Zeitlupe gewesen, als an mir ein Typ am Fahrrad vorbei fuhr.

Unsere Blicke trafen sich sofort. Ich kann nicht erklären, was in diesem Blick lag, aber Freude war es definitiv nicht. Wie kann jemand bei so einem sonnigen Wetter nur so ein Gesicht ziehen?
Doch nicht nur sein Blick kam mir komisch vor, es war auch noch etwas anderes...

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