Die Gerichtsverhandlung II

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Sie erhob sich und fing an zu sprechen, nachdem sie einen kurzen giften Blick zu Rob geworfen hatte:

„Ich wohne über meinem kleinen Laden und in dieser schrecklichen Dienstag Nacht wurde ich aufgrund einer klirrenden Scheibe aus dem Schlaf gerissen. Mir war sofort klar, dass jemand in meinen Laden eingebrochen war. Ich habe zwar Überwachungskameras installiert, kann die Bildaufnahmen aber nur abrufen mit hochgefahrenem Computer. Ich wusste, dass dies zu lange dauern würde und entschied mich sofort etwas zu unternehmen. Bedauerlicher Weise war ich ganz alleine mit dieser schrecklichen Situation. Mein Mann war nicht da. Er ist viel auf Reisen. Also nahm ich einen Besen zur Abwehr mit. Als ich unauffällig durch den Türspalt lugte bestätigte sich meine Vermutung. Schnell kontaktierte ich die Polizei. Aber bevor die da war und er flüchten konnte, entschied ich mich ihn so lange aufhalten zu wollen. Ich forderte ihn dazu auf meine Sachen fallen zu lassen. Der Mann hatte bereits einige Lebensmittel in seinem Rucksack und einige andere Produkte auf seine Arme gestapelt. Ich stellte mich in den Ausgang, sodass er nicht einfach abhauen konnte. Aber das war wohl die schlechteste Idee, die ich je hatte."

Bisher hatte die Frau relativ emotionslos aus ihrer Sicht erzählt, aber bei ihrem letzten Satz schluckte sie fest und fing an zu weinen.

Ich fragte mich ob dieses Weinen gespielt war, als sie Tränen unterdrückend weitererzähle.

„Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da hatte er seine Hände freigemacht und zog mich grob vom Ausgang weg. Ich wollte mit dem Besen nach ihm schlagen, aber den riss er mir auf einmal aus der Hand. Er drohte mir mit den Worten: ‚Geh mir aus dem Weg, oder ich muss Ihnen weh tun.' Seine Stimme war so eiskalt und böse, ich hatte furchtbare Angst. Aber ich bin so erzogen worden, dass man sich nicht einfach alles gefallen lässt. Also suchte ich nach etwas anderem, was ich nach ihm werfen konnte, um ihn aufzuhalten. Ich traf ihn, als er die abgelegten Produkte wieder zusammensammelte. Aber das machte ihn so wütend, sodass er anfing auf mich einzuschlagen..."

Sie machte eine Pause, in der sie sehr hörbar schluchzte.

"...bis ich wehrlos am Boden lag... Die Polizei kam ... viel ... zu spät."

Weiter schluchzend setzte sie sich wieder hin und zückte ein Taschentuch, dass sie griffbereit hatte.

Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken hinunter.

Er hatte eine Frau zusammengeschlagen?

Das war die einzige Frage, die mir immer wieder durch den Kopf ging.

Aber ich hatte nicht viel Zeit genauer darüber nachzudenken, denn es ging auch gleich weiter.

„Danke Ms Dedeji. Mr Gelton, wollen Sie aussagen?"

„Nein euer Ehren.",
antwortete er knapp.

Da er nicht aussagen wollte, hat das wohl zu bedeuten, dass die Beschreibung der Frau stimmte. Er hatte nichts hinzuzufügen und auch nichts anders zu erzählen...

Ich weiß nicht ob ich das gut oder schlecht finden sollte. Vielleicht hatte ich bis zu diesem Moment gehofft, dass diese Frau in ihrer Aussage übertrieben hatte. Aber dieser Wunsch wurde hiermit wohl erbarmungslos vom Laster überfahren.

Irgendwann würd ich seine Version aber trotzdem noch gerne hören wollen.

„Ms Dedeji, kennen Sie diese Frau?"

Der Richter zeigte auf einmal auf mich, woraufhin die Frau mich eindringlich musterte.

„Nein euer Ehren.",
antwortete Sie.

„Ms Penterson, bitte erheben Sie sich zur Prüfung des Ausbleibens einer Mitanklage."

Oh mein Gott, jetzt hatte meine Stunde geschlagen. Sofort schlug mein Herz drei Mal oder besser gesagt 30-mal so schnell.
Mit zittrigen Knien erhob ich mich.

„Sie haben dem Angeklagte Unterschlupf geboten, stimmt das?"

Der Kloß im Hals, ließ mich nur schwer folgende Worte aussprechen:

„Ja, euer Ehren"

„Mr Gelton behauptet, dass er den Einbruch im Alleingang getätigt hat und Sie kein Mitwirkender dieser Tat waren. Stimmt das?"

„Ja. Ich wusste nichts von dem Einbruch."

„Ms Penterson, war es in Ihrer Kenntnis, dass Mr Gelton von der Polizei gesucht wurde?"

Ich schluckte... Was soll ich denn jetzt bloß auf diese Frage antworten? Musste ich wahrheitsgetreu aussagen? Ich war in diesem Fall ja keine Zeugin, die die Pflicht hat die Wahrheit zu sagen. Ich war hiermit eine Mitangeklagte.
Aber könnte ich eine Lüge durchziehen? Ich hatte mir auch keine Strategie oder eine nachvollziehbare logische Alternativgeschichte überlegt. Wie dumm auch.

Da aber diese schon viel zu lange Denkpause immer auffälliger wurde, antwortete ich schließlich mit „Ja."

Ich brachte eine Lüge einfach nicht übers Herz. Es war als hielt mich etwas in mir zurück. Es fühlte sich falsch an.

Der Richter machte sich Notizen zu meiner Antwort und verkündete dann 15 Minuten Pause. Dann verschwand er mit einigen anderen Chefitäten und Offizieren in einem separaten Raum.

Eine Pause?
Warum denn eine Pause?
Doch nicht etwa um meinen Fall zu besprechen?

Als ich realisierte, dass aber genau das ziemlich sicher die Situation war, stemmte ich meinen Kopf in meine Hände.
Sofort bahnten sich heiße Tränen den Weg nach unten. Für mich unglaublich hörbar klatschten sie auf dem kalten Fließenboden auf.

Wie sehr bräuchte ich jetzt jemanden, der bei mir war.
Jemanden, der mich einfach in den Arm nahm...

Ich wischte mir die Tränen weg und wagte einen Blick zu Rob.
Erst jetzt bemerkte ich, dass sein Blick die ganze Zeit auf mir gelegen war.

*Rob's Sicht*

Nachdem die Herrschaften verschwunden waren kam solch eine Wut in mir hoch. Ich würde mich noch mehr hassen als eh schon, wenn Lia auch angeklagt werden würde.

Ich wollte so gerne mich zu ihr umdrehen und ihr sagen, wie froh ich bin sie zu sehen. Aber ich traute mich nicht. Ich konnte nicht ertragen, was sie meinetwegen durchmachen musste. Und wenn sie jetzt auch noch eine Strafe bekommt, könnte ich ihr glaub nie wieder in die Augen schauen.

Mir fiel auf, dass die meisten den Raum verlassen hatten. Nur ein Officer stand noch 3 Meter von mir entfernt und behielt mich im Auge. Also wagte ich doch einen kurzen Blick zu ihr.
Was ich sah, machte mich aber alles andere als glücklich.
Ihren Kopf hielt sie in ihren Händen und ich erkannte sofort, dass sie weinte, obwohl ich ihr Gesicht gar nicht sehen konnte. Ich konnte es aber spüren, als würde sie direkt neben mir sitzen.

Wie gerne würde ich jetzt zu ihr hingehen und sie in den Arm nehmen.
Aber das konnte ich nicht.
Weil ich unter anderem an den Tisch gefesselt war und es auch viel zu auffällig gewesen wäre.
Unsere nahe Beziehung zueinander durfte niemand auch nur erahnen.

Als sie dann auch noch ihren Kopf hob und meinen Blick erwiderte, brach es mir das Herz.
Es tat mir alles so unglaublich leid. Aber diese Entschuldigung würde nicht mal annähernd einen kleinen Teil davon wieder in Ordnung bringen.

Im Moment waren mir Wort wörtlich die Hände gebunden...

Ich konnte nichts tun...

Oder doch?

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