The Gamechanger

76 2 0
                                    

Immer noch saß sie zusammengekauert am Boden, ihr Gesicht in ihren Händen vergraben und ich hatte das Gefühl, dass sie auch nicht so schnell wieder mit einem Lächeln aufstehen würde, das mir sonst so gefiel.

Also entschied ich mich zu ihr hinzuhumpeln und mich neben sie auf den Boden zu setzten. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und wartete ab, was passieren würde.

Sie regte sich aber nicht.
Daher konnte ich absolut nicht einschätzen, ob meine Geste für sie okay war oder nicht.
Immerhin ist sie nicht zurückgewichen oder hat meine Hand weggeschoben. Aber vielleicht ließ sie es auch nur aus Höflichkeit zu...

Fakt war: Ich war erstaunt, wie verletzlich sie sich mir zeigte.

„Warum muss ich immer jeden verletzten ohne, dass ich es will?",
nuschelte sie in ihre Grube.

„Also Mich hast du alles andere als verletzt.",
versuchte ich sie zu ermutigen.

„Da war es eher umgekehrt.",
stellte ich leise fest.

Sie war immer so lieb und zuvorkommend zu mir und ich behandelte sie trotzdem kühl und abweisend. Ich hatte ihre liebevollen Gesten gar nicht verdient.
Im Moment wünschte ich mir einfach ihr etwas davon zurückgeben zu können.

Ohne nochmal darüber nachgedacht zu haben, zog ich sie in meine Arme. Sanft drückte ich sie an meine Brust und umschloss ihren Oberkörper.

Diesmal wusste ich:

Es war okay.

*Lia's Sicht*

Ich genoss es sehr wie er mir zärtlich über den Rücken strich. Seine Nähe war unglaublich beruhigend.
Ich wollte gar nicht darüber nachdenken wie schräg es eigentlich war sich in den Armen seines obdachlosen Verfolgers so wohl zu fühlen. Aber ich konnte ewig so sitzen bleiben.

Nach einer viel zu kurzen Ewigkeit bewegte er seine Beine so sehr, sodass ich auch aus seinen Armen entlassen wurde.

„Tut mir leid, mein Fuß ist eingeschlafen.",
entschuldigte er sich für das abrupte Ende.

Ich setzte mich wieder aufrecht hin, traute mich aber nicht in seine Augen zu sehen.

„Soll dein scheinbarer Freund dir was auf der Gitarre vorspielen?"

Sofort schnellte mein Kopf zu ihm und ein hoffnungsvolles Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus.

„Ah ich wusste doch, dass ich dich damit wieder zum Lächeln bringen kann."

Mit diesen Worten stand er etwas umständlich auf und humpelte zurück zum Sofa.

Da ich es nicht glauben konnte, dass er das gerade wirklich selbst vorgeschlagen hatte, schaute ich ihm erstmal verdattert nach. Erst als ich tatsächlich hörte wie er die Seiten erklingen ließ, kam ich vorsichtig zu ihm.

Fasziniert beobachtete ich ihn wie seine Finger über das Griffbrett wanderten und eine unglaublich schöne Melodie daraus entstand. Ich merkte schnell, dass er weit mehr als nur spielen kann. Er war extrem talentiert. Für sowas bräuchte ich noch jahrelange Übung. Ich war ganz gut in Akkorden spielen und dazu singen. Aber so Rumdüdeln wie er konnte ich nicht.
Mit umso mehr Faszination haschte ich nach jedem Ton.

Mein Blick glitt von seinen Fingern hin zu seinem Gesicht. Es war nicht konzentriert, so wie meines wahrscheinlich gewesen wäre.
Nein, es war geschmückt von Leichtigkeit und Freude. Man sah ihm an, dass er diesen Moment sehr genoss und dass es ihm unglaublich viel gab.

Nachdem er seine Melodie zu Ende gebracht hatte, schaute er nur lächelnd auf die Gitarre in seinen Händen. Unbezahlbar war dieser Anblick. Wie ein Kind, dass sich über ein Stück Schokolade freute. Meine Traurigkeit war wie weggeblasen.

Can I help? - Ein Angebot mit Konsequenzen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt